Bildung und Wissenschaft

Gute Ganztagsbildung für Grundschulkinder – Packen wir es gemeinsam an!

Chancengerechtigkeit durch Ganztagsbildung

Foto: Mirjam Hagen

20. November 2023

Samstag, der 6. Mai 2023 war ein sonniger Frühlingstag, den man gut und gern draußen mit Freunden und Familie hätte verbringen können. Und doch strömten über 100 Menschen am Vormittag in den Bayerischen Landtag, um sich aktiv mit dem Thema Ganztagsbildung auseinanderzusetzen. Es war ein intensiver Austausch, ein voller Tag, die geplante Zeit reichte nicht aus und so diskutierte man auch nach Veranstaltungsschluss weiter.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte in den Landtag geladen, denn das Thema ist wichtig und die Zeit drängt. Mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung ab 2026 sind enorme Chancen für Kinder und damit für die Gesellschaft verbunden. Das geht mit einer gigantischen Verantwortung einher, gerade für die Landespolitik: Wir müssen jetzt die Ganztagsbildung und Betreuung in Bayern mit hohem Tempo ausbauen und gleichzeitig flächendeckend für eine hohe pädagogische Qualität sorgen, denn nur gute Ganztagsbildungsangebote sind auch kindgerecht und haben das Potenzial, Chancengerechtigkeit zu fördern. Wenn Bayern es schafft, jedem Kind in der Ganztagsbildung gerecht zu werden, dann trägt das wesentlich dazu bei, dass unsere Kinder gesund und zufrieden aufwachsen und, dass Bildungserfolg in unserem Land zukünftig weniger stark von der familiären Herkunft der Kinder abhängt.

So kamen am 6. Mai 2023 Wissenschaft, Fachpraxis und Politik in den Bayerischen Landtag zusammen, um die Problemlage zu beleuchten, aber vor allem, um an guten Lösungen für Bayern zu arbeiten. Die Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze begrüßte, freute sich über das rege Interesse an der Veranstaltung und hob die Bedeutung guter Ganztagsbildung für Kinder und für Eltern hervor. Gabriele Triebel, Expertin in für Bildungspolitik, betonte die Dringlichkeit klugen, politischen Handelns für Qualität in der Ganztagsbildung. Sie stellte Ekin Deligöz vor und übergab ihr das Wort. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium füllte dann den Begriff „Chancengerechtigkeit“ mit Leben und erzählte aus ihrer Grundschulzeit als Gastarbeiterkind ohne Deutschkenntnisse Ende der 70er Jahre in Süddeutschland.

Eine eindrückliche Keynote mit Podiumsdiskussion: Gute Ganztagsbildung braucht Vernetzung, Kooperation und ein eigenes Leitbild

Für die Dokumentation durch Graphic Recording bedanken wir uns bei Heike Haas

Die Keynote übernahm Prof. Dr Thomas Rauschenbach, wissenschaftlicher Leiter des Forschungsverbundes DJI/TU Dortmund, sein Vortragstitel: „Was ist guter Ganztag? Plädoyer für ein eigenes Leitbild“. Eine gute halbe Stunde sprach der Kenner deutscher Bildungslandschaften und mahnte immer wieder die Notwendigkeit gemeinsamer Ziele und Konzepte an: Der gute Ganztag lässt sich nicht in Vormittag und Nachmittag, in Lehrkräfte und andere pädagogische Fachkräfte, in Schulzeit und Ferienzeit, in curriculare Bildung und informelle Freizeitangebote, in Schule und Jugendhilfe aufteilen. Der gute Ganztag verbindet, vernetzt, verknüpft und schafft dadurch neue Lebensräume, Erfahrungsräume und Lernräume, kindgerecht, inklusiv und partizipativ. Die gute Ganztagsbildung gibt es nicht umsonst. Aber Bildungsinvestitionen lohnen sich immer: für die Kinder, Familien und auch für die Gesellschaft.

