Nutztiertransporte in Bayern

Zweck des Fachgesprächs war es, mit Expert*innen das Thema Tiertransporte in Drittstaaten aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und Lösungen zu finden, wie die offensichtlichen Tierschutzverstöße vermieden werden können.

Teilnehmer*innen:

  • Paul Knoblach, MdL und Rosi Steinberger, MdL
  • Prof. Jens Bülte, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht der Uni Mannheim
  • Dr. Madeleine Martin, Landesbeauftragte für Tierschutz in Hessen
  • Dr. Georg Röhrmoser, Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Rinderzucht- und Besamungsorganisationen e.V.
  • Dr. Kai Braunmiller, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene und Tierschutz in Bayern

Anlass:

Aus der EU werden Schlacht- und Nutztiere in Drittstaaten wie beispielsweise Algerien, Usbekistan oder die Türkei exportiert. Bei Transport, Verladen und Schlachtung dieser Tiere wurden von Journalisten und Tierschutzorganisationen in der Vergangenheit immer wieder erhebliche Vergehen gegen den Tierschutz dokumentiert. So wurden die gesetzlich vorgeschriebenen Transportbedingungen nicht eingehalten (zu lange Transportzeiten, unzureichende Versorgung mit Futter und Wasser, zu dichte Beladung), unsachgemäßes Verladen beobachtet (unter anderem Heben nicht mehr mobiler Rinder an Vordergliedmaßen mittels Kran) und es kam zum Verenden von Tieren durch Stress, Zertrampeln, Erschöpfung oder Verdursten. In den Zielländern werden tierschutzwidrige Schlachtpraktiken durchgeführt, die zu Angst, unnötigen Schmerzen und Leiden der Tiere führen. Dazu gehören die betäubungslose Schlachtung, Ausstechen von Augen und Durchtrennen von Beinsehnen bei Bewusstsein er Tiere.


Rechtliche Situation:
Die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen regelt auf europäischer Ebene unter anderem

  • Anforderungen an Transport- und Ruhezeiten, Fütter- und Tränkintervalle
  • Anforderungen an Transportmittel
  • Anforderungen an die Planung der Fahrt

Es heißt dort beispielsweise:
„Aus Tierschutzgründen sollten lange Beförderungen von Tieren – auch von Schlachttieren –     auf ein Mindestmaß begrenzt werden.“
„Niemand darf eine Tierbeförderung durchführen oder veranlassen, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werden könnten.“
„… für alle Tiere innerhalb des Transportmittels Temperaturen in einem Bereich zwischen 5°C und 30 °C, mit einer Toleranz von ± 5 °C, gehalten werden können.“
Konkret gilt für Rinder: Beförderungs- und Ruhezeiten (Anh.I, Kap.V): nach 14 Stunden Fahrt mindestens 1 Stunde Ruhepause und Tränken, dann maximal 14 Stunden Fahrt und Entladen, Füttern, Tränken (= 29 Std.). Dann 24 Stunden Ruhepause.
Der EuGH stellt in einem Urteil vom 23.04.2015 fest: die in der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 festgelegten Anforderungen sind auch bei Transporten in Drittländer einzuhalten. Allerdings sind die Zustände in vielen Drittländern sowie auf den Transporten dorthin nicht mit europäische mit EU Gesetzgebung im Einklang und führen zu erheblichem Leid der Tiere.
In der Praxis bedeutet dies, dass Amtsveterinäre Tiertransporten die Genehmigung verweigern können, wenn die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen auf der Transportroute nicht gewährleistet ist (z.B. wenn Einrichtungen zum Versorgen/Entladen nicht in angemessenen Abständen zur Verfügung stehen). Dies ist auch in der Praxis geschehen, woraufhin Zuchtverbände gegen die Veterinärämter klagten. Verwaltungsgerichte entschieden, die Veterinärämter könnten sich nicht weigern, die Vorzeugnisse auszustellen, die bestätigten, dass die Rinder gesund und transportfähig wären. Insofern konnten bayrische Tiere über Sammelstellen in anderen Bundesländern oder im EU-Ausland auch weiterhin in die genannten Länder exportiert werden.

Aktuelle Situation:
Aktuell herrscht deutschlandweit keine einheitliche Auslegung des Rechts bei den Veterinärämtern. In Bayern ist der direkte Export von Rindern aus Bayern in die folgenden 17 Drittstaaten ist seit März 2019 nicht oder nur unter strengen Auflagen möglich:
Ägypten, Algerien, Armenien, Aserbaidschan, Iran, Irak, Kasachstan, Kirgistan, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien, Tadschikistan, Tunesien, Turkmenistan, Türkei, Usbekistan.
Trotzdem werden Tiere über Umwege (andere Bundesländer / andere EU Länder) dorthin exportiert.


