Umwelt | Natur
Grünen-Antrag für Expertenanhörung zur Novelle des Wassergesetzes
30. Oktober 2025
CSU-FW-Regierung verschärft Grundwasserproblem
Wassergesetz gefährdet bayerisches Trinkwasser und kommunale Daseinsvorsorge
München (30.10.25) Die CSU-Freie-Wähler-Staatsregierung leistet durch die geplante Änderung des Bayerischen Wassergesetzes dem verstärkten Zugriff auf unser Grundwasser Vorschub. Das ist eine ernsthafte Bedrohung für den Schutz des bayerischen Trinkwassers und die kommunale Daseinsvorsorge. Im Zentrum der grünen Kritik stehen die vorgesehenen Privilegien für die sogenannten Wasser- und Bodenverbände, die künftig neue Rechte zur organisierten Entnahme von oberflächennahem Grundwasser erhalten sollen, was in der Folge die Grundwasserprobleme in vielen Regionen Bayerns weiter verschärfen kann.
„Die Staatsregierung öffnet damit die Tür für eine faktische Privatisierung der Wasserversorgung“, warnt Patrick Friedl, naturschutzpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion. „Die Wasser- und Bodenverbände sind in der Praxis zumeist reine Bewässerungsverbände, die künftig auch auf oberflächennahes Grundwasser zugreifen dürfen sollen, und das, ohne dafür ein Wasserentnahmeentgelt – den sogenannten Wassercent – zahlen zu müssen. Das ist ökologisch fragwürdig und ungerecht.“
Denn während Verbraucher*innen, kommunale Wasserversorger und Landwirt*innen ohne Mitgliedschaft in Wasser- und Bodenverbänden künftig den Wassercent zahlen müssen, werden Mitglieder der neuen Bewässerungsverbände davon befreit. Ebenso problematisch: der gesetzlich verankerte Beitrittszwang für landwirtschaftliche Betriebe im Einzugsgebiet eines Wasser- und Bodenverbands. Diese können zum Beitritt in einen Verband gezwungen und sogar zur Mitfinanzierung ggf. hoher Investitionskosten für Infrastruktur gegen ihren Willen verpflichtet werden. Die Landtags-Grünen sehen darin eine klare Benachteiligung wasserschonend wirtschaftender Betriebe sowie eine strukturelle Ungleichbehandlung, die dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes widerspricht.
Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende: „Runtergebrochen sieht es so aus: Die Staatsregierung schafft eine Zwei-Klassen-Gesellschaft beim Zugriff auf unser Grundwasser. Unter dem Deckmantel der Versorgungssicherheit geht es hier um Einzelinteressen, auf Kosten der wasserschonend wirtschaftenden Betriebe, die sich darum kümmern, dass ihr Boden Wasser speichert, oder ihre Fruchtfolge anpassen. Und es geht auf Kosten von allen Menschen in Bayern. Wir sagen deshalb: klare Regeln statt Konkurrenz!“
Der Gesetzentwurf der Staatsregierung sieht zwar vor, dass die Grundwasserentnahme durch Wasser- und Bodenverbände nur erfolgen darf, wenn alle anderen Möglichkeiten der Wasserbeschaffung ausgeschöpft sind und der Bedarf der öffentlichen Trinkwasserversorgung vorrangig gedeckt ist. Doch wie üblich fehlen klare Vorgaben. Wie soll so eine Alternativen-Prüfung aussehen? Wer überprüft das? Es gibt weder einen ökonomischen noch einen regulatorischen Anreiz zur Begrenzung. Die öffentliche Trinkwasserversorgung muss aus Sicht der Landtags-Grünen Vorrang haben. Die Staatsregierung gefährdet das in einem gefährlichen Maße und verschärft zudem noch die lokalen Nutzungskonflikte angesichts der fortschreitenden Klimaerhitzung. Das hat auch das bayerische FW-Umweltministerium in einer internen Mitteilung 2023 gesagt.
Katharina Schulze: „Es wird damit noch einfacher, Grundwasser für Bewässerung zu nutzen. Es wäre besser, in der Praxis all das umzusetzen, was dabei hilft, Wasser zu speichern und zu sparen und Boden und Landschaft vor dem Austrocknen zu bewahren. In Zeiten der Klimakrise muss man vorsorgen, dass in der Sommerhitze noch genügend Wasser da ist. Wie wird sichergestellt, dass es durch Nutzungskonflikte nicht zu dramatischen Engpässen beim Trinkwasser kommt? Oder wird über die Konsequenzen erst wieder nachgedacht, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist?”
Patrick Friedl: „Die Staatsregierung riskiert mit dieser Regelung eine Übernutzung unserer wichtigsten Ressource – des Grundwassers – und gefährdet so die kommunale Daseinsvorsorge. Und wer kontrolliert, wie viel Grundwasser am Ende für die Bewässerung entnommen wird? Unsere Wasserbehörden sind jetzt schon völlig überlastet, digitale und automatisiert überwachte Wasseruhren soll es nicht geben und unsere Wasserwirtschaftsämter werden von der Staatsregierung systematisch kaputtgespart.“
Auch weitere Punkte in der geplanten Gesetzesnovelle sehen die Landtags-Grünen kritisch, allen voran die einseitige Priorisierung des technischen Hochwasserschutzes als „überragendes öffentliches Interesse“, während natürlicher Hochwasserschutz und Grundwasserschutz weiterhin außen vorbleiben. Auch die unausgewogene Ausgestaltung des Wasserentnahmeentgelts („Wassercent“) stößt auf Kritik. Patrick Friedl: „Weil es keine verpflichtende digitale Erfassung gibt, bleibt auch künftig unklar, wer wann wie viel Grundwasser entnimmt. Die Staatsregierung hält an dieser Intransparenz fest – und verpasst damit die Chance, beim Start des Wassercents endlich für Klarheit zu sorgen. Statt den Einstieg in eine moderne und nachvollziehbare Wasserbewirtschaftung zu nutzen, wird das Nichtwissen zum Dauerzustand.”