Der Vormittag schloss mit einer Podiumsdiskussion mit direktem Bezug zum Vortrag von Prof. Dr. Rauschenbach – die leitende Frage an die Politikerinnen und Politiker auf dem Podium: „Was braucht der gute Ganztag?“ Die Kurzantwort: Er braucht politischen Willen und Bekenntnis zur Qualität, eigene Leitbilder und Konzepte zur gemeinsamen Gestaltung eines kindgerechten ganzen Tags und die Kraft für Innovation. Wenn der gute Ganztag gelingt, dann findet dort auch eigenständiges Lernen statt, werden Partizipation und Selbstwirksamkeit gestärkt und er hat das Potenzial, Kindern neue Lebensräume zu eröffnen, tragende Beziehungsgeflechte zu ermöglichen und damit echte Chancengerechtigkeit voranzubringen.

Intensive Diskussionen und aktive Vernetzung an Mittagstischen und Thementischen

Auch in der Mittagspause wurde angeregt diskutiert. Austausch und Vernetzung waren sichtbar im steinernen Saal, auf den Terrassen und Gängen des Maximilianeums und bei den von Abgeordneten geführten Rundgängen durch den Landtag. Der angeregte Austausch ging direkt in interaktive Thementische über, die Gäste suchten sich ihre Schwerpunkte dabei selbst aus und geladene Expertinnen, Experten und Abgeordnete führten durch die Diskussionen.

Prof. Dr. Filip Mess und Gabriele Triebel, MdL diskutierten im Lesesaal mit Gästen aus Wissenschaft und Fachpraxis über Gesundheitsförderung durch Bewegung und Ernährung in der Ganztagsbildung. Forschungsergebnisse, Best-Practice Beispiele, eigene Erfahrungen und Fragen wurden ausgetauscht.

Christian Schroth, Grundsatzreferent des Bayerischen Jugendrings (BJR), bot einen Austausch zum Thema Kooperation mit der Jugendarbeit an. Seit vielen Jahren bestehen vielfältige Kooperationen zwischen Schule und Jugendarbeit. Sowohl im Rahmen des Fachprogramms „Schulbezogene Jugendarbeit“ als auch im Rahmen von Trägerschaften von Ganztagsgruppen übernehmen Jugendverbände, Jugendringe und die kommunale Jugendarbeit Verantwortung in diesem Feld. Mit dem kommenden Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung von Kindern im Grundschulalter rückt dieses Thema derzeit noch mehr in den Fokus.

Hep Monatzeder, MdL, und Dr. Margarita Stolarova tauschten sich mit Interessierten über Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) aus. Hierbei war es spannend zu erfahren, wie weit fortgeschritten die pädagogische Praxis vor Ort bereits ist. Neben der Waldpädagogik, der Resilienzförderung und der vorurteilsbewussten Pädagogik werden viele weitere Aspekte bereits erfolgreich im Rahmen vielfältiger BNE-Projekte umgesetzt.

Anna Reitberger, Projektleiterin des Projektes „Kooperationslandschaft“ der Landesvereinigung Kulturelle Bildung Bayern (LKB:BY), beeindruckte mit Einblicken in erfolgreiche Kooperationen, die Kulturangebote in der Ganztagsbildung etablieren. Sie stellte die Landesvereinigung Kulturelle Bildung Bayern vor und vertieft auch das Projekt „Kooperationslandschaft Bayern“.

Am Thementisch der beiden Landtagsabgeordneten Thomas Gehring, MdL LP 18 und Johannes Becher, MdL wurde über die Chancen und Herausforderungen für die Kommunen diskutiert, ein Schwerpunkt war auch hier die Fachkräftegewinnung.

Benjamin Adjei, MdL und Carolin Dörflinger führten einen Austausch zu der Frage, ob und wie man durch mehr Digitalisierung auch zu mehr pädagogische Qualität gelangen kann.

