Kommunale Fragen

Kommunal. Digital?

Kongress zur Digitalisierung in den Kommunen am 23.11.2019 in Würzburg

12. Dezember 2019

Die Digitalisierung spielt im Alltag der Kommunen eine immer größere Rolle. Auf den verschiedensten kommunalen Handlungsfeldern, wie zum Beispiel im Bereich Mobilität, Schule etc. verlagern sich mehr und mehr Anwendungen ins Internet. Und auch die kommunale Verwaltung arbeitet zunehmend digital. „Smart City“ und „Smart Rural Area“ sollen zu mehr Lebensqualität für alle führen. Wie lassen sich die Chancen der Digitalisierung nutzen für mehr Bürgerbeteiligung, eine moderne Verwaltung, eine nachhaltigere Mobilität, den Klimaschutz oder in der Bildung? Darüber haben wir im Rahmen unseres diesjährigen Kommunalkongress mit unseren Gästen auf dem Podium und im Publikum diskutiert. Unsere fachpolitische Veranstaltung richtete sich an kommunale Amts- und Mandatsträger*innen sowie an Mitarbeitende der Kommunalverwaltungen. Circa 120 Gäste waren unserer Einladung nach Würzburg gefolgt. 

Ein Video mit Impressionen von unserem Kommunalkongress finden Sie hier.

„Nicht jeder Ort in Bayern muss die Digitalisierung neu erfinden. Wir Grüne wollen die Digitalisierung in den Städten und Gemeinden Bayerns vorantreiben und die Kommunen dabei von Seiten des Freistaats aus tatkräftig unterstützen“, sagte zu Beginn der Veranstaltung Johannes Becher, der kommunalpolitische Sprecher der Fraktion, der den Kongress moderierte. Benjamin Adjei, der digitalpolitische Sprecher der Fraktion, konkretisierte in seiner Einführung, wie wir Landtagsgrünen die Digitalisierung in Bayern gestalten möchte. Im Mittelpunkt steht für uns Grüne dabei der Nutzen für die Menschen. Wir wollen eine gemeinwohlorientierte Digitalpolitik. Die Digitalisierung soll gerade auch auf kommunaler Ebene zu mehr Transparenz führen und die Teilhabe fördern. An einer wesentlichen Voraussetzung dafür fehlt es aber vielerorts in Bayern: am Zugang zu schnellem Internet. Das muss sich ändern. Wir fordern den Glasfaseranschluss für jedes Haus und wollen den Ausbau des schnellen Internets für die Kommunen attraktiver machen. 

Über die Herausforderungen der Digitalisierung für Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung berichtete in seiner Keynote Jens Marco Scherf, grüner Landrat des Landkreises Miltenberg. Er sprach von den Zukunftserwartungen der Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden. Viele Menschen wollen, dass der Schutz ihrer persönlichen Daten gewährleistet wird. Sie wünschen aber auch, dass die Beratungsqualität im analogen Bereich nicht nachlässt. Jens Marco Scherf forderte mit Blick auf das Onlinezugangsgesetz (OZG), welches den Ausbau der kommunalen Online-Verwaltungsleistungen vorschreibt, dass die Förderprogramme für die Kommunen aufgestockt werden.

Gudrun Aschenbrenner, Mitglied des Vorstands der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB), sprach in ihrer Keynote über den Stand der digitalen Transformation in den Kommunalverwaltungen. Trotz aller Fortschritte sei die Nutzung digitaler Verwaltungsleistungen noch ausbaufähig. Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger von den digitalen Möglichkeiten wissen, können sie diese auch wahrnehmen. Daher solle die Politik die Öffentlichkeiten stärker auf die vorhanden digitalen Angebote aufmerksam machen. Beispielsweise sei die gut funktionierende elektronische Authentifizierung mit dem neuen Personalausweis noch zu wenig bekannt. Gudrun Aschenbrenner mahnte außerdem ein klares Bekenntnis des Gesetzgebers zu den öffentlich-rechtlichen Rechenzentren an, vor allem wenn es um hoheitliche Aufgaben geht, wie das Führen eines Melderegisters oder das Identitätsmanagement.

