Sozialpolitik

Interpellation "Psychische Gesundheit"

04. November 2022

Die Landtags-Grünen haben im vergangenen Jahr eine Interpellation eingereicht (Pressemitteilung hier!) – und jetzt die Antwort der Staatsregierung darauf erhalten. Dabei wird ein Missstand besonders deutlich: Schwer haben es vor allem Kinder und Jugendliche.

Unsere Interpellation zeigt klar auf: Die Auslastung der stationären und teilstationären Therapieeinrichtungen für Kinder und Jugendliche ist in allen Regionen konstant hoch, oft über 90 Prozent. In manchen Bezirken liegt sie sogar bei 100 Prozent und mehr. Das ist alarmierend!“, sagt Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen. Besonders betroffen seien etwa die Bezirke Oberpfalz und Schwaben, wo die Auslastung zwischen 2014 und 2019 immer bei knapp oder sogar über 100 Prozent lag (siehe Interpellation S. 92 ff. Frage 2.14).

Die Antwort der Staatsregierung zeige gravierende Lücken bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Bayern auf, warnt Katharina Schulze. „Wenn stationäre Kliniken der Kinder- und Jugendpsychiatrie so stark ausgelastet sind, dann fehlt es sowohl an Behandlungsplätzen als auch an Fachkräften, um den Bedarf zu decken. Die Staatsregierung hat dafür nach wie vor keine substanziellen Lösungsvorschläge. Für uns Grüne ist klar: Bayern muss die Versorgungsangebote stärker ausbauen!“ Dies gelte insbesondere für Tageskliniken in allen Bezirken und für die Stärkung der niedrigschwelligen psychiatrischen Versorgung. „Die Söder-Regierung muss auch viel mehr in gute Arbeitsbedingungen für medizinische und pflegerische Fachkräfte investieren, gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Die Versorgung ist massiv gefährdet.“

Kerstin Celina, sozialpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, erklärt: „Wir brauchen außerdem eine bessere Verzahnung bestehender Angebote. Das läuft im Moment noch suboptimal.“ Wie dies gelingen kann, zeige beispielsweise das Modellprojekt „Recover“ aus Hamburg, das eine optimal koordinierte Versorgung vom Erstkontakt über die Behandlung bis zur Wiedereingliederung in den Alltag für die Patienten sicherstellt. Kerstin Celina: „Ganz wichtig ist zum Beispiel, dass zwischen Erstkontakt und konkreter Hilfe so wenig Zeit wie möglich vergeht. Denn die meist lange Wartezeit verschlimmert die Lebenssituation der Betroffen oft erheblich.“



So ist derzeit die Lage im Kinder- und Jugendbereich:

Viele Kinder und Jugendliche leiden an irgendeinem Punkt in ihrem Leben an einer psychischen Erkrankung oder Auffälligkeit. Das ist nicht erst seit Corona so, sondern war schon vorher der Fall. Seit der Coronaphase ist die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen aber stärker im Fokus. Depressive Episoden oder Ängstlichkeit haben im Vergleich zu Vor-Pandemiezeiten zugenommen, sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche sind besonders betroffen. Während der Pandemie litt etwa jedes dritte Kind laut einer Studie unter psychischen Auffälligkeiten (Quelle: Stiftung Kindergesundheit, S. 3).Und 56 Prozent der unter 30-Jährigen fühlen sich seit Beginn der Pandemie häufig einsam (Quelle: Studie „Generation Corona vereinsamt“).


Das fordern die Landtags-Grünen für den Bereich Kinder- und Jugendliche:

  • Mehr Investitionen in gute Arbeitsbedingungen für medizinische und pflegerische Fachkräfte (konkrete Vorschläge der Landtags-Grünen finden Sie hier).
  • Strategie zur Enttabuisierung psychischer Erkrankungen und flächendeckende Weiterbildungsmaßnahmen im Bildungsbereich: Ziel ist es, mehr Fortbildungen und Supervision zur Erkennung und Prävention von psychischen Erkrankungen für frühpädagogische Fachkräfte anzubieten.
  • Ausbau des Versorgungsangebots: insbesondere von Tageskliniken in allen Bezirken, von Eltern-Kind-Stationen bzw. Mutter-Vater-Kind-Tageskliniken und der ambulant-aufsuchenden psychiatrischen Versorgung
  • Versorgungslücken schließen: Vom Erstkontakt über den Zeitraum der Behandlung bis zur Wiedereingliederung in den Alltag soll es für jeden Patienten eine sinnvoll koordinierte Versorgung geben. Wie dies gelingen kann, zeigt etwa das Modellprojekt „Recover“, das zwischen 2017 und 2021 am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf durchgeführt wurde. Bayern sollte mit der KVB und den Bezirken in Gespräche eintreten, um ähnliche Lösungsmodelle zu erproben.
  • Etablierung sogenannter Lotsen: Sie können Zugänge zu Hilfen erleichtern, insbesondere für Kinder. (Mit dem Antrag „Offensive für den Kinderschutz: Starke psychiatrische Versorgung!“ haben die Landtags-Grünen schon 2020 ein Konzept für derartige Vernetzungsprojekte gefordert.)
  • Schnelle fachkompetente Hilfe im Krisenfall auch für Minderjährige: Der Krisendienst, der im Rahmen des bayerischen Psychisch-Krankenhilfe-Gesetzes eingerichtet wurde, übernimmt diese Aufgabe bislang nur für Erwachsene. Sachverständige haben jedoch in einer Expertenanhörung im Bayerischen Landtag im Oktober 2021 klar darauf hingewiesen, dass geprüft werden müsse, inwiefern der Krisendienst in Bayern auch für Kinder und Jugendliche eine direkte Anlaufstelle sein und Beratung leisten kann. (Die Landtags-Grünen haben hierzu einen Prüfantrag gestellt.)

Neben dem Punkt Kinder und Jugendliche hat die Interpellation viele weitere Bereiche zum Thema Psychische Gesundheit abgefragt. Darunter etwa zur Situation queerer Menschen oder von Menschen in prekären Verhältnissen, wie etwa wohnungs- und obdachlose Menschen.

Dazu Kerstin Celina, sozialpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen: „Psychische Gesundheit geht uns alle an! Sie ist Voraussetzung für Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und Soziale Teilhabe. Wir dürfen hier niemanden zurücklassen.“ Die Landtags-Grünen fordern daher ein Hilfesystem, dass psychische Erkrankungen früh erkennt, Betroffene aus der Tabuzone holt und schützt – sowie Angehörige und das soziale Umfeld miteinbezieht. Kerstin Celina: „Dieses Netz braucht einen gezielten Ausbau von Angeboten zur Prävention und Früherkennung psychischer Erkrankungen. Wir müssen hier für die nötige therapeutische, medizinische und pflegerische Versorgung für alle Betroffenen sorgen.“

Die Interpellation finden Sie hier!