Integration und Migration

Gleichberechtigte Teilhabe von Sinti und Roma: für eine Veränderung aus der Mitte der Gesellschaft!

<p><strong>Wir sind der Meinung, dass es Zeit für einen grundlegenden und richtungsweisenden Neuanfang ist für unseren Umgang mit Sinti und Roma und wollen das Thema Diskriminierung im Bayerischen Landtag auf die Tagesordnung bringen.</strong> "Ziel ist ein Staatsvertrag des Landes Bayern nach dem Vorbild anderer Bundesländer", sagte Margarete Bause bei einem Fachgespräch im Bayerischen Landtag, zu dem unsere asylpolitische Sprecherin Christine Kamm eingeladen hatte.</p>

07. November 2014

Zu Gast waren Markus End, der über die Reproduktion des gesellschaftlichen Antiziganismus in den Medien berichtete, Esther Quicker mit einer Analyse der Lebensbedingungen der Sinti und Roma in Rumänien, sowie Alexander Diephold, vom Madhouse München, einer überregionalen Beratungsstelle für Sinti und Roma.

Unreflektiertes Reproduzieren von Antiziganismus beenden!

Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Sinti- und Roma-Gemeinschaften in Europa, zu denen 10 bis 12 Millionen Menschen gehören. In Deutschland leben heute rund 70.000 deutsche Sinti und Roma. Ihre Vorfahren sind schon seit über 600 Jahren hier. Auch in anderen europäischen Ländern sind Roma seit Jahrhunderten Mitglieder in allen Gesellschaftsschichten und ihre Vielfalt spiegelt sich in über 150 Dachorganisationen wider. Laut Markus End steht dieser Vielfalt ein Antiziganismus gegenüber, der fest in der Mitte unserer Gesellschaft verwurzelt ist und sich in immer wiederkehrenden, unreflektierten Stereotypen zeigt. Vom Kinderbuch bis zur Berichterstattung in seriösen öffentlich-rechtlichen Sendern, von Polizei- und Gerichtprotokollen bis zu Redewendungen: Der Antiziganismus vervielfältigt, visualisiert und verstärkt einige wenige Stereotype. „Es besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens in allen Schichten, Altersgruppen und Professionen, diese diskriminierenden Denkmuster zu akzeptieren. Deshalb muss eine Veränderung aus der Mitte unserer Gesellschaft kommen“, forderte End.

EU-Projekte in Rumänien langfristig anlegen

Von „elitärem Rassismus“ in Rumänien sprach Esther Quicker von der Universität Jena. Sie beobachtete vor Ort eine offene Diskriminierung der rund 2-3 Millionen Roma. Die Schulsegregation, also der getrennte Besuch von Roma-Kindern und Kindern anderer Rumänen, fördere zudem Vorurteile. „In Schulen, an denen Antidiskriminierungsprogramme durchgeführt wurden oder wo die Kinder einander kennen, herrscht eine deutlich höhere Toleranz füreinander“, so Quicker. Über die Erfolge von EU-Projekten in Rumänien zur langfristigen Verbesserung der allgemeinen Situation der Roma gibt es wenige Erkenntnisse. “Die Hürden zum Erfolg sind hoch: Der Förderdschungel ist schwer durchschaubar und die Mittel werden häufig nur für eine zu kurze Zeit und einen fest gelegten Bereich bewilligt. Ich wünsche mir einfachere Anträge und langfristigere Projekte“, sagte Quicker.

Begegnungen und Öffentlichkeitsarbeit bauen Vorurteile ab

Alexander Diepold von der Beratungsstelle Madhouse in München erlebt den von End beschriebenen  Antiziganismus tagtäglich, sei es bei der Wohnungssuche, vor Gericht oder bei der Polizei. „Die deutschen Sinti und Roma sind nicht integriert. Die Unterstellung von Nichtsesshaftigkeit ist ein vorherrschendes und unwidersprochenes Vorurteil“, kritisierte er. Aus Angst vor Diskriminierung und Repressionen leugnen viele Sinti und Roma ihre Abstammung. Öffentlichkeitsarbeit, ein Mediatorenprojekt an Münchner Schulen, Ausstellungen und Aufklärung haben in der Vergangenheit aber immerhin „positive Lichter nach draußen“ gesendet, so Diepold. Für die Zukunft wünscht er sich ein Bildungs- und Kulturzentrum in München, wo Sinti und Roma die Vielfalt ihrer Kultur darstellen können.
Abschließend sagte Christine Kamm: „Wir setzen uns für eine gleichberechtigte politische und gesellschaftliche Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland ein und werden unsere Politik zu diesem Thema auch weiterhin in Zusammenarbeit mit ihren Organisationen weiterentwickeln.“