Die Grünen kritisieren das im Vorhinein durch die Regierungsfraktion bereits verkürzte Gesetzgebungsverfahren und fordern eine breite fachliche Debatte über die geplanten Änderungen. Dazu hat die Grünen-Landtagsfraktion gemeinsam mit der SPD-Fraktion eine Expertenanhörung beantragt, um Vertreterinnen und Vertreter aus Wasserwirtschaft, Umweltverbänden, Kommunen und Wissenschaft zu Wort kommen zu lassen. „Wir brauchen eine transparente und fundierte Diskussion über die Zukunft unserer Wasserpolitik“, so Patrick Friedl. „Denn Wasser ist unser wichtigstes öffentliches Gut und muss umfassend geschützt werden.”
Die Anhörung zum Wassergesetz von Grünen und SPD (Antrag) wird am 05.12.2025, 9:15-12:15Uhr (Konferenzsaal), im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz des Bayerischen Landtags behandelt.
Zum Hintergrund:
Die Staatsregierung hat im Juli ihren Entwurf für Änderungen am Bayerischen Wassergesetz vorgestellt: https://www.stmuv.bayern.de/themen/wasserwirtschaft/novellebaywg/doc/gesetzentwurfaenderung_baywg.pdf
Die "Wasser- und Bodenverbände" sind Körperschaften öffentlichen Rechts und im Gesetz über Wasser- und Bodenverbände (WVG) bundesgesetzlich geregelt (u. a. in WVG §§7-9 der Beitrittszwang). Im Bayerischen Gesetz zur Ausführung des Wasserverbandsgesetzes (BayAGWVG) von 1994 wurden die Neugründung von Wasser- und Bodenverbänden sowie zahlreiche vorgesehene Betätigungsfelder in Bayern explizit gesetzlich eingeschränkt. Ziel war, die Aufgaben auf leistungsfähigere Körperschaften zu übertragen (die kommunalen Wasserversorger), um Synergien und Effizienz zu schaffen und die Wasserwirtschaft zu optimieren, insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel und Extremwetterereignisse.
Das StMUV selbst beurteilt diese vorgesehenen Änderungen durchaus kritisch: „Aus Sicht des StMUV würde der Aufbau einer neuen Bewässerungsinfrastruktur, die auf der Entnahme von Grundwasser basiert, im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels erhebliche Risiken erzeugen.“ (vgl. Drs. 18/29578, https://www.bayern.landtag.de/intranet/ElanTextAblage_WP18/Stellungnahme/StMUV/18_29571_20231004_VZ_0.pdf)
Ein paar interessante Zahlen:
- Massiver Personalmangel an den Wasserwirtschaftsämtern, die die Tätigkeiten der Wasser- und Bodenverbände kontrollieren sollen:
- seit dem Jahr 2000 wurden durch die Bayerische Staatsregierung fast ein Drittel der Ämter und der Stellen dort gestrichen
- Abbau von weiteren 107 Stellen bis zum Jahr 2029 (https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP19/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/19_0003238.pdf)
- Das StMUV selbst spricht von „über die bereits genannten Ressourcen einen erheblichen weiteren Bedarf an Personal und Haushaltsmitteln“, falls ein Ausbau der Unterstützung überbetrieblicher Bewässerungsinfrastruktur vorgesehen ist. Aber bereits die bestehenden Aufgaben sind nicht zu schultern: „Es wird jedoch zunehmend deutlich, dass dazu die vorhandenen Stellen und Mittel nicht ausreichen. Eine erste Schätzung im Jahr 2022 hat ergeben, dass jährlich bis zu rd. 560 Mio. Euro und etwa 500 Stellen allein im Bereich der Wasserwirtschaft erforderlich sind.“ (https://www.bayern.landtag.de/intranet/ElanTextAblage_WP18/Stellungnahme/StMUV/18_29571_20231004_VZ_0.pdf, S. 14 und S. 16)
- Der gesamte Frischwasserverbrauch in Bayern lag 2019 bei 2,6 Milliarden Kubikmetern (https://www.statistik.bayern.de/presse/mitteilungen/2024/pm252/index.html; es gibt keine aktuelleren Zahlen)
- Laut BBV liegt der Anteil der Landwirtschaft daran bei 1,7 % (https://www.bayerischerbauernverband.de/Wassercent). Das Landesamt für Statistik spricht hier von „soweit erfasst". Da vieles nicht erfasst wird, liegt die tatsächliche Entnahme für landwirtschaftliche Zwecke im Dunkeln.
- Derzeit werden über 90 % des Trinkwassers in Bayern aus Grundwasser gewonnen (https://www.lfu.bayern.de/wasser/grundwassersituation_bayern/index.htm )
- Die Grundwasserneubildungsrate aus Niederschlag im Mittel in den Jahren 2015 bis 2019 hat im Vergleich zum Mittel der Jahre 1971 bis 2000 um über 26 Prozent abgenommen (siehe Drs. 18/10490 und AzP 18/16598)