Wirtschaft und Arbeit

Heimat – Selbstbestimmung oder Gewerbefläche mit WLAN?

<p><strong>Wenige Begriffe schillern so bedeutungsvoll&nbsp; wie "Heimat".</strong> Das liegt daran, dass er für alle geronnene Kindheits-Erinnerung ist: Träume, Hoffnung und Ängste spiegeln sich wieder. Aber Heimat ist auch ein politischer Begriff, ein oft missbrauchter, aber in den letzten Jahren zumindest auch ein teilbegnadigter. Politisch vor allem, weil Heimat das ist, was wir selbst daraus machen und machen wollen. Wie weit diese Wunschvorstellungen manchmal auseinanderklaffen, zeigt die Landtagsdebatte zum Thema.</p>

28. November 2014

Der „Heimatminister“ Markus Söder gab in einer Regierungserklärung zum Besten, was er unter Heimat versteht und wie sie politisch gestaltet werden soll. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen Ludwig Hartmann antwortete ihm.  Da standen Selbstbestimmung, sorgsamer Umgang mit der Natur und gewachsenen Strukturen gegen ein klares Bekenntnis für weiteren Flächenfraß, neue Gewerbegebiete und technische Machbarkeit. Etwas zugespitzt formuliert lautet die eine Vision Heimat ist Selbstbestimmung, die andere Heimat ist Gewerbegebiet mit WLan-Anschluss. Der Ort, an dem man lebt, wird zur Heimat, wenn man mit entscheiden kann, was passiert – das ist das Credo von Ludwig Hartmann, untermalt durch sein eigenen Erfahrungen als Jugendlicher in Landsberg. Heimat wird also dann zur Heimat für alle, wenn alle mit entscheiden können. „Alle“ ist dabei buchstäblich zu sehen, denn niemand war schon immer da, so Ludwig Hartmann mit einem Zitat aus einem Schweizer Heimatmuseum. Und ob man was immer schon so gemacht hat, ist unter dieser Voraussetzung auch sehr relativ.

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Aber natürlich gibt es auch harte Fakten, die etwas über Heimat aussagen: Finde ich eine intakte Natur vor, gibt es etwas Unverwechselbares, einen einmaligen Erinnerungsraum, eine intakte regionale Wirtschaftsstruktur, die zu einem guten Leben dazugehören? Und hier läuft die Entwicklung in Bayern leider zu häufig in eine falsche Richtung. Übertriebene und ruinöse Konkurrenz zwischen den Gemeinden führt dazu, dass noch mehr Gewerbegebiete ausgewiesen werden, noch mehr Fläche unter Asphalt und Beton verschwinden (derzeit 18 ha oder 25 Fußballfelder Tag für Tag), noch mehr Aldis, Pennys, KIKs und Deichmanns den regionalen Einzelhandel, der Lebensmittel aus der Region vertreibt, verdrängt.

Ortszentren stärken statt noch mehr Flächen für noch mehr Discounter!

Aldi und Co scheren sich wenig um die regionale Herkunft ihrer Produkte. Ludwig Hartmann schildert das so: Erst kommt die Umgehungsstraße, dann der Discounter im neuen Gewerbegebiet, dann machen der lokale Metzger und der lokale Bäcker zu und dann muss man mit dem Auto zum Einkaufen fahren, weil die Umgehungsstraße nicht überquert werden kann. Genau diese Entwicklung möchte die CSU-Regierung aber weiter forcieren. Sie erhofft sich damit mehr Wohlstand, das Problem der Flächenversiegelung sieht Markus Söder als gering an. Dabei gibt es bereits 12.000 ha neu ausgewiesener Gewerbefläche – bei derzeit 43.000 ha genutzter Werbefläche ein wahrhaft dickes Polster. Weiteres Flächenwachstum schafft eine höchst vage wirtschaftliche Perspektive. Sicher ist nur, dass natürliche Flächen verloren gehen. Eine Alternative wäre es, der Innenentwicklung Vorrang einzuräumen, wie es Ludwig Hartmann vorschlägt. Regionale Produkte und Strukturen entwickeln und die Ortszentren stärken anstatt Flächen für Discounter und Handelsketten auf der Grünen Wiese schaffen – davon profitieren die Regionen.

Um die Digitalisierung ging es natürlich auch. Schließlich bewegt sich nach vielen Jahren des Stillstands endlich etwas beim Breitbandausbau und Söder wäre nicht Söder, würde er nicht bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen. Außerdem hat er noch für 2020 ein flächendeckendes freies W-Lan versprochen. Mal sehen, ob er in einigen Jahren davon noch etwas wissen will. Keinerlei Bewegung gibt es dagegen in Sachen Transparenz und Informationsfreiheit. In Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung gibt es jede Menge Aktivität zu vermelden. Bayern und Sachsen nehmen dagegen einen traurigen Platz am Ende der Tabelle ein. Einen Lichtblick bieten allerdings die über 60 bayerischen Gemeinden, die das Thema selbst in die Hand genommen haben und über kommunale Informationsfreiheitssatzungen verfügen. Im großen Rest des Landes gilt das nicht. Das zeigt: die stärkste Ressource für die Entwicklung des Landes, die Bürgerinnen und Bürger selbst, bleibt weitgehend ungenutzt.