Kultur und Heimat

Spiegel der Gesellschaft? Fachgespräch zum Thema Diversität im Kulturbetrieb

<p><strong>„Wem gehören unsere Kultureinrichtungen? Für wen sind sie da? Und wie können wir sie demokratisieren?“</strong> Diese Fragen standen für den kulturpolitischen Sprecher Sepp Dürr im Mittelpunkt eines Fachgesprächs zur Diversität im staatlichen Kulturbetrieb. Mit Experten aus Wissenschaft und Praxis diskutierte er darüber, wie es gelingen kann, die gesellschaftliche Vielfalt auch in den Kultureinrichtungen abzubilden.

11. April 2014

Dabei wurde deutlich, wie groß hier der Nachholbedarf gerade in Bayern ist – und dass sowohl in der Staatsregierung als auch in den Institutionen zum Teil das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer interkulturellen Öffnung fehlt.

In seinem Eingangsstatement machte Sepp Dürr deutlich, dass das Thema Ausgrenzung und mangelnde Repräsentation von Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund natürlich nicht auf den Kulturbetrieb beschränkt sei: „Wir führen heute auch eine gesellschaftspolitische Stellvertreterdebatte.“ Doch gleichzeitig gehe es schon auch um den Kulturbetrieb selbst. „Denn gerade die öffentlich geförderten Kultureinrichtungen, aber auch die Kulturpolitik, bekommen zunehmend Probleme, weil sie noch immer nur einen kleinen Teil der Gesellschaft im Fokus haben“, so Sepp Dürr. In den seltensten Fällen spiegle sich die soziale und kulturelle Diversität unserer Gesellschaft in staatlichen Theatern, Museen, Opern- oder Konzerthäusern wider. Das zu ändern, sei „ein zentrales Ziel grüner Kulturpolitik“.

Wie Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung aussehen können, machte der Migrationsforscher und Autor Mark Terkessidis in seinem Beitrag deutlich. Neben der Öffnung des Personalbestands an den Kultureinrichtungen plädierte er insbesondere dafür, dass sich die Institutionen selbst verändern müssten: „Die althergebrachten Privilegien einer vermeintlichen kulturellen Elite  sind nicht mehr zeitgemäß.“ Außerdem gelte es die Einrichtungen auch räumlich zu öffnen und „die materielle Hürden auf dem Weg in die Tempel des Bildungsbürgertums“ zu schleifen. Besonders kritisch wandte er sich gegen „interkulturelle Sonderprogramme“ neben dem Regelbetrieb und gegen die Unterstellung, man müsse die „angeblich kunstfernen Migranten an den Kulturbetrieb heranführen“: „Wir brauchen einen Perspektivwechsel: Es geht nicht darum, wie wir die Gesellschaft in den Kulturbetrieb integrieren, sondern darum, wie wir den Kulturbetrieb in die Gesellschaft integrieren.“ Schließlich hätten sich die staatlichen Kultureinrichtungen mehr und mehr zu einer „Parallelgesellschaft“ entwickelt.

Dass diese Einsicht im zuständigen Ministerium noch nicht annähernd angekommen ist, zeigte sowohl ein auf Antrag der Landtagsgrünen vorgelegter Bericht als auch der Auftritt der stellvertretenden Leiterin der Kunstabteilung Angelika Kaus. Erfolglos versuchte sie den Verdacht abzumildern, dass hinsichtlich der interkulturellen Öffnung in Bayern bisher kaum etwas passiert sei. Symptomatisch unterlagen alle von ihr aufgezählten Projekte jedoch genau den von Mark Terkessidis genannten Problemen. Sepp Dürr kritisierte daher auch die fehlende Strategie des Ministeriums: „Denn zwar weiß unsere Regierung, dass sich die Zusammensetzung der Bayern drastisch ändert. Aber sie hat keinerlei Bewusstsein von der Exklusivität der derzeitigen Kulturförderung.“

Die Kritik an der Fördermittelvergabe griff auch der Münchner Künstler Bülent Kullukcu in seinem Vortrag auf. Er kritisierte vor allem die anhaltende Ausgrenzung vieler Nachkommen von Einwanderern: „Worüber reden wir eigentlich? Dass wir als Deutsche am deutschen Kulturbetrieb teilnehmen dürfen?“ Noch immer würden Leute wie er auf ihre vermeintliche Herkunft reduziert: „Wir dürfen nur mitmachen, wenn wir unsere migrantischen Leidensgeschichten erzählen.“

In der anschließenden Diskussion mit dem Fachpublikum zeigte sich dann eine zum Teil „trotzige Selbstverteidigung“ (Kullukcu) der Vertreter bayerischer Kultureinrichtungen. Sie verwiesen auf die „Selbstregulierung“ ihrer Institutionen und darauf, dass in den vergangenen Jahren doch einiges in Gang gekommen sei. Damit wollte sich Mark Terkessidis jedoch nicht zufrieden geben. Schließlich sei viel zu lange gar nichts passiert – und noch immer fehle eine klare Strategie: „Ich glaube nicht, dass wir so weitermachen können.“ Dieser Einschätzung folgten auch andere Beiträge aus dem Publikum. So kritisierte Natalie Bayer von der LMU München, dass viele der genannten Projekte doch oftmals gerade von den Leuten konzipiert würden, die das Thema Migration bis in die 2000er Jahre  ignoriert hätten. Es sei daher nicht überraschend, dass sie dann oft „völlig an der Zielgruppe vorbei handeln“.

Diesen Eindruck teilte auch Sepp Dürr in seinem abschließenden Statement: „Weil sie davon manchmal so gar keine Ahnung haben, zögern einige, andere probieren irgendwas aus. Ich finde dieses Fragen, Suchen und Ausprobieren alles sehr spannend. Ich meine, da könnte ein Prozess in Gang kommen, bei dem wir alle viel lernen können.“