Stagnation in der bayerischen Pflegepolitik

Staatsregierung und CSU-Fraktion lassen Mehrgenerationenhäuser und Pflegestützpunkte im Regen stehen. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflege in Bayern, scheitert weiterhin an der Verweigerungshaltung der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag.</p>

04. April 2014

CSU und Staatsregierung lehnen sowohl ein eigenes Programm zur Förderung der bayerischen Mehrgenerationenhäuser als auch eine Beteiligung an der Finanzierung der Pflegestützpunkte in Bayern ab. Im dritten Teil des Antragspaketes ‚Pflege in Bayern zukunftssicher machen‘ ging es der Grünen Fraktion um Vorschläge für eine langfristige Absicherung der 94 bayerischen Mehrgenerationenhäuser, um den flächendeckenden Ausbau der Pflegestützpunkte in Bayern sowie um die Abschaffung des Pflege-TÜV’s und die Einführung eines neuen Prüfsystems auf Bundesebene.

„Alle diese Themen stehen bereits seit langem auf der politischen Agenda“, so der grüne Pflegeexperte Ulli Leiner. „Leider hat die neue Pflegeministerin, Melanie Humml, bisher noch keine wahrnehmbaren Initiativen ergriffen, um die Situation der Pflege in Bayern zu verbessern. Auch die CSU-Fraktion glänzt bisher durch völlige Untätigkeit. Diese Stagnation können wir uns angesichts der drängenden Probleme in der Pflege nicht mehr länger leisten.“

Mehrgenerationenhäuser in Bayern langfristig sichern

Wir hatten in einem Antrag ein eigenes bayerisches Programm zur langfristigen Absicherung der 94 bayerischen Mehrgenerationenhäuser gefordert. Das ‚Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser II‘ des Bundes läuft Ende 2014 aus, dann stünden viele bayerische Mehrgenerationenhäuser vor dem Aus. „Da nicht zu erwarten ist, dass das Bundesprogramm noch einmal verlängert wird, muss sich die Staatsregierung rechtzeitig mit den Kommunen auf ein Konzept zur dauerhaften Förderung der bayerischen Mehrgenerationenhäuser verständigen“, fordert Ulli Leiner. „Dabei sollte ein ausgewogener Mix aus staatlichen und kommunalen Mitteln angestrebt werden.“

Auch nach Ansicht der Staatsregierung kann „die gute fachliche Arbeit der Mehrgenerationenhäuser“ nur dauerhaft gesichert werden, wenn es gelingt, „tragfähige Finanzierungskonzepte aufzustellen“. Die Staatsregierung setzt hier allerdings lediglich darauf, „dass sich der Bund über 2014 hinaus an der Finanzierung beteiligt“. Dies ist leider wenig realistisch. Schon die Einrichtung des zweiten bundesweiten Aktionsprogramms Mehrgenerationenhäuser war bis zum Schluss hart umkämpft und mit einer Kürzung der Fördersumme um 10.000 € pro Jahr und Einrichtung verbunden. Wenn die Staatsregierung nun verkündet, dass sie nicht beabsichtigt, „ein eigenes Programm zur Förderung von Mehrgenerationenhäusern aufzulegen“, dann droht in Bayern ein umfassendes Mehrgenerationenhaussterben.

„Der Freistaat kann die Finanzverantwortung nicht allein auf Bund und Kommunen abschieben“, so Ulli Leiner. „Bereits jetzt können sich viele finanzschwache Kommunen die Häuser nicht mehr leisten.“ Aufgrund der prekären Haushaltslage von Landkreisen, Städten und Gemeinden ist es nicht möglich, allein die Kommunen in die finanzielle Verantwortung  für die Zukunft der Mehrgenerationenhäuser zu nehmen. Die Träger der Einrichtungen brauchen ein verlässliches Konzept zur zukünftigen Finanzierung, um auch nach dem Auslaufen der Bundesförderung ohne Unterbrechung und Gefährdung weiterarbeiten zu können. Ein langfristig tragfähiges Finanzierungskonzept, erfordert auch ein eigenes Programm des Freistaats zur Förderung von Mehrgenerationenhäusern in Bayern. Der bisherige Zuschuss von 5.000 Euro pro Jahr muss dabei deutlich aufgestockt werden.

Pflegestützpunkte in Bayern flächendeckend ausbauen

In einem weiteren Antrag fordern wir ein Konzept für den flächen- und bedarfsdeckenden Ausbau der Pflegestützpunkte in Bayern. Bereits 2009 hat die bayerische Staatsregierung eine Rechtsverordnung zur Errichtung von Pflegestützpunkten in Bayern erlassen. In einer ersten Ausbauphase sollten bis zum Ende des Jahres 2010 60 Pflegestützpunkte realisiert werden. Mit der Umsetrzung wurden die Kranken- und Pflegekassen beauftragt. Die Kommunen sollten sich möglichst an der Finanzierung der Pflegestützpunkte beteiligen, ohne die Trägerschaft übernehmen zu können. „Dieses Modell ist vollständig gescheitert“, erläutert Ulli Leiner. „Bisher wurden in ganz Bayern erst acht Pflegestützpunkte eingerichtet.“

Die Errichtung der Pflegestützpunkte scheiterte bisher an der fehlenden Bereitschaft des Freistaats, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Die Pflegekassen weigern sich die alleinige Finanzverantwortung zu übernehmen und die Kommunen machen ihre Beteiligung von einer Kofinanzierung durch den Freistaat abhängig. „Bei dem gescheiterten Ausbau der Pflegestützpunkte in Bayern, handelt es sich um eine der größten pflegepoltischen Pleiten aus der vergangenen Legislaturperiode“, so Ulli Leiner. „Und das Schlimmste ist, diese Pleite war bereits bei Erlass der Rechtsverordnung zur Errichtung der Pflegestützpunkte völlig absehbar.“ Damit ist auch fünf Jahre nach Inkrafttreten des ‚Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes‘ der gesetzliche Auftrag, ein wohnortnahes Netz unabhängiger Pflegestützpunkte einzurichten, in Bayern immer noch nicht umgesetzt.