Dr. Madeleine Martin, Tierschutzbeauftragte des Landes Hessens hatte im vergangenen Jahr mit drei Tierärztinnen eine Reise entlang der Transportroute nach Usbekistan unternommen, um die Abladestationen zu überprüfen, die für die Genehmigung der Tiertransporte von den Transportunternehmen angegeben wurden. Frau Martin zeigte in einer erschütternden Präsentation, dass es diese Stationen tatsächlich häufig nicht gibt, die Angaben über die Kapazität unplausibel sind oder sie sind in einem so desolaten Zustand, dass z.B. eine Tränkung der Tiere im Winter bei Frost nicht möglich ist. Laut Anwohnern werden die Sanitären Anlagen oft von den LKW Fahrern genutzt, während die Tiere nicht abgeladen werden.
Frau Dr. Martin berichtete, dass einige der russischen Abladestationen vorab aus Deutschland heraus „gewarnt“ worden waren und den Tierärztinnen der Zutritt verweigert wurde.
Fazit von Frau Dr. Martin: die von der EU vorgeschriebenen Mindeststandards er VO 01/2005 können auf dieser Transportroute nicht eingehalten werden. Aus diesem Grund dürften diese Transporte nicht weiter genehmigt werden.
Darüber hinaus werden in diesen Ländern auch häufig tierschutzwidrige Schlachtungen (Schächten) vorgenommen, die nicht mit dem europäischen Tierschutzrecht im Einklang stehen. Auch die Tierhaltung ist in Usbekistan nicht auf europäischem Niveau, womit der Export von Zuchttieren, die an Deutschland angepasst sind, in diese Länder keinen Sinn macht. Bei schlechter Haltung leiden sie wegen des heißen Wetters und schlechten Futters.
Nach dem Aufdecken dieser Missstände haben Amtsveterinäre zuerst aus Landshut, später auch aus anderen Landkreisen das Ausstellen so genannter Vorzeugnisse verweigert und damit den Transport der Zuchttiere verhindert. Darauf haben allerdings Zuchtverbände geklagt und vor Verwaltungsgerichten recht bekommen.
Frau Dr. Martin fordert einheitliche Standards für die nach EU-Recht vorgeschriebenen Versorgungsstationen, sowie ein Verbot der Transporte auf europäischer Ebene. Derzeit würde der Bund mit Verweis auf die EU die Verantwortung faktisch an die Veterinärämter der Länder weitergeben. Diese wünschen sich wiederum eine einheitlich mindestens nationale, besser internationale Lösung der EU, um keinen verzerrten Wettbewerb zu erzeugen. Ein Beispiel: derzeit werden Rinder über Brandenburg nach beispielsweise Usbekistan transportiert. Das Bundesland gab weder die Zahlen dieser Exporte auf Nachfrage von Frau Dr. Martin heraus, noch war es an der Überprüfung der Transportrouten interessiert. Generell fordert Frau Dr. Martin von Politik und Landwirtschaftsverbänden eine größere Bereitschaft, Veränderungsprozesse zu nutzen, anstatt diese zu blockieren.

Hier ihre Präsentation


Den rechtlichen Aspekt beleuchtete anschließend Prof. Jens Bülte von der Universität Mannheim. Seine Stellungnahme war ganz klar: Wer einen Transport zulässt, der nach allen Erkenntnissen tierschutzwidrig abläuft, der macht sich strafbar. Rein wirtschaftliche Interessen stellen keinen „vernünftigen Grund“ im Sinne des Tierschutzgesetzes für das Zulassen von Tierleid dar, wie das Bundesverwaltungsgericht im Juni bekräftigt hat.
Wer macht sich strafbar? Alle, die eine Straftat begehen oder eine Straftat vorsätzlich ermöglichen. Somit handelt ein Amtsveterinär oder Transporteur strafbar, wenn die Möglichkeit des tierschutzwidrigen Transports erkannt wird, dieser aber trotzdem genehmigt oder durchgeführt wird. Dies gilt auch dann, wenn der Transport in Deutschland genehmigt wird und die Straftat im Ausland begangen wird. „Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.“
Das Gerichtsurteil des Landgerichts Gießen, das den Zuchtverbänden Recht gab und Veterinärämter dazu verpflichtete, Transportzeugnisse auszustellen, hielt Prof. Bülte für nicht nachvollziehbar. Schließlich sei bei dem Vorlaufattest klar erkennbar gewesen, dass es sich um einen Transport in Drittstaaten gehandelt habe, der Vergehen gegen das europäische Tierschutzgesetz zur Folge haben würde. Der Amtstierart ist in seiner Funktion speziell dazu beauftragt, Tierleid zu verhindern.
Fehlerhaft an diesem System ist es, dass der Bund die Zuständigkeit für die Ausfuhrgenehmigungen den Bundesländern zugewiesen hat. Dadurch gibt es kein einheitliches Verwaltungshandeln. Und innerhalb des Bundeslandes entscheiden auch noch die einzelnen Kreisverwaltungsbehörden unterschiedlich.

Vortrag von Dr. Jens Bülte zum Download


Dr. Kai Braunmiller von der Landesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene und Tierschutz in Bayern betonte, dass es für die EU ein Leichtes wäre, die Tiertransporte rechtskonform zu organisieren. Er kritisierte, dass jede Kreisverwaltungsbehörde eigenmächtig handelt und forderte eine entsprechende Schulung für die Amtsveterinäre.
Schwierig wird der Fall dadurch, dass inzwischen Transorte nicht mehr aus Bayern in Drittsaaten erfolgen, sondern in andere Bundesländer. Von einigen dieser Bundesländer, z.B. Brandenburg, werden diese Transporte dann in der Regel ohne weiteres genehmigt. Sie dienen also nur als Zwischenstation. Aus Brandenburg wurden im Jahr 2019 39 Exporte nach Usbekistan genehmigt. Aus Deutschland werden weiterhin Rinder über Frankreich nach Lybien und Algerien exportiert, sowie aus Niedersachsen über Polen nach Russland. Herr Dr. Braunmiller bezweifelt, ob das Thema auf europäischer Ebene tatsächlich gelöst wird, obwohl dies der richtige Weg wäre. Das BMEL könnte die Exporte von Nutztieren leicht überprüfen und eine bundesweite Datenbank aufbauen. Derzeit ist eine Stelle für die Plausibilitätsprüfung der Transportrouten in Planung, so dass die Veterinärämter hier auf konkrete Informationen zurückgreifen können. Dr. Braunmiller weist auf Interessenskonflikte innerhalb des BMEL und einiger Bundesländer wie Brandenburg hin, wo Veterinär- und Landwirtschaftsverwaltung in einem Ministerium gekoppelt sind.
Generell ist Dr. Braunmiller vorsichtig optimistisch: es gäbe so viele engagierte Landwirte, die in der Tierhaltung tolle Lösungen fänden. Auf sie müssen wir bei der Weiterentwicklung der Landwirtschaft bauen.


Und was sagen die Zuchtverbände?
Dr. Georg Röhrmoser, Geschäftsführer der ArGe Süddeutscher Rinderzucht- und Besamungsorganisationen e.V. und deren Vorsitzender Georg Hollfelder betonten, dass die meisten Exporte innerhalb Deutschlands oder der EU erfolgten. Der Export in Drittländer falle nicht so stark ins Gewicht. In Bayern ist die Anzahl der Betriebe mit Rinderhaltung seit Jahren rückläufig. Trotzdem herrschen in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern noch immer relativ kleine Betriebsstrukturen vor. In Bayern beträgt der Selbstversorgungsgrad mit Milch etwa 200% und der mit Rindfleisch etwa 140%, somit ist ein Export aus Bayern notwendig. Hauptsächlich werden männliche Kälber exportiert, diese vor allem in andere deutsche Bundesländer. Herr Dr. Röhrmoser betont, dass die Zuchtverbände rechtskonform arbeiten. Anfragen für den Export von Rindern kämen aus den jeweiligen Ländern, in die 17 von Bayern definierten Risikostaaten würde jedoch nicht mehr exportiert. In Bayern kämen für den Export außerhalb der EU ohnehin nur eine begrenzte Zahl von etwa 10 000 Tieren in Frage, die bayerischen Betriebe sind somit nicht auf den Export in Drittstaaten wirtschaftlich angewiesen.
Die beiden Vertreter der Zuchtverbände zeigten sich von dem Reisebericht von Dr. Martin betroffen und überrascht. Die Transporte würden von den Transportunternehmen durchgeführt, über die Transportbedingungen hätten sie keine Informationen. Auch von den abnehmenden Betrieben hätten sie positive Rückmeldung erhalten. Auch bei einer Besichtigung in der Türkei wären die exportierten Tiere in einem guten Zustand gewesen.
Generell ist laut Dr. Röhrmoser ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs über eine gesellschaftlich akzeptiere Gestaltung der Nutztierhaltung notwendig.

Vortrag von Herrn Röhrmoser als Download


Herr Hollfelder räumte ein, man sei da in der Vergangenheit zu gutgläubig gewesen. In Zukunft würden die Zuchtverbände genauer hinschauen. Über einen eventuellen freiwilligen Exportstopp müsse innerhalb der Verbände noch gesprochen werden. Denn in jedem Fall sollten die gleichen Voraussetzungen für alle gelten, so dass bayerische Erzeuger nicht gegenüber denen aus anderen Bundesländern oder anderen EU Ländern benachteiligt würden. Eine von allen Parteien getragene, dauerhafte Lösung muss hier angestrebt werden.


Grundsätzlich kam auch zur Sprache, dass es wenig Sinn mache, wenn bayerische Hochleistungskühe in Regionen exportiert werden, wo die Bedingungen (klimatisch, ungenügende Futtergrundlage, wenig Niederschläge) so stark von den hier herrschenden Bedingungen abweichen. Sinnvoller wäre es, wenn nur Sperma oder Embryonen gehandelt würden und in die dortigen Herden eingekreuzt würden. Denn oft werden trächtige Färsen exportiert, die in den Drittländern einmal abkalben und anschließend geschlachtet werden.
Vom Aufbau einer eigenen Zuchtpopulation und einem Zuchtmanagement kann in Ländern wie Usbekistan, Algerien oder Marokko nicht die Rede sein. Umso unverständlicher ist es, diese Exportpraxis fortzusetzen.
Ein weiteres Problem besteht generell in der Schächtpraxis vieler Drittländer. Aus mangelndem Tierschutzbewusstsein kommen Praktiken zum Einsatz, die bei Tieren zu langanhaltenden Schmerzen und Leid sowie zu einem unnötig langen Todeskampf führen. Das ist nicht hinzunehmen und kann nicht im Sinne deutscher Landwirte sein, dass ihre Tiere so enden.
Der konstruktive Austausch zwischen den Tierschutzverbänden und den Vertretern der Zuchtverbände eröffnete interessante Gesprächsperspektiven, bei einigen Punkten herrschte Konsens.
Was wäre also zu tun? Die Exporte von Tieren in Drittländer außerhalb der EU müssen tierschutzkonform abgewickelt werden. Dafür ist die EU-Kommission zuständig, die dieses Handeln von jedem einzelnen EU-Land einfordern muss, zur Not unter Zuhilfenahme von Vertragsverletzungsverfahren. (Ansatzpunkt: die EU-VO 1/2005)
So lange sie das nicht tut, müssen die Nationalstaaten selbst die Verantwortung für Exportgenehmigungen in Drittländer an sich ziehen und die Länder anweisen, das EU-Recht einzuhalten. Bereits geplant ist eine Datenbank, in der Informationen zu allen üblichen Exportrouten und zu Versorgungsstationen gespeichert werden sollen.
Die einzelnen Bundesländer wiederum sollen die Kreisverwaltungsbehörden anweisen, Exportzeugnisse nur unter Einhaltung der EU-Gesetzgebung auszustellen. So lange diese Transporte unter den geschilderten Umständen ablaufen, ist jedes Exportzeugnis rechtswidrig.


Unsere Grüne Forderungen:

  • Ein sofortiger Stopp der Exporte von Zucht- und Schlachttieren in Länder, in denen europäische Tierschutzstandards weder auf dem Transport noch bei der Haltung oder Schlachtung eingehalten werden. (17 Risikostaaten)
  • Die EU muss auf die Mitgliedsstaaten einwirken, dass von dort keine Exportgenehmigungen mehr ausgesprochen werden.
  • Die Bundesregierung muss die Länder anweisen, keine Exportgenehmigungen mehr auszustellen, wenn feststeht, dass der Transport tierschutzwidrig ist.
  • Der Freistaat soll seine Kreisverwaltungsbehörden unterstützen, die keine Zeugnisse mehr ausstellen wollen und diese beraten.
  • Zu guter Letzt richten wir einen Appell an die Zuchtverbände, freiwillig auf den Export von Zuchttieren in die fraglichen Länder zu verzichten.