Alle Themeninseln waren gut besucht, die Diskussionen angeregt, die Ergebnisse werden auch weiterhin in die parlamentarische Arbeit der Grünen Fraktion einfließen.

Inputs aus Wissenschaft und Fachpraxis

Nach einer kurzen Pause ging es gleich weiter, jeweils drei Inputs aus Wissenschaft und Praxis liefen parallel in zwei aufeinanderfolgenden Zeitslots. 

Im Senatssaal sprach Ekin Deligöz, MdB und Parlamentarische Staatssekretärin im BMFSFJ, über die ganz konkrete Unterstützung für gute Ganztagsbildung, die aus Berlin auch nach Bayern kommt. Die Präsentation mit dem Titel „Mehr Chancen für Grundschulkinder durch gute Ganztagsbildung: Welche Unterstützung kommt vom Bund?“ finden Sie hier.

Im Anschluss stellte Dr. Margarita Stolarova die bereits jetzt in Bayern verfügbaren Instrumente zur Bedarfsplanung und Finanzierung von Ganztagsangeboten in Bayern vor. Die Präsentation mit dem Titel „Bedarfsermittlung, Planungs- und Finanzierungsmodelle: Welche Werkzeuge und Bausteine stehen in Bayern zur Verfügung?“ finden Sie hier.

Im Saal 1 ging es derweil um kindgerechte und partizipative Ganztagsbildung und es wurde bei beiden Inputs schnell deutlich: Nur ernstgemeinte, echte Partizipation ist wirklich kindgerecht und auch wirksam. Zunächst sprach Ursula Winklhofer, ihre Präsentation mit dem Titel „Ganztagsbildung im Interesse der Kinder“ finden Sie hier.

Im Anschluss stellten Judith Durand und Dr. Leonhard Birnbacher Forschungsergebnisse zur Demokratiebildung in Kitas vor und leiteten daraus konkrete Hinweise für echte Partizipation in der Ganztagsbildung für Grundschulkinder ab. Ihre Präsentation befindet sich hier.

Derweil referierte im Saal 2 Prof. Dr. Filip Mess aus seiner Forschung zum Aktivitätsverhalten von Kindern im Ganztag. Ganz ohne Vorabsprachen und vielleicht bei dem Thema Bewegung auf den ersten Blick etwas überraschend, auch Prof. Mess betonte die Bedeutung von echter Partizipation für das Gelingen des schulischen Ganztags. Seine Präsentation finden Sie hier

Den Abschluss in Saal 2 bildete der Vortrag von Michala Fellner, Rektorin der Grundschule Bauhausplatz. Frau Fellner berichtete unter dem Titel „Eine Schulfamilie lebt den Ganztag – Präsentation des Ganztagskonzeptes der Grundschule Bauhausplatz, München“ von der lebendigen Praxis an einer Grundschule, die den Ganztag lebt und liebt. Hier finden Sie mehr Informationen dazu.

Im Sommer 2022 hatten sich einige Abgeordnete und auch die Parlamentarische Staatssekretärin Ekin Deligöz selbst ein Bild gemacht, einen Bericht zu diesem eindrucksvollen Besuch finden Sie hier.

Die Gäste und die Inputgeber*innen unserer Tagung kamen noch mal zu einer Podiumsdiskussion in den Senatssaal. Wir widmeten uns der Frage, was es braucht, damit kindgerechte, partizipative und inklusive Ganztagsbildung in Bayern Wirklichkeit werden. Die Grüne Fraktion hat sind genau zu dieser Frage auch Gedanken gemacht, hier finden Sie unser Papier dazu.

Den krönenden Abschluss und zugleich Dank und Verabschiedung übernahmen Thomas Gehring und Gabriele Triebel, MdL: schnell, unterhaltsam und präzise brachten sie die Kernforderungen des Ganztagstags auf den Punkt und wünschten allen Gestalter*innen des schulischen Ganztags in Bayern gutes Gelingen.