 Für Ulli Leiner ist völlig klar, „die neue Pflegeministerin muss hier dringend eingreifen und die Ursachen für die vorhandenen Umsetzungsblockaden beseitigen.“ Die Einrichtung der Pflegestützpunkte obliegt den Ländern. Nach den Vorgaben der obersten Landesbehörden haben die Kranken- und Pflegekassen den zügigen Aufbau der Pflegestützpunkte umzusetzen. Dies ist in Bayern trotz der Anordnung der sofortigen Vollziehung der ‚Allgemeinverfügung zur Errichtung von Pflegestützpunkten‘ bisher nicht geschehen. „Die Staatsregierung muss endlich die Rahmenbedingungen für die Umsetzung der eigenen Allgemeinverfügung herstellen“, insistiert Ulli Leiner. „Es reicht hier auch nicht, auf die vorhandene Infrastruktur der Angehörigenfachstellen der Wohlfahrtsverbände oder die Beratungsangebote der Pflegekassen zu verweisen. Der Gesetzgeber wollte mit dem ‚Pflege-Weiterentwicklungsgesetz‘ ausdrücklich eine trägerunabhängige und neutrale Beratungsstruktur schaffen. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen brauchen ein umfassendes und unabhängiges Beratungsangebot.“

Wir fordern deshalb, dass der Freistaat umgehend mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Pflegekassen Verhandlungen über eine neue Rahmenvereinbarung zur Sicherung der Finanzierung der Pflegestützpunkte aufnimmt. Um die vorhandenen Umsetzungsblockaden zu beseitigen, muss dabei sichergestellt werden, dass sich der Freistaat an der Finanzierung der Pflegestützpunkte beteiligt. Wir fordern in ihrem Antrag auch zu prüfen, ob die Trägerschaft für die Pflegestützpunkte nicht den Kommunen übertragen werden kann. „Durch eine kommunale Trägerschaft ließe sich die Tätigkeit der Pflegestützpunkte am besten auf eine breite tragfähige und anerkannte Grundlage stellen“, prognostiziert Ulli Leiner. „Nach dem Konnexitätsprinzip muss sich dann auch der Freistaat Bayern an den Kosten der Pflegestützpunkte beteiligen.“

Pflege-TÜV abschaffen – Instrumente zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität reformieren

Der letzte Antrag in diesem Paket fordert die Staatsregierung auf, sich auf Bundesebene für eine grundlegende Reform der ‚Pflege-Transparenzvereinbarung‘ einzusetzen. Bis zur Entwicklung eines neuen Prüfsystems sollte die Veröffentlichung der Pflegenoten im Rahmen des sog. Pflege-TÜV’s ausgesetzt werden. Überraschenderweise fand dieser Antrag sogar die Zustimmung der CSU-Fraktion. Allerdings mussten wir dabei einen Antrag ändern und auf die Forderung nach einer sofortigen Abschaffung des Pflege-TÜV’s verzichten.

Für Ulli Leiner steht fest: „Der Pflege-TÜV ist nicht dazu geeignet, die tatsächliche Qualität der Pflege in den geprüften Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten abzubilden. Deshalb ist er auch für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen keine aussagekräftige Entscheidungshilfe.“ Der Verzicht auf den Pflege-TÜV kann durch eine Verringerung des Dokumentationsaufwands zur dringend notwendigen Entbürokratisierung in der Pflege beitragen. Ein neues Verfahren zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität muss sich am aktuellen Stand der Wissenschaft ausrichten, sich konsequent an der tatsächlich erzielten Ergebnisqualität der Pflege orientieren und die Prüfkriterien der unterschiedlichen Aufsichtsbehörden harmonisieren.

Die Pflegenoten im sog. Pflege-TÜV bilden nicht die tatsächliche Qualität der geprüften Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegedienste ab. Sie bieten deshalb für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen auch keine brauchbare Entscheidungshilfe. „Diese Fehlentwicklung spiegelt sich auch in der Entwicklung der Noten wider“, erläutert Ulli Leiner. „Bei der Einführung des Pflege-TÜVs war die schlechteste Durchschnittsnote eines Bundeslandes 2,3. Derzeit ist kein Bundesland schlechter als 1,5.“ Bis zu einer grundlegenden Reform des gesamten Prüfsystems ist die Veröffentlichung der Ergebnisse der Qualitätsprüfungen daher auszusetzen.

Pflegebedürftige und deren Angehörige müssen anhand der Prüfergebnisse die Pflegequalität einer Einrichtung realistisch beurteilen können. „Ein neues Prüfverfahren muss echte Transparenz gewährleisten und zu einer aussagekräftigen Entscheidungshilfe für die Betroffenen werden“, formuliert Ulli Leiner seine Erwartungen an den Bund. „Der bisherige Pflege-TÜV hat sich für die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher nicht bewährt.“ Nach einer repräsentativen Umfrage nutzen nur 2,2 Prozent der Befragten den Pflege-TÜV als Informationsquelle. Die Pflegebedürftigen haben den Anspruch auf eine nutzerorientierte und transparente Qualitätsberichterstattung, die ihnen die Auswahl einer stationären Altenpflegeeinrichtung oder eines ambulanten Pflegedienstes erleichtert.