Heidrun Wuttke stellte in der dritten und letzten Keynote mit Smart Country Side (SCS) ein bundesweit einmaliges Projekt aus Nordrhein-Westfalen zur digitalen Vernetzung im ländlichen Raum vor. Drei Jahre entwickelten und erprobten 26 engagierte Modelldörfer in den Kreisen Höxter und Lippe digitale Anwendungen unter anderen in den Bereichen Daseinsvorsorge, Teilhabe, Ehrenamt und Nachbarschaftshilfe. Zudem stärkten 150 Bürger*innen als künftige Dorf-Digital-Experten ihre digitale Kompetenz mit dem Ziel, Ihr Wissen selbstorganisiert an die Dorfgemeinschaften weiterzugeben. Dieses innovative Konzept wurde mit dem DIE-Innovationspreis ausgezeichnet. Gemessen an der Anzahl der beteiligten Modellorte und ehrenamtlich tätigen Bürger*innen sowie an den zahlenreichen Umsetzungsprojekten gilt das Projekt SCS bundesweit als eines der erfolgreichsten Digitalisierungsprojekte für den ländlichen Raum. Erfolgsfaktoren waren nicht nur der gewählte stringente Bottom-up-Prozess, sondern vor allen das große ehrenamtliche Engagement der Dörfer, die selbstbestimmt ihre Zukunft gestalten wollen. Im Folgeprojekt „Dorf.Zukunft.Digital“ erproben derzeit 30 Dörfer aus dem Kreis Höxter digitale Anwendungen. Die Präsentation von Heidrun Wuttke findet sich hier.

Workshop 1 „Digitale Teilhabe und digitale Bürgerbeteiligung in den Kommunen“

Wie lassen sich die Chancen der Digitalisierung für eine bessere Teilhabe der Bürger*innen in den Kommunen nutzen? Was sind Erfolgsfaktoren, was Stolperfallen bei digitalen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung? Wie lassen sich im Zuge der Digitalisierung in den Kommunen Transparenz und Informationsfreiheit fördern? 

Moderation: Kerstin Celina, MdL

Simon Strohmenger von Mehr Demokratie e.V. plädierte in seinem Input für die Chancen der digitalen Bürgerbeteiligung. Dadurch lassen sich mehr Menschen aus verschiedensten Milieus erreichen und das Demokratieverständnis kann durch transparente demokratische Prozesse gestärkt werden. Er stellte das bislang vor allem in Spanien erfolgreich praktizierte Bürgerbeteiligungsportal „Consul“ vor, für das sich auch erste Kommunen in Deutschland entschieden haben. Über Consul können klassische analoge Bürgerbeteiligungsinstrumente allen Bürger*Innen digital zur Verfügung gestellt werden (von Bürgerhaushalten über Vorschläge und Debatten bis hin zu Abstimmungen). Hier geht es zu seiner Präsentation.

Um möglichst viele Bürger*innen zu erreichen und eine breite Akzeptanz zu gewährleisten, sieht auch der zweite Podiumsgast, Heidrun Wuttke, Projektleiterin „Dorf.Zukunft.Digital.“ in NRW, einen guten Mix aus analogen und digitalen Beteiligungsformen als unabdingbar für erfolgreiche Bürgerbeteiligung in den Kommunen an. Digitalisierung müsse immer als Werkzeug verstanden werden, damit bestehende und bewährte Kommunikations- und Hilfsangebote vor Ort durch niederschwellige und alltagstaugliche digitale Lösungen ergänzt werden. So sei gewährleistet, dass Alle teilhaben und davon profitieren. Außerdem sieht Heidrun Wuttke, dass die Digitalisierung einen großen Beitrag für die Demokratieentwicklung im ländlichen Raum leistet, denn es werden durch die Erprobung von Neuem nicht nur konstruktive Debatten zwischen den Generationen gefördert und das solidarische Miteinander gestärkt, sondern auch viele neue Mitmacher gewonnen, die Traditionen bewahren wollen, aber auch ganz pragmatisch den digitalen Wandel in ihrer Heimat anpacken und für sich nutzen wollen. So sind Dörfer, die sich auf den Weg in die digitale Zukunft machen, wichtige Impulsgeber und Vorbild für Kommunen, Land und Bund sowie für Politik und Verwaltung, wie die digitale Transformation im ländlichen Raum erfolgreich gestaltet werden kann.

