Geheimschutzordnung: Kein Ende der Geheimniskrämerei in Sicht

<p><strong>CSU-Mehrheit im Verfassungsausschuss verhindert ein geeignetes Verfahren zur Übermittlung geheimhaltungsbedürftiger Informationen und boxt eigenen verfassungswidrigen Antrag durch.

04. Dezember 2015

Wegen der Ablehnung eines auf unsere Initiative zustande gekommenen Antrages der Oppositionsfraktionen zur Änderung der Geheimschutzordnung hat der Verfassungsausschuss in seiner Sitzung am 03.12.2015 die Chance verpasst, ein geeignetes Verfahren zur Übermittlung geheimhaltungsbedürftiger Informationen der Staatsregierung auf den Weg zu bringen. Schlimmer noch: Die CSU-Fraktion hat den Weg eines interfraktionellen Vorgehens nach eineinhalbjährlicher Hinhaltetaktik verlassen und nun einen eigenen Antrag zur Änderung der Geheimschutzordnung eingebracht, der „wegen Missachtung der Rechte der gewählten Abgeordneten und der parlamentarischen Opposition schlichtweg verfassungswidrig ist“, so Ulrike Gote, Rechtspolitische Sprecherin der Fraktion.

Mit unserem Vorstoß zur Änderung der Geheimschutzordnung, der nun bereits mehr als Eineinhalbjahre zurückliegt, haben wir die Anregung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs aufgegriffen, der in einer Reihe von Entscheidungen die Rechte der einzelnen Abgeordneten und insbesondere auch die Rechte der Opposition hinsichtlich des Parlamentarischen Fragerechts der Abgeordneten gestärkt hat. Der Verfassungsgerichthof hat auf Antrag unserer Fraktion im März letzten Jahres klargestellt, dass eine Antwortpflicht der Staatsregierung sogar in dem hoch sensiblen Bereich geheimhaltungsbedürftiger Informationen im Umfeld des Landesamtes für Verfassungsschutz besteht (Fragen u.a. zu V-Leuten). Als Konsequenz aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs folgt aber auch, dass der Bayerische Landtag im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts in seiner Geheimschutzordnung (Anhang zur Geschäftsordnung) ein geeignetes Verfahren zur Übermittlung von geheimhaltungsbedürftigen Belangen schaffen muss.

Verfassungswidrige Reaktion der CSU-Fraktion

Auch der Deutsche Bundestag hat auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reagiert und ein entsprechendes Verfahren im Konsens aller im Bundestag vertretenen Fraktionen 2013 auf den Weg gebracht. Mit dem nun vorliegenden Antrag der Oppositionsfraktionen ist der Zugang der Abgeordneten zu Verschlusssachen nicht mehr, wie nach der derzeitigen Geheimschutzordnung, auf solche Unterlagen beschränkt, die den Abgeordneten als Mitglied eines bestimmten Ausschusses betreffen. Der Antrag schafft insgesamt den verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich zwischen dem berechtigten Anspruch des Abgeordneten auf vollständige Beantwortung seiner Frage als auch dem Geheimhaltungsinteresse der Staatsregierung bzw. möglicher beteiligter Dritter.

Die verfassungswidrige Reaktion der CSU-Fraktion auf den Vorstoß nach eineinhalbjährlicher Hinhaltetaktik zeugt von einem mangelnden Demokratieverständnis. Der Vorschlag greift den Auftrag der Verfassungsrechtsprechung nicht auf, sondern missachtet diesen. Der Vorschlag möchte in der Geheimschutzordnung des Bayerischen Landtags eine Sonderregel für Verschlusssachen im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen schaffen, in der Art, dass diese Verschlusssachen ausschließlich dem fragestellenden Abgeordneten zugänglich gemacht werden dürfen. Nach der Vorstellung der CSU-Fraktion könnte sich der fragestellende Abgeordnete nicht mal mit seinen FraktionskollegInnen über die Information austauschen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs steht das Recht auf Information aber nicht nur dem einzelnen Abgeordneten, sondern auch den Fraktionen zu; auch ihnen gegenüber ist zu gewährleisten, dass sie die für die parlamentarische Arbeit erforderliche Information erhalten (vgl. VerfGH, Urteil vom 26. Juli 2006 – Vf-11-IVa-05).

Und das Bundesverfassungsgericht hat im sog. Flick-Urteil bereits in den 80-iger Jahren speziell zum Thema Geheimschutzordnung festgestellt, dass die Geheimschutzordnung Ausdruck der Tatsache ist, dass das Parlament ohne Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfG, 17.07.1984 - 2 BvE 11/83; 2 BvE 15/83).