Sozialpolitik

Prostitutionsschutzgesetz in Bayern

Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter schützen, Zwangsprostitution und Menschenhandel abwehren!

10. Februar 2023

Diese Woche wurde unser Antrag „Prostitutionsschutzgesetz in Bayern: Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter schützen, Zwangsprostitution und Menschenhandel abwehren!“ im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie des Bayerischen Landtags beraten. Wir GRÜNE fordern die Staatsregierung auf, zielgerichtet gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel anzukämpfen. Die Sicherheit und der Schutz der in Bayern tätigen Sexarbeiter*innen soll mit den notwendigen Rahmenbedingungen sichergestellt werden. Diesen Antrag haben wir im Nachgang zu einer Anhörung im Ausschuss am Donnerstag, den 12. Mai 2022 erarbeitet. Diese Anhörung untersuchte die Situation von Sexarbeiter*innen in Bayern und wurde von uns GRÜNE gemeinsam mit der FDP-Fraktion beantragt.

Das Prostituiertenschutzgesetz trat am 1. Juli 2017 in Kraft und hat das Ziel, Mindestvorgaben zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Prostituierten zu schaffen. Das Gesetz beabsichtigt zudem die Verhinderung von organisierter Kriminalität, Menschenhandel und die Ausübung eines Zwangs in der Prostitution und nimmt die Länder in die Pflicht, entsprechende Maßnahmen zu erlassen. Ab Juli 2022 soll das Gesetz auf Bundesebene evaluiert werden. Diese Evaluation soll spätestens bis Juli 2025 in einem Bericht zusammengetragen werden.

Konkret schlagen wir den flächendeckenden Ausbau von Beratungsstellen für Sexarbeiter*innen vor, mittelfristig braucht es mindestens eine Anlaufstelle pro Regierungsbezirk. Aktuell gibt es lediglich zwei staatlich geförderte Beratungsstellen für Sexarbeiter*innen, in München und in Nürnberg. Prostituierte sind aber auf allen bayerischen Regierungsbezirken verteilt. In dem Sinne braucht es auch aufsuchende Aussteigs-, Gesundheits- und Anzeigeprogramme wie sogenannte „Streetwork“. Die aufsuchende Kontaktaufnahme von den Fachkräften mit Sexarbeiter*innen „auf der Straße“ bzw. in ihren Arbeitsstätten ist wichtig, um Frauen zu erreichen, die nicht von selbst auf die vorhandenen Stellen zugehen. Ein niedrigschwelliger Zugang wird durch mehrsprachige, barrierefreie, vorurteilsfreie und stigmatisierungsfreie Angebote im Arbeitsumfeld der Sexarbeiter*innen sichergestellt. Aus unserer Sicht soll eine staatliche Förderung aufgesetzt werden, um diese Strukturen einerseits zu verfestigen sowie dort auszubauen, wo es sie noch nicht gibt. Deshalb haben wir parallel zu unserem Forderungskatalog einen entsprechenden Änderungsantrag für den aktuellen Haushaltsplan 2023 eingereicht. Dieser Antrag wird im Rahmen der anstehenden Haushaltsverhandlungen beraten.

Aus der Diskussion im Rahmen der Anhörung kristallisierte sich der Bedarf heraus, dass die betroffenen Ämter, vor allem die Kreisverwaltungsreferate und Gesundheitsbehörden, für den Umgang mit Sexarbeiter*innen geschult werden, um fachgerecht und vorurteilsfrei diesen Personen helfen zu können. Deshalb wollen wir verpflichtende Schulungen für die betroffenen Mitarbeiter*innen einführen. Wir möchten auch den Gewaltschutz von in der Prostitution tätigen Personen deutlich verbessern. Wir GRÜNE wollen Schutzräume schaffen, damit diese Frauen und Männer sichere Zufluchtsorte bekommen.

Auch bei der gesundheitlichen Versorgung von Sexarbeiter*innen gibt es Luft nach oben. Im Rahmen der Anhörung wurde auf ein zentrales Informationsangebot verwiesen, der „Rote Stöckelschuh“, wo sexarbeiter*innenfreundliche Anlaufstellen in der ganzen Bundesrepublik und inzwischen auch in Bayern aufgezeigt werden. Ein solches Informationsangebot hilft Sexarbeiter*innen dabei, geeignete und unvoreingenommene gesundheitliche Versorgung in Anspruch nehmen zu können. Oft sind Sexarbeiter*innen Vorurteilen, Bevormundung und Stigmatisierung ausgesetzt, die sogar dazu führen, dass sie nicht zum Arzt gehen, auch wenn es dringend nötig ist. Deshalb müssen solche Informationsangebote, die auf Spenden angewiesen sind, staatliche Förderung erhalten, damit ihre Arbeit gesichert und somit die gesundheitliche Versorgung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern verbessert wird.

