Bayern als Vorreitermotor? Von wegen… Der Kampf gegen Resistenz(en) in Bayern geht weiter

<p>Am Dienstag präsentierte Ulli Leiner, gesundheits- und pflegepolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion, im Ausschuss für Gesundheit und Pflege zwei Anträge zum aktuellen Problem der Antibiotikaresistenz und multiresistenter Keime. Beide Anträge lehnte die CSU mit schwachen Begründungen ab.</p>

08. Mai 2015

Der breite Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin führt zunehmend dazu, dass immer mehr Bakterien Resistenzen entwickeln. Die Über- und Fehlversorgung mit Antibiotika hat dramatische Folgen, die derzeit schon in den Krankenhäusern sichtbar sind. Hier bedrohen resistente Bakterien die Gesundheit aller Patientinnen und Patienten. Die Zahl der Patientinnen und Patienten, bei denen multiresistente Erreger nachgewiesen wurden, steigt kontinuierlich.

Im grünen Antrag „Mehr Sensibilisierung im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen im Gesundheitswesen“ (Drs. 17/6201) geht es nicht nur um die stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit über geeignete Hygienemaßnahmen und sachgerechte Anwendung von verschriebenen Antibiotika. Wir befürchten, dass die aktuellen Pipelines für neue Antibiotika angesichts der weitgehend ungebremsten Resistenzbildung und -verbreitung bald nicht ausreichen könnten, um auch weiterhin den Bakterien einen Schritt voraus zu sein. „Resistenzen breiten sich sehr schnell aus, da sich Bakterien sehr schnell vermehren, die Entwicklung neuer Medikamente aber leider nicht“, erläuterte Leiner.

Nur wenige Wirkstoffe für die Humanmedizin befinden sich derzeit im Zulassungsverfahren. Neue Ansätze, wie die Entwicklung von alternativen Therapien (z.Bsp. Phagenpräparate), sind trotz intensiver Forschung noch nicht in Sicht. Da das Arzneimittel-Zulassungsverfahren etwa zehn Jahre benötigt, muss die Medizin jetzt alles tun, um die Wirksamkeit der vorhandenen Stoffe zu erhalten.

Es kommt also darauf an, Antibiotika möglichst gezielt und sparsam einzusetzen. „Es ist dringend notwendig, dass Ärztinnen und Ärzte jeden Einsatz antibiotischer Medikamente sorgfältig abwägen. Aber nicht nur der Einsatz von Antibiotika bei nicht-bakteriell bedingten Infektionen sollte unbedingt vermieden werden, sondern auch die Entwicklung diagnostischer und bezahlbarer Schnellmethoden für die Arztpraxen ist wesentlich, um möglichst frühzeitig eine gezielte Antibiotika-Therapie einleiten zu können,“ betonte Leiner. Bisher dauert es oft zwei und mehr Tage, bis die Infektionserreger identifiziert sind, und in dieser Zeit wird auf Basis von Erfahrungswerten unspezifisch mit Breitbandantibiotika behandelt.

Das Ziel unseres zweiten Antrages „Kampf gegen Krankenhauskeime forcieren, Melde- und Dokumentationspflicht systematisieren und verbessern“ (Drs.17/6198) ist, den Schutz der Patientinnen und Patienten vor multiresistenten Erregern (MRE) in Kliniken (wie etwa MRSA, VRE, ESBL, oder auch MRGN), bei denen gewisse Antibiotika wirkungslos geworden sind, zu verbessern und insgesamt mehr über diese gefährlichen Erreger zu erfahren.

Die Krankenhäuser nehmen eine zentrale Rolle in der Bekämpfung von nosokomialen Infektionen in einer Region ein. Gemäß der bayerischen Verordnung zur Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (Med-HygV), sind Krankenhäuser in Bayern verpflichtet, die Empfehlungen der KRINKO zu beachten und Risikopatienten bei der Aufnahme ins Krankenhaus auf MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Stämme) zu untersuchen und sie bis zum Ausschluss einer Besiedelung zu isolieren. Zu den MRE-Risikogruppen zählen beispielsweise Menschen mit einem Krankenhausaufenthalt im vergangenen Jahr, Menschen mit Kontakten zu Schweinemast-Betrieben, chronisch Pflegebedürftige oder Katheter- sowie Dialysepatientinnen und -patienten. Ulli Leiner verwies darauf, dass die Vorgaben den Kliniken allerdings einen relativ großen Spielraum zur tatsächlichen Umsetzung der Empfehlungen der KRINKO ließen. Ebenfalls große Interpretationsspielräume haben die Kliniken bei der Dokumentationspflicht sowie auch bei der Meldepflicht: Derzeit bestehen Meldeverpflichtungen bei Feststellung von nosokomialen Infektionen nur bei einem MRSA-Nachweis aus Blut oder Liquor, oder nur bei einem gehäuften Auftreten von Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist, oder vermutet wird. Einzelne Infektionen durch MRE oder eine Besiedlung nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind primär nicht meldepflichtig.

„Die Zahlen sind alarmierend,“ sagt Leiner. Das BMG geht davon aus, dass in Deutschland jährlich etwa 400.000 bis 600.000 Patientinnen und Patienten an solchen nosokomialen Infektionen erkranken, die im Zusammenhang mit einem medizinischen Eingriff stehen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene sterben bis zu 30.000 Menschen jährlich an Folgen dieser Infektionen. „Dazu müssen wir mit einer enormen Dunkelziffer rechnen“, unterstrich Leiner. „Wir brauchen verlässliche Angaben. Mit einer verstärkten Meldepflicht für sämtliche gefährliche MRE in bayerischen Kliniken und mit der Einführung einer ausführlicheren und einheitlichen Dokumentationspflicht bei jedem Nachweis einer nosokomialen Infektion, würden den Gesundheitsämtern in Bayern, sowie auch dem Robert Koch-Institut anonymisierte, elektronische, epidemiologische Daten über die Entwicklung und Verbreitung dieser gefährlichen Erreger zur Verfügung stehen. Dies würde die Entwicklung von zielgenauen Bekämpfungsmaßnahmen ermöglichen“, appellierte Leiner an die Mitglieder des Ausschusses.