Auch im Publikum wurde neugierig nachgefragt. So kam die Frage auf, wie „Hate-Speech“ verhindert und Informationsneutralität und -freiheit sichergestellt werden könnten. Die Antwort von Simon Strohmenger kam prompt: Zum einen kann die Lösung in der Registrierung der Bürger*innen (Abgleich mit dem Melderegister) liegen, andererseits sei es unbedingt nötig, eine neutrale Moderation für den Austausch bereitzustellen. Hier finden Sie die Ergebnisse des Workshop 1.

Workshop 2 „Digitale Kommunalverwaltung: effizient, grün und sicher“

Wie lässt sich die Digitalisierung der Verwaltung weiter vorantreiben, um mehr Effizienz und die nötige IT-Sicherheit zu erreichen? Wie kann der CO2-Ausstoß und der Ressourcenverbrauch der kommunalen IT durch Green IT verringert werden? 

Moderation: Martin Heilig, Kreisvorsitzender Grüne Würzburg

Michael Diepold stellte in seinem Impulsreferat die Arbeit der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung (AKDB) vor, für die er als Leiter der Stabsstelle Digitalisierung tätig ist. Als öffentlich-rechtliche Einrichtung in der Trägerschaft der kommunalen Spitzenverbände bietet die AKDB IT-Produkte und IT-Dienstleistungen für Kommunen an. Er erinnerte daran, dass Staat und Kommunen sich nicht damit begnügen sollten, Online-Leistungen lediglich bereit zu stellen. Digitale Angebote im Bereich der Verwaltung werden erst dann zum Erfolg, wenn die Leistungen seitens der Bürgerinnen und Bürger auch akzeptiert und genutzt werden. Darauf sei mehr als bisher zu achten. Um beispielsweise den Menschen mehr Sicherheit und Vertrauen bei der Nutzung digitaler Verwaltungsleistungen zu geben, sei ein öffentliches Identitätsmanagement wünschenswert.

Matthias Diehl, Leiter des Projekts „GreenITown“ (Deutsche Umwelthilfe) für die Stadt Friedrichsdorf zählte Maßnahmen auf, wie Kommunen den Energie- und Ressourcenverbrauch für Informations- und Kommunikationstechnik senken können. Zur IT-Sicherheit sprach er sich für einen amtlichen, digitalen Identitätsnachweis aus. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für diesen dürfen nicht schwächer sein als in der analogen Welt.

Anschließend wurden Fragen aus dem Publikum diskutiert. Dabei ging es neben dem Thema IT-Sicherheit v.a. darum, wie sich die Nutzung von Online-Verwaltungsdienstleistungen ausbauen lässt und zwar nicht nur auf Seiten der nutzenden Bürger*innen. Mitunter fehlt es auch an der Bereitschaft von Staat und Verwaltung, digitale Lösungen zu ermöglichen, wie das im Workshop diskutierte Beispiel des Antrags von Auslandsdeutschen auf Wahlunterlagen zeigt, für den die Behörden den elektronischen Personalausweis nicht als Identitätsnachweis akzeptieren. Auch sollte die Ausbildung der Verwaltungsangestellten stärker als bisher auf die Digitalisierung ausgerichtet werden. Hier finden Sie die Ergebnisse des Workshop 2.

Workshop 3 „Digitale Schulinfrastruktur und digitale Bildung"

Was können die Kommunen als Sachaufwandsträger bei der Digitalisierung im Bereich Schule und Bildung bewirken? Wie sieht gute Förderung der digitalen Schule durch den Freistaat aus? Wie wollen wir Grüne digitale Bildung gestalten?

Moderation: Max Deisenhofer, MdL, Sprecher für digitale Bildung

Max Deisenhofer stellte zu Beginn fest, wie die Realität schon heute aussieht: Nahezu jede/r Fünftklässler*in besitzt ein Smartphone und nutzt täglich digitale Medien. Deshalb sei es wichtig, dass Freistaat und Kommunen digitale Bildung aktiv gestalten, Chancen nutzen und Risiken frühzeitig erkennen. Zum Beispiel lassen sich mit digitalen Werkzeugen die verschiedenen Lernniveaus individuell gezielter und bedarfsgerechter fördern. Wichtig ist für die heutige Schüler*innengeneration der Digital Natives aber auch, dass sie über Medienkompetenz verfügen. Grundsätzlich fordern wir Grüne einen verpflichtenden „Medienführerschein“ für unsere Schüler*innen. Sie sollen in die Lage versetzt werden, Quellen zu beurteilen, „Fake News“ zu erkennen, Algorithmen zu verstehen, über den eigenen Konsum zu reflektieren und nicht zuletzt gegen „Cyber-Mobbing“ gewappnet zu sein. Max Deisenhofer appellierte an die Kommunalpolitiker*innen, in IT-Stellen zu investieren.

