Streckenreaktivierungen in Bayern: ein Hürdenlauf!

Niedersachsen untersucht derzeit Strecken, die reaktiviert werden können. Hessen reaktiviert eine 70 km lange Strecke bei Korbach. Während beispielsweise Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg schon mit Beginn der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs Mitte der Neunziger viele Strecken reaktiviert haben, ist das in Bayern die Ausnahme.

28. November 2014

Die Reaktivierung von stillgelegten Eisenbahnstrecken ist zwar immer wieder mal ein Thema in Bayern. Genannt seien hier nur die Romantische Schiene und die Hesselbergbahn in Mittelfranken, Fuchstalbahn, Staudenbahn, Ilztalbahn, Gotteszell – Viechtach. Doch die Reaktivierungspolitik des Freistaates ist im Vergleich zu anderen Bundesländern eher restriktiv. So stellt der Freistaat hohe Hürden auf (z.B. mindestens 1.000 Fahrgäste pro Tag). Die Grüne Landtagsfraktion hat am 25. November 2014 ein Fachgespräch veranstaltet, das aufzeigen sollte, welche Möglichkeiten und Modelle für Reaktivierungen es gibt und wie wir in Bayern endlich auch Strecken reaktiviert bekommen.

Gerd Weibelzahl vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) verglich den Weg zu einer erfolgreichen Streckenreaktivierung mit einem Hürdenlauf. Eine Vielzahl von Akteuren muss an einen Tisch gebracht und überzeugt werden.  Die Vorgaben des Freistaates für Reaktivierungen hielt er für zu streng. Gerhard Schnaitmann von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW)  stellte die Reaktivierungspolitik des Landes Baden-Württemberg vor. In den letzten Jahren wurden 21 Strecken reaktiviert. Davon war nur eine von der DB. Das Land unterstützt Infrastrukturbetreiber und Kommunen bei den Investitionen für die Strecke.

Auf Strecken mit Entwicklungspotenzial werden Wochenend- und Saisonverkehre bestellt und Güterverkehre auf die Strecke geholt. Fritz Sell von der Verkehrsinitiative Hoellennetz stellte das Potenzial der Fränkischen Höllentalbahn zwischen Blankenstein und Marxgrün insbesondere für den Güterverkehr dar. Er bemängelte, dass für den Schienengüterverkehr keine staatliche Stelle wirklich zuständig ist.  OB Dr. Christoph Sommer aus Dinkelsbühl betonte, dass bei Reaktivierungen immer der Einzelfall betrachtet werden muss. Das gilt insbesondere für die Vorgabe des Freistaates, dass eine Prognose, eine Nachfrage von mehr als 1.000 Reisenden pro Werktag nach (1.000 Reisenden-Kilometer pro Kilometer betriebener Strecke) nachweisen muss. Aspekte wie Netzwirkung und Streckenzustand müssten auch berücksichtigt werden. Streckenreaktivierung sind Aufgabe der Landesentwicklung und damit des Freistaates und nicht der Kommunen. Die Kommunen haben dazu zu wenig Fachkompetenz und sind damit auch finanziell überfordert. 

Anschließend diskutierten die Teilnehmer mit den vier Referenten und dem verkehrspolitischen Sprecher der Grünen Landtagsfraktion, Markus Ganserer. Diskutiert wurde darüber, dass der Güterverkehr bei der Potenzialabschätzung einbezogen werden muss, dass Reaktivierungen auch Vorteile für den Busverkehr bringen durch mehr Verkehr zu den neuen Haltepunkten, dass Verkehrsverbünde Reaktivierungen erleichtern und dass Fahrplantrassen für den Güterverkehr freigehalten werden müssen.

Aus grüner Sicht bleibt festzuhalten, dass Streckenreaktivierungen auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse betrachtet werden müssen, dass der Freistaat Investitionen in die Infrastruktur zu reaktivierender Strecken fördern soll und dass der Güterverkehr mitbetrachtet werden muss.