Demokratie und Transparenz

„Wir brauchen eine klimapolitische Zeitenwende!“

Friedensgutachten 2023 im Bayerischen Landtag vorgestellt

03. Juli 2023

Diplomatische Verhandlungen, Selbstkritik und deutlich mehr Einsatz für eine weltweit wirksamere Klimapolitik: Bei der Vorstellung des kürzlich erschienenen Friedensgutachtens 2023 mit dem Titel „Noch lange kein Frieden“ wurden vielfältige, ineinandergreifende Optionen für eine friedlichere Welt genannt.

Auf Anne Frankes Einladung hin kam die Redaktionsleiterin und Mitautorin des Friedensgutachtens Dr. Claudia Baumgart-Ochse vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) ins Maximilianeum, um die zentralen Punkte, Analysen und Empfehlungen des Gutachtens zu präsentieren und zu öffentlich zur Diskussion zu stellen. Über 40 Friedensforscher*innen aus vier führenden deutschen Forschungsinstituten**** haben daran mitgewirkt, so die Referentin zu Beginn ihres spannenden Vortrags.

Das steht drin

Einen Fokus richtet das diesjährige Gutachten unter anderem auf das komplexe Phänomen nichtstaatlicher Konflikte. Privatarmeen wie die aktuell einer breiten Öffentlichkeit bekannt gewordene Wagner-Gruppe spielen hierbei eine wichtige, höchst problematische Rolle. Deren Bedeutung im Geflecht staatlicher Gewalt ist oft undurchsichtig, und vor allem: Krieg ist ihr Geschäftsmodell – folglich haben sie gar kein Interesse an Frieden. Außerdem setzen sich die Expert*innen mit Verwundbarkeit und Resilienz angesichts multipler Krisen, der Neuausrichtung von Rüstungskontrollen und mit dem Zusammenspiel von Handel und Frieden, insbesondere mit Blick auf die westlichen Beziehungen zu China, auseinander. Das letzte Kapitel widmet sich den Auswirkungen von politischer Polarisierung in Krisenzeiten – eine besorgniserregende Entwicklung, die sich weltweit und auch bei uns in Bayern zuzuspitzen droht. Hier lautet die Empfehlung der Forschung: Nicht mit Gegenpolarisierung antworten.

Zeitenwende nicht auf militärischen Bereich reduzieren

Aus dem Publikum kam Kritik daran, dass die viel zitierte Zeitenwende meist rein auf die militärische Komponente bezogen werde. Frau Dr. Baumgart-Ochse teilte diese Einschätzung und stellte klar, dass dieser Begriff auch in vielen anderen Bereichen mit Leben gefüllt werden müsse – etwa beim Umgang des Westens mit den Ländern des globalen Südens: „Hier braucht es endlich ehrliche politische und ökonomische Beziehungen auf Augenhöhe.“ Die Referentin, das Publikum und Anne Franke waren sich dabei einig: Eine selbstkritische Auseinandersetzung mit einigen sehr konfliktbehafteten westlichen Entscheidungen in der Vergangenheit würde einer Verbesserung dieser Beziehungen sehr guttun.

Von zentraler Bedeutung für eine friedlichere globale Neuausrichtung ist die weltweite Transformation beim Ressourcenverbrauch und einem besseren Umwelt- und Klimaschutz. Deswegen mahnte Anne Franke an: „Wir brauchen eine klimapolitische Zeitenwende!“

Hoffnung auf Frieden in der Ukraine?

Als Anlass zur Hoffnung bezeichnete die Friedensforscherin die informellen Friedensgespräche in Kopenhagen zwischen Vertreter*innen der G7-Staaten und Ländern des Globale Südens, die kürzlich unter großer Geheimhaltung stattgefunden haben – und von denen auch sie selbst positiv überrascht worden sei: „Es sind wirklich sehr gute Nachrichten, dass hinter den Kulissen offensichtlich schon seit Längerem daran gearbeitet wurde, Verhandlungslösungen zu erzielen“, so Claudia Baumgart-Ochse, die gleichzeitig auch die Wichtigkeit der Waffenlieferungen an die Ukraine unterstrich. Sie sei angesichts der Gespräche in Kopenhagen vorsichtig zuversichtlich, dass auf diesem Weg tatsächliche Fortschritte für eine Beendigung des Krieges gemacht werden könnten.

Bei dieser nun letzten Vorstellung des Friedensgutachtens während der Amtszeit von Anne Franke als Landtagsabgeordnete und friedenspolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion hat sie einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft der Friedens- und Konfliktforschung gewagt: Sie hofft und setzt darauf, dass das Gutachten schon bald von fünf führenden Instituten herausgegeben wird – dazukommen sollte ein Bayerisches Friedensforschungsinstitut, für dessen Entstehung sie sich während der gesamten Legislaturperiode mit viel Energie eingesetzt hat!

Das Friedensgutachten kann hier bestellt oder kostenlos als PDF heruntergeladen werden.

**** Neben dem HSFK sind dies das Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC), das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) und das Institut für Entwicklung und Frieden an der Universität Duisburg-Essen (INEF).