Sozialpolitik

Endlich Anerkennung und Hilfe in Sicht

<p><strong>Fachgespräch zur Situation der ehemaligen Heimkinder aus Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie: </strong>Der Sozialausschuss hat sich in dieser Woche intensiv mit dem Leid und Unrecht beschäftigt, welches Kindern und Jugendlichen bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie angetan worden ist. Die Betroffenen wurden bisher nicht von dem Hilfefonds für ehemalige Heimkinder aus der Kinder- und Jugendhilfe berücksichtigt.

27. November 2015

Ein eigenes Hilfesystem für diese Menschen scheiterte bisher an der Blockadehaltung zahlreicher Bundesländer. In der vergangenen Woche hat nun die Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) der Länder endlich einen richtungsweisenden Beschluss gefasst und den Weg für die Gründung einer Stiftung ‚Anerkennung und Hilfe‘ frei gemacht.

Kinder und Jugendliche, die vor 1990 in Behindertenheimen und Psychiatrien zur Arbeit gezwungen oder misshandelt wurden, sollen nun endlich auch eine Anerkennung und Entschädigung für ihr Leid erhalten. „Durch den Beschluss der ASMK, dass sich die Länder finanziell an der  vorgeschlagenen Stiftung beteiligen, wurde nun endlich eine gemeinsame Lösung von Bund, Kirchen und Ländern möglich gemacht,“ erläutert die Grüne Sozialpolitikerin Christine Kamm. „Wir fordern bereits seit Jahren eine Gleichbehandlung der Betroffenen mit den ehemaligen Heimkindern aus der Kinder- und Jugendhilfe, die von dem bundesweiten Heimkinderfonds profitieren.“

Christine Kamm: "Jetzt auf Betroffene zugehen!"

Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und den beiden Kirchen, hat im August einen Vorschlag für ein Hilfesystem für Menschen die in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw. in stationären psychiatrischen Einrichtungen Unrecht und Leid erfahren haben, vorgelegt. Sie  schlägt die Gründung einer Stiftung ‚Anerkennung und Hilfe‘ vor. Die Stiftung setzt sich für eine öffentliche Anerkennung und wissenschaftliche Aufarbeitung des Unrechts und Leids im Bereich der Behindertenhilfe und Psychiatrie in der Bundesrepublik und der ehemaligen DDR ein. Betroffenen soll eine individuelle Beratung und Hilfe, z.B. bei der Korrektur von Fehldiagnosen, angeboten werden. Außerdem haben sie den Anspruch auf eine pauschale Geldleistung in Höhe von 9.000,- Euro. Sollten sie in ihren Einrichtungen zur Arbeit gezwungen worden sein, kommt ein Anspruch auf Rentenersatzleistungen von bis zu 5.000,- Euro hinzu. Insgesamt ist also eine maximale Leistung von 14.000,- Euro möglich.

Die Leistungen sollen unbürokratisch und mit möglichst geringen Nachweispflichten für die Betroffenen gewährt werden. Die Stiftung wird mit einer Gesamtsumme von 240 Millionen Euro ausgestattet. Die Gelder werden zu jeweils einem Drittel von Bund, Ländern und Kirchen aufgebracht. Die Stiftung soll möglichst schon im Jahr 2016 ihre Arbeit aufnehmen können. Die bayerische Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder könnte auch als Anlaufstelle für die neue Stiftung fungieren. Aus öffentlichkeitswirksamer Auftakt für die Umsetzung des Hilfesystems in Bayern, wurde während des Fachgesprächs eine gemeinsame Veranstaltung des Landtags und der Staatsregierung angeregt. Auch die öffentlichen und freien Träger der Einrichtungen wollen sich ihrer Verantwortung stellen und sich aktiv an der Aufarbeitung der Geschehnisse beteiligen.

„Nun ist es wichtig, dass alle Beteiligten direkt auf die potenziell Betroffenen zugehen und sie über die Angebote des neuen Hilfesystems informieren“, fordert Christine Kamm. „Behinderte und psychisch kranke Menschen brauchen eine besonders sensible Beratung und intensive Unterstützung bei der Aufarbeitung ihres Schicksals und bei der Beantragung von Leistungen der neuen Stiftung. Auch Menschen, die nicht für sich selber sprechen können, müssen bei den Leistungen der Stiftung berücksichtigt werden.“ Die Staatsregierung wird dem Landtag im kommenden Jahr über den weiteren Fortgang der Verhandlungen auf Bundesebene Bericht erstatten.