In der Anhörung wurde über die Schwierigkeiten für die Polizei bei der Ermittlung und Aufdeckung von Zwangsprostitution und Menschenhandel gesprochen, u. a. wegen fehlender Kooperationsbereitschaft der betroffenen Frauen (z.B. aus Angst oder Unsicherheit). Ein besprochener Ansatz war, dass die Zivilgesellschaft, d. h. die Beratungsstellen und sog. Streetworker*innen, die mehrsprachig aufgestellt und teilweise besser als die Polizei in der Lage sind, vertraute bzw. persönliche Beziehungen mit den Frauen aufzubauen, ihre Erfahrungen und Expertise einbringen könnten, um den Ämtern sowie die Polizeibeamt*innen zu unterstützen. Vorstellbar wären gemeinsame Besuche der Zivilgesellschaft und Polizei an den entsprechenden Stätten sowie eine Beratung der Polizei durch diese Zivilgesellschaft. Einschlägige Kooperationsmodelle sollen entwickelt werden.

Die bayerische Justiz hat seit Oktober 2021 eine Spezialabteilung „Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zuhälterei“ bei der Staatsanwaltschaft München I. Inzwischen ist über ein Jahr vergangen, deshalb wollen wir GRÜNE, dass dem Landtag über die bisherige Arbeit und die bisherigen Erfahrungen der Spezialabteilung Bericht erstattet wird. Vor allem soll auf die Frage eingegangen werden, inwiefern diese Spezialabteilung für andere Städte infrage kommt, bzw. ob eine Weiterentwicklung hin zu einer Spezialeinheit der Justiz sinnvoll wäre, um eine entsprechende Schwerpunktstaatsanwaltschaft für ganz Bayern zu etablieren. Unser Antrag wurde als Ganzes von den Regierungsfraktionen abgelehnt, das war allerdings der einzige Punkt, dem die Regierungsfraktionen zugestimmt haben. Wir werden darauf achten, dass der Bericht zeitnah erstattet wird. Im Rahmen der Anhörung wurden fürchterliche Situationen beschrieben, in denen die meistens Frauen ohne Ausweg gezwungen werden, als Prostituierte zu arbeiten. Zusätzlich wurde die Problematik geschildert, dass die Zahl der Betroffenen ein enormes Dunkelfeld abbildet. Hier müssen wir gegensteuern, unsere bisherigen Kapazitäten überprüfen und gegebenenfalls nachsteuern. Ein „weiter so“ ist nicht hinnehmbar! Deshalb schlagen wir zusätzlich eine jährliche Überprüfung der Kapazitäten der Bayerischen Polizei vor, ob sie zur Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausreichen. Das Aufdecken und Verhindern von Zwangsprostitution und Menschenhandel muss an oberster Stelle stehen!

Wir GRÜNE möchten evidenzbasierte politische Entscheidungen treffen können. Dafür braucht es genauere Datengrundlagen, statt Schätzungen und Verweise auf kollidierende Dunkelfeldziffern. Eine standardmäßige Erhebung von Zahlen und wissenschaftliche Auswertung gibt es aktuell nicht in Bayern. Das macht eine belastbare Analyse der vermeintlich freiwilligen und unfreiwilligen Prostitution schwierig. Für Bayern liegt die Zahl wohl zwischen der offiziellen Statistik von ca. 4 000 gemeldeten Prostituierten und einem großen Dunkelfeld von mehr als 14 000. Deshalb möchten wir GRÜNE, dass ein jährliches Monitoring durchgeführt werden, um endlich konkrete Zahlen für Bayern zu erfassen und den dringend notwendigen Überblick der Lage zu verschaffen. Im Rahmen der Beratung führte die CSU aus, dass ein solches Monitoring wünschenswert wäre, aber nicht so einfach umzusetzen sei. Bereits vor ein paar Jahren wurde versucht, Daten zu erheben, dies erwies sich aber als schwierig, sodass keine konkreten Schätzungen getroffen werden konnten. Die CSU hat zwar das Problem erkannt, lehnt aber unseren Vorschlag ab, ohne eine Alternativlösung vorzulegen. Sich damit zufriedenzustellen und zu behaupten, man hat es ja schon versucht, auch wenn ohne Erfolg, ist kein gewinnbringender Ansatz für die Lösung komplizierter Probleme.

Die letzte Forderung in unserem Antrag umfasst ein Prüfauftrag an die Staatsregierung, ob im Rahmen kommunaler Verordnungen oder anderer Wege es Möglichkeiten gibt, in Sperrbezirken den Freiern zu untersagen, zu Sexarbeiter*innen Kontakt aufzunehmen, um sexuelle Handlungen gegen Entgelt zu vereinbaren und bei Zuwiderhandlung ein Bußgeld zu verlangen. Zu diesem Punkt konnte das Innenministerium im Rahmen der Ausschusssitzung keine Auskunft erteilen, kündigte aber an, nachzuliefern.

Auch wenn unser Antrag von den Regierungsfraktionen CSU/FW abgelehnt wurde, kündigten sie ein paar Fortschritte an. Zum Beispiel wird die Schaffung gesonderter Schutzräume geprüft und ein Ausbau der Beratungsstellen vorgesehen. Wir werden diese Ankündigungen eng verfolgen und auf die tatsächliche Umsetzung pochen. Auf jeden Fall bleiben wir an diesem Thema dran. Denn die Personen, die hier in Bayern in der Prostitution tätig sind, brauchen unsere Aufmerksamkeit und unsere Unterstützung.