Jens Marco Scherf, Landrat des Landkreises Miltenberg, und vorher lange Zeit Schulrektor, macht in seinem Statement klar, dass die Schulen sowohl bei der technischen Ausstattung (WLAN etc.), aber auch bei der dauerhaften IT-Betreuung unterstützt werden müssen. Außerdem müssen die Lehrkräfte entsprechend aus- und fortgebildet werden. Hierzu bedarf es mehr finanzieller Unterstützung durch den Freistaat. Die Mittel aus dem Digitalbudget des Freistaates sind bereits vergeben, jene aus dem DigitalPakt Schule des Bundes noch nicht verfügbar. 
Zum Abschluss wurde diskutiert, ob Schüler*innen ihre Geräte selbst beschaffen müssen sollten oder ob hierfür die Schulen zuständig sein („bring your own device“). Aus beiden Möglichkeiten ergeben sich Herausforderungen in Sachen Nachhaltigkeit, Finanzierung, Ethik und Moral sowie die technische Umsetzbarkeit. Hier finden Sie die Ergebnisse des Workshop 3.

Workshop 4 „Kommunale Verkehrswende: Mobil-Flatrate, vernetzter ÖPNV und digitale Mobilität“

Welche Beiträge kann die Digitalisierung beim Thema Mobilität in den Kommunen und für die kommunale Verkehrswende leisten? Wie lassen sich mithilfe der Digitalisierung in den Kommunen moderne Mobilitätskonzepte auf den Weg bringen? 

Moderation: Patrick Friedl, MdL, Sprecher für Naturschutz und Klimaanpassung. 

Reiner Erben, grüner Umweltreferent der Stadt Augsburg, stellte die neue Mobil-Flat des Augsburger Verkehrs- und Tarifverbunds vor. Augsburg hat im Zuge der jüngsten Tarifreform eine Flatrate beschlossen, mit der ab Oktober 2019 Bus, Tram, Carsharing und Fahrräder der Stadtwerke genutzt werden können. Reiner Erben ging auf Hintergründe und Zielsetzungen der Reform ein und beantwortet Fragen des Publikums zur Verkehrsplanung in Augsburg.

Der zweite Input kam von Paula Ruoff. Sie stellte FAIRTIQ, eine mobile App des gleichnamigen Schweizer Startups, vor. FAIRTIQ bietet eine intelligente, digitale Fahrkarte für den ÖPNV an. Das Unternehmen ist erfolgreich in der gesamten Schweiz sowie in bestimmten Regionen Deutschlands sowie Österreichs tätig. Gerade das Beispiel der Schweiz zeigt, dass digitale Mobilität auch in ländlichen Regionen funktionieren kann. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Prinzip des gegenseitigen Vertriebs, das es den Verkehrsbetrieben in der Schweiz erlaubt, auch Tickets anderer Verkehrsverbünde zu verkaufen. So wird eine durchgehende Reisekette mit einer digitalen Fahrkarte ermöglicht.

Im weiteren Verlauf des Workshops wurden auch Fragen zur IT-Sicherheit und zum Datenschutz diskutiert. Denn gerade bei datengetriebenen Geschäftsmodellen müssen die personenbezogenen Daten sicher sein. In der Diskussion wurde auch klar, dass Digitalisierung schon heute viele technische Möglichkeiten für mehr Kundenkomfort im Tarifdschungel des ÖPNV bietet. Auch gänzlich neue Tarifgestaltungen sind durch die Digitalisierung technisch möglich und lassen auf einen attraktiveren ÖPNV und mehr (digitale) Mobilität hoffen. Hier finden Sie die Ergebnisse des Workshop 4.