Umwelt | Natur

Stand der Hitzeaktionsplanung in Bayern

Landtags-Grüne fordern Bericht des Umweltministers

10. Juli 2024

Hitze belastet Mensch und Umwelt immer stärker.* Umso wichtiger ist es, dass wir uns wappnen. Die Kommunen tragen hier eine besondere Verantwortung – sie kennen die Lage vor Ort am besten und können geeignete Maßnahmen am schnellsten planen und umsetzen. Eine wichtige Arbeitsgrundlage dafür sind Hitzeaktionspläne.

 

  • Um herauszufinden, wie viele Kommunen bereits in der Planung sind, welche Unterstützung es gibt und welche Erkenntnisse Pilotprojekte liefern,  fordern die Landtags-Grünen die Staatsregierung auf, über den Stand der Hitzeaktionsplanung in Bayern zu berichten. Der entsprechende Antrag wird am Donnerstag, 11.07.2024, im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz behandelt.

 

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende, sagt:

„Auch dieser Sommer wird wieder richtig heiß werden. Doch ähnlich wie beim Hochwasser, hält sich die Söder-Regierung bedeckt, bis es zu spät ist. Man möchte sie wachrütteln und ihr ins Ohr rufen: Prävention ist möglich. Zumindest sollte jede Kommune in Bayern so bald wie möglich einen Hitzeaktionsplan in Umsetzung haben. Dafür hat die Staatsregierung Sorge zu tragen, sie muss Anreize schaffen. Denn letztlich geht es darum die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu schützen.“  

 

Patrick Friedl, Sprecher für Naturschutz und Klimaanpassung, erklärt:

„Dass in Bayern die meisten Kommunen noch keine Hitzeaktionsplanung haben, birgt ein hohes Risiko bei kommenden Hitzewellen. Wir fordern Klarheit von der Staatsregierung, wo wir heute bei der Hitzevorsorge stehen. Für die Kommunen ist es elementar, dass sie Konzepte entwickeln können, um sich an die sich verschärfende klimatische Lage anzupassen. Denn auch in Bayern wird es immer heißer, das ist unumkehrbar. Den Unterschied wird in Zukunft machen, ob präventiv gehandelt wurde, ob es genügend Frischluftschneisen, kühlendes Grün sowie ausreichende Warn- und Schutzmaßnahmen gibt. Die Staatsregierung hat die Verantwortung, dass keine Region der Hitzschlag trifft.“

 

 

Die Landtags-Grünen fordern in ihrem Antrag Informationen der Staatsregierung:

  • zum Stand der Erarbeitung kommunaler Hitzeaktionspläne;
  • zum Stand der Förderung kommunaler Hitzeaktionspläne;
  • zum Stand der Hitzekoordination für Bayern, insbesondere Katastrophenschutz;
  • zu Förderinstrumenten zur Umsetzung der Hitzeaktionsplanung,
  • zu Planungsinstrumenten (z. B. Hitzekarten), für die Kommunen;
  • in Form eines Tätigkeitsberichts der Sonderbeauftragten für Klimaresilienz und Prävention;
  • zu Erkenntnissen aus dem Projekt „Hitzeschutz in einer Gesundheitsregionplus“;
  • zu Erkenntnissen aus dem Projekt „Klimaanpassung in der Pflege“;
  • zu Erkenntnissen aus dem Projekt „Auswirkungen von Hitzeereignissen auf Anzahl und Art von Rettungsdiensteinsätzen in Bayern“.

 

 

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Wie dramatisch sich Hitzetage schon jetzt auf den einzelnen Menschen und unser Leben im Freistaat auswirken, belegen zahlreiche Daten:

 

Die Situation in Bayern:

Bayern ist als kontinentaleuropäische Region bereits heute stark von der Klimaerhitzung und seinen Folgen betroffen, das zeigen Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU): Die mittlere Temperatur der Jahre 1961 bis 1990 in Bayern betrug 7,5°C. Im Folgezeitraum 1991 bis 2020 lag der Wert schon bei 8,6°C. Für das jüngste abgeschlossene Jahrzehnt (2011 bis 2020) ergibt sich gar eine Durchschnittstemperatur von 9,0°C. Dies ist eine Erwärmung um erschreckende 1,5°C gegenüber dem Referenzzeitraum 1961-1990. Seit 1881 liegen flächendeckende Messungen vor: Neun der zehn wärmsten Jahre in Bayern liegen nach der Jahrtausendwende. Sechs der sieben heißesten Jahre ereigneten sich ab 2014.

 

Für die einzelnen Regierungsbezirke liefern die Klimasteckbriefe des LfU Erkenntnisse. Zum Beispiel lag für Unterfranken der Trend der Jahresmitteltemperatur 1951-2019 bei +2°C. Klima-Steckbriefe für alle bayerischen Regierungsbezirke veröffentlicht - IZU (bayern.de)

 

Die Folgen für die Menschen:

Hitze bedeutet Schwerstarbeit für unseren Körper, denn er muss die Körpertemperatur konstant halten. Beispielsweise produziert er mehr Schweiß, der auf der Haut verdunstet und damit kühlt. Die Blutgefäße weiten sich, das Herz schlägt schneller. Schafft es der Körper nicht, seine Schutzmaßnahmen optimal in Gang zu setzen, zeigt sich das durch ein heißes, stark gerötetes Gesicht, Müdigkeit, Kopfschmerzen,  Übelkeit, Kreislaufbeschwerden, Schwindel, Verwirrtheit, Kurzatmigkeit, Erschöpfungs- oder Schwächegefühl, Herzrhythmusstörungen, Muskel- und Bauchkrämpfe oder eine erhöhte Körpertemperatur.

 

In Ballungsräumen staut sich die Hitze besonders. Das ist für Risikopersonen gefährlich, also für ältere Menschen, Schwangere, Säuglinge, Kleinkinder sowie Menschen mit Vorerkrankungen und Behinderungen. Einrichtungen wie Krankenhäuser, Pflegeheime, Kitas und Schulen sind zudem baulich oft nicht auf die Herausforderungen durch große Hitze vorbereitet, weil ihnen die Möglichkeiten fehlen, Räume kühl zu halten (z. B. durch Markisen, Rollläden, Klimaanlagen). Laut einer Studie von “The Lancet” stieg die jährliche Zahl der Hitzetoten vom Zeitraum 2000-2004 bis zum Zeitraum 2017-2021 unter älteren Menschen (über 65 Jahre) global um 68 Prozent. Das RKI hat den Zusammenhang zwischen Hitze und Moralität im Sommer 2023 mit Wochenberichten dokumentiert Wochenbericht zur hitzebedingten Mortalität (rki.de).

 

Hitzewellen sorgen zudem für eine höhere Belastung durch UV-Strahlen, die bei Menschen nachhaltige Schäden an den Augen (Grauer Star) oder an der Haut (vorzeitige Hautalterung, Hautkrebs) verursachen. Auch die Belastung durch Allergene nimmt zu, durch eine längere Pollenflug-Saison und Pflanzen- (Beiflug-Ambrosie) und Tierarten (Tigermücke), die durch längere Wärmeperioden stärker auftreten.

(Quellen: LGL, Broschüre“ Pflege und Hitze“, Positionspapier „Klimaüberhitzung“ der Landtags-Grünen, s.u.)

 

 

Die Folgen für Natur und Landwirtschaft:

Die Klimakrise bringt mehr Hochwasser- und Starkregenereignisse, die verheerende Schäden anrichten können. Dazu kommen immer neue Niedrigstände beim Grundwasser und damit zunehmende Trinkwasserknappheit. In der Landwirtschaft drohen Ernteeinbußen durch Hitze, Trockenheit, Dürre, Extremwetterereignisse und enorme Schädlingsvermehrung. Unter ähnlich schlechten Bedingungen leiden die Wälder, es droht in Teilen der Welt ein klimabedingtes Waldsterben. Auch die Biodiversität ist erheblich in Gefahr. Schon heute beobachten wir ein erschreckendes Artensterben. Besonders betroffen sind bei uns sensible Gebiete wie die bayerischen Moore und Alpen.

 

Für Landwirt*innen verschärft die Klimakrise die ohnehin hohen Herausforderungen des Berufs: Neben der Dürregefahr, verändert sich der Boden und Extremwetter bedrohen die Ernte. Das Pflanzenwachstum setzt aufgrund der wärmeren Temperaturen im Frühling immer früher ein. Damit fällt die Obstblüte in einen Zeitraum, in dem die Tage kürzer sind. Dadurch stehen den Honigbienen weniger Tageslichtstunden zur Verfügung, in denen sie fliegen und die Obstblüten bestäuben können. Nur ein Beispiel dafür, wie sich das Zusammenspiel zwischen den Lebenszyklen von Pflanzen, Bestäubern, Pathogenen, Schädlingen, und deren Gegenspielern verschiebt. Gleichzeitig besteht die Gefahr von Nachtfrösten bis in den Mai und die Gefahr von Frostschäden steigt.

Besonders einschneidend war das Dürrejahr 2018, der ökonomische Schaden war enorm: Die Hektarerträge bei Getreide lagen deutschlandweit um 15,5 Prozent unter dem Durchschnitt der drei vorausgegangenen Jahre. Das traf besonders norddeutsche Bundesländer (Rückgang in Schleswig-Holstein bei 28,8 Prozent, Bayern nur knapp 9 Prozent). Die Gesamtverluste der Landwirtschaft wurden 2018 auf 770 Millionen Euro beziffert.

 

Das muss passieren:

Die Landtags-Grünen setzen sich für umfassende Maßnahmen ein, Flickschusterei ist nicht das geeignete Mittel um der Klimakrise zu begegnen. In den Bereichen Naturschutz und Biodiversität, Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft Siedlungsgebiete, Gesundheit und Tourismus braucht es jeweils einen Strauß von Maßnahmen, um eine echte Wirkung zu entfalten. Nur dann schützen wir unser Wasser, erhalten die Bodenfruchtbarkeit, machen unsere Wälder widerstandsfähig, bewahren unsere Gesundheit, wappnen wir uns gegen Starkregen, retten gefährdete Arten und erhalten ein lebenswertes Bayern. (Alle Forderungen ab Seite 40 ff. Klimaüberhitzung | Bündnis 90/Die Grünen im Landtag Bayern (gruene-fraktion-bayern.de))

 

Die Staatsregierung hat auf Druck der Grünen hin bisher einige Einzelmaßnahmen auf den Weg gebracht. Es sind allerdings zu wenige und meist sind die Maßnahmen nicht entschieden genug. Zu nennen sind:

 

  • Die Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheitsschutz im Klimawandel (LAGiK) wurde gegründet zu Austausch, Information und Materialsammlung.
  • Es gibt seit letztem Frühjahr eine Sonderbeauftragte für Klimaresilienz und Prävention. Details zu ihrem Budget, Personal und genauem Arbeitsauftrag bleibt die Staatsregierung aber bisher schuldig.
  • Ähnlich vage ist die Struktur des "Bayerischen Kompetenzzentrums für Gesundheitsschutz im Klimawandel" https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/umweltbezogener_gesundheitsschutz/klimawandel_gesundheit/kompetenzzentrum/index.htm
  • Über die KommKlimaFör (Förderrichtlinien Kommunaler Klimaschutz) sollen kommunale Hitzeaktionspläne gefördert werden können. Allerdings wird die mögliche Förderung nicht beworben, entsprechend fehlt es an Anträgen durch Kommunen.

 

In Bayern ist die durchschnittliche Klimaerwärmung als Jahreswert aktuell bereits an der 3 Grad Celsius-Schwelle (gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter). Falls wir keinen wirksamen Klimaschutz betreiben, wird die Temperatur in Bayern bis zum Ende dieses Jahrhunderts Projektionen zufolge um bis über 6 Grad Celsius steigen. Der aktuelle Temperaturanstieg ist nicht nur in den Sommermonaten zu verzeichnen, sondern ganzjährig, das heißt in allen vier Jahreszeiten. Durch wirksame Klimaschutzmaßnahmen kann ein Anstieg nicht verhindert, aber immerhin auf unter 4 Grad Celsius in Bayern (und unter 2 Grad weltweit) beschränkt werden. Diese Chance muss ergriffen werden.

 

Diese und weitere Informationen finden Sie auch im aktualisierten Positionspapier „Klimaüberhitzung“ der Landtags-Grünen, hier zum Download: Klimaüberhitzung | Bündnis 90/Die Grünen im Landtag Bayern (gruene-fraktion-bayern.de)

Und beim Landesamt für Umwelt: https://www.lfu.bayern.de/klima/klimawandel/klimazukunft/lufttemperatur/index.htm

 

Beispielhaft einige unserer Anträge aus den letzten Jahren: http://www1.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000019500/0000019608.pdf,
http://www1.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000014500/0000014852.pdf