Religionen und Weltanschauungen

Sexualisierte Gewalt in den Kirchen aufarbeiten

Antrag auf Anhörung zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen in der Kirche

09. Dezember 2021

Die Dimensionen sexualisierter Gewalt an Minderjährigen durch Geistliche und andere Beschäftigte der katholischen Kirche, die in den letzten Jahren aufgedeckt wurden, sowie das Ausmaß der Vertuschung haben bei vielen Menschen in Bayern Bestürzung hervorgerufen. Jetzt braucht es eine unabhängige Aufarbeitung, effektive Ahndung der Straftaten und ausreichende Wiedergutmachung für die Opfer. Dafür haben wir diese Woche den CSU-Justizminister in den Landtag zum Bericht einbestellt. Und wir haben eine von der katholischen Kirche unabhängige Aufarbeitung gefordert.

Die bayerische Justiz hat sich bei der Aufklärung sexualisierter Gewalt in den Kirchen lange Zeit nicht mit Ruhm bekleckert. Das hat zuletzt ein im Januar 2022 veröffentlichtes, vom Erzbistum München und Freising in Auftrag gegebenes anwaltliches Gutachten vor Augen geführt. Mindestens 497 Kinder und Jugendliche sind laut der Studie zwischen 1945 und 2019 im Bistum von Priestern, Diakonen oder anderen Mitarbeitern der Kirche sexuell missbraucht worden. Auf viele dieser Vorfälle hat das Erzbistum nicht angemessen reagiert, insbesondere durften etliche Priester weiterarbeiten. Auf die bayerische Justiz warf das Gutachten den Verdacht, dass sie die katholische Kirche lange Zeit teils mit Samthandschuhen angefasst hat. Unter anderem wurde aufgedeckt, dass sich Vertreter des Erzbistums bis zum Jahr 2000 in Einzelfällen bei der Justiz für auffällig gewordene Priester erfolgreich einsetzen konnten.

Daher hat diese Woche auf grünen Antrag hin der CSU-Justizminister im Rechtsausschuss des Landtags erklären müssen, welche Versäumnisse es insbesondere bei den Staatsanwaltschaften gab. Der derzeitige Minister ist anders als seine Amtsvorgänger*innen zwar verstärkt um Aufklärung bemüht. In seinem Bericht fand sich aber so gut wie kein Wort der Selbstkritik an der bayerischen Justiz und bisherigen CSU-Justizminister*innen wegen des Umgangs mit den Missbrauchsfällen in der Vergangenheit.

Im Mittelpunkt des Ministerberichts standen vor allem die letzten 12 Jahre. Bereits im Jahr 2010 hatte das Erzbistum München und Freising als erste deutsche Diözese überhaupt ein unabhängiges Missbrauchsgutachten erarbeiten lassen. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft 9 Jahre gebraucht, bis zum Jahr 2019, eh sie sich das vollständige Gutachten vom Erzbistum hat übergeben lassen, um Ermittlungen einzuleiten. Der Justizminister hat das diese Woche als einen Fehler der Staatsanwaltschaft eingestanden. Nach 2019 kam es auf Grund des Gutachtens zu keiner Verurteilung, weil die Vorwürfe nach Angaben der Staatsanwaltschaft strafrechtlich nicht stichhaltig waren, die Taten verjährt bzw. die Tatverdächtigen auch schon verstorben waren.

Die Staatsanwaltschaften verlassen sich in den Missbrauchsfällen bis heute oftmals auf die Kooperationsbereitschaft der Bistümer, statt rechtzeitig eigene Ermittlungen anzustellen. Und das obwohl bekannt ist, dass in der katholischen Kirche seit langer Zeit Missbrauchsfälle vertuscht wurden und auch in den letzten Jahren immer wieder neue Taten ans Licht kamen.

Die Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt in der katholischen und evangelischen Kirche ist aktuell den Kirchen überlassen. Das gilt sowohl für den institutionellen und gesellschaftlichen Reflexionsprozess als auch für die individuelle Bewältigung von Missbrauchstaten durch die Betroffenen. Das kritisieren wir Landtags-Grüne. Denn diese Form der Aufarbeitung durch die Kirchen ist nicht unabhängig. Und sie führt bei den Opfern regelmäßig zu erheblichen Belastungen und einer Retraumatisierung.

Wir wollen daher eine von den Kirchen weitgehend unabhängige, transparente und partizipative Aufarbeitung, die zudem demokratisch legitimiert und kontrolliert ist und damit rechtstaatlichen Grundsätzen genügt. Dafür braucht es entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen.

Auf einen grünen Antrag hin hat der Rechtsausschuss des Landtags diese Woche – gegen die Stimmen von CSU und FW – eine Sachverständigenanhörung zu dem Thema beschlossen. Diese wird voraussichtlich im April 2023 stattfinden. Wir wollen von den Expert*innen erfahren, welche Optionen der Freistaat Bayern hat, um für eine von den Kirchen unabhängige Aufarbeitung zu sorgen. Bereits heute fordern wir eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche und die Einrichtung einer Ombudsstelle für Betroffene und deren Angehörige.

Unsere Anträge aus dieser Woche: