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Wohnbau und Flächensparen – zwei Seiten derselben Medaille

Studie „Flächensparen und Wohnraumversorgung“ und grüner 10-Punkte-Plan

12. November 2021

Hintergrund:
Bayern gehört bundesweit zu den Spitzenreitern beim Flächenverbrauch (Link). 11,6 Hektar (= etwa 16 Fußballfelder) Äcker, Wiesen und Wälder verschwinden in Bayern täglich unter Beton und Asphalt. Besonders besorgniserregend: Der Flächenverbrauch ist im Jahr 2020 nicht zurückgegangen, sondern sogar angestiegen. Zum Vergleich: 2019 lag der Verbrauch bei 10,8 Hektar täglich, 2018 waren es 10 Hektar. Den größten Anteil am Flächenverbrauch im Jahr 2020 haben Wohnbauflächen mit 1.723 Hektar (+ 0,8 Prozent) (Link). Damit ist der aktuelle Verbrauch mehr als doppelt so hoch als die fünf Hektar Fläche pro Tag, die die Staatsregierung anstrebt. Ludwig Hartmann: „Nach Jahrzehnten des politischen Laissez-faire und der maximalen Unverbindlichkeit bei Flächensparvorgaben brauchen wir endliche einen Pflichtwert, statt weiter einen freiwilligen Richtwert für den Flächenverbrauch in Bayern. Fünf Hektar pro Tag sind genug für eine gesunde Entwicklung unserer Städte und Dörfer und gerade noch verträglich für unsere Natur und das bayerische Landschaftsbild. Mit einer Politik, die denkt bevor der Bagger kommt, bringen wir den verantwortungsvollen Umgang mit der begrenzten Ressource Boden und eine gesunde Entwicklung unserer Dörfer und Städte zusammen.“
Gleichzeitig mangelt es in Bayern an Wohnraum – vor allem in Städten und Ballungsräumen, aber „auch im ländlichen Raum, dort fehlt vor allem ein vielfältiges Wohnungsangebot für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und Lebensphasen“, so der wohnungspolitische Sprecher Jürgen Mistol. So verkennt CSU-Bauministerin Schreyer mit ihrem pauschalen Ruf nach „Bauen, Bauen, Bauen“, dass es zum einen in Bayern starke regionale Unterschiede gibt, zum anderen insbesondere in Teilmärkten große Defizite vorhanden sind. Auch wenn sich die Wohnungsbaugenehmigungen in den letzten Jahren auf „Rekordkurs“ befinden – Anstieg 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 7,1 Prozent: Eine Baugenehmigung ist noch längst keine bezugsfertige Wohnung. Entscheidend ist, wo und was gebaut wird. Die größten Steigerungen bei den Baufreigaben verzeichnen Ein- und Zweifamilienhäuser, während die Zahl der öffentlich geförderten Mietwohnungen auf niedrigem Niveau stagniert. Jürgen Mistol: „Die wohnungspolitischen Probleme im Freistaat werden durch diese Politik der rosaroten Brille nicht gelöst.

Die Ansprüche der Menschen an Wohnen, Leben und Arbeiten sind heute deutlich vielfältiger. Eine rasterartige angelegte und monotone Neubausiedlung auf der grünen Wiese wird diesen nicht gerecht. Wir wollen weg vom Donut-Effekt, hin zum gut gefüllten Krapfen. Im Kern entfaltet sich doch die Süße des Lebens!“
Die von den Landtags-Grünen in Auftrag gegebene Studie „Flächensparen und Wohnraumversorgung“ kommt zu dem Ergebnis: Das Ziel, die Flächenneuinanspruchnahme auf fünf Hektar pro Tag zu reduzieren, ist mit dem Ziel, ausreichend Wohnraum zu schaffen, vereinbar. Dafür muss der Vorrang auf Innenentwicklung, maßvolle Nachverdichtung – auch durch Einbezug der vertikalen Dimension – und flächensparendes Bauen in allen Städten und Gemeinden zur Routine und obersten Prämisse werden. „Wir wollen, dass Bayern sein Gesicht behält. Deshalb wollen wir langfristig von „Innen vor Außen“ zu „Innen statt Außen“ gelangen“, so Ludwig Hartmann: „Das auf dem ersten Blick unlösbare Dilemma enträtseln wir mit unserem 10-Punkte-Plan, der Flächensparen und Wohnbau in Einklang bringt.“


Grüner 10-Punkte-Plan:

  1. Um eine nachhaltige Bereitstellung der für bauliche Zwecke benötigten Fläche zu erreichen, muss ein bayernweites Flächen- und Innenentwicklungsmanagement etabliert und staatlich gefördert werden. Dazu gehört die Einrichtung von Agenturen für Innenentwicklung auf Landkreisebene, die Kommunen bei der Mobilisierung von Potenzialen unterstützt, einen interkommunalen Ansatz verfolgt und als „Scharnier“ zur Regionalplanung bzw. den Bezirksregierungen fungiert.
  2. Das rechtliche Instrumentarium zur Mobilisierung von Innenentwicklungspotenzialen wird nur sehr selektiv genutzt. Sei es aufgrund der komplexen Verfahren oder damit verbundener Eingriffe ins Eigentum. Deshalb braucht es Unterstützung bei der Anwendung planungsrechtlicher Instrumente, ergänzt durch Fortbildungsangebote für Verwaltungen. Das gilt auch für die Erstellung von Bebauungsplänen im Innenbereich als wichtiges Instrument zur geordneten Nachverdichtung, da die Planung im bestehenden Baurecht zeit- und kostenintensiver ist.
  3. Die Entbürokratisierung der Baugesetze und die Abschaffung der Ortsplanungsstellen bei den Regierungen hat zu einem Verlust an Baukultur geführt. Um die Kommunen bei der Erstellung ihrer Flächennutzungs- und Bebauungspläne beraten zu können, sollten die Ortsplanungsstellen bei den Regierungen wiederbelebt und die Genehmigung der Bauleitpläne wieder auf Ebene der Regierungsbezirke verlagert werden.
  4. Die Bereitstellung von angemessenem und dauerhaft preisgebundenem Wohnraum spiegelt den Wunsch breiter Bevölkerungsschichten wider und ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt von großer Bedeutung. Die Herausforderung ist es, bedarfsgerechten Wohnraum mit der Reduktion der Flächenneuinanspruchnahme zu vereinbaren. Hier braucht es ein Angebot vielfältiger und dauerhaft preisstabiler Wohnungen, das den Bedürfnissen einer modernen, sozial- und umweltgerechten Gesellschaft entspricht. Dazu gehört:
    • Ausweitung des öffentlichen geförderten Mietwohnungsbaus
    • Förderung von Genossenschaften und neuen Wohnformen
    • Förderung kommunaler Wohnungsbau
    • Innentwicklungs- und Leerstandsbonus bei der Eigenheimförderung
  5. Die bisherige Strategie der Staatsregierung, beim Flächensparen auf weiche Ziele und Freiwilligkeit zu setzen, trägt nicht zur Reduzierung des Flächenverbrauchs bei. Im Gegenteil: der Flächenverbrauch nimmt wieder zu. Für einen baukulturellen Pfadwechsel braucht es eine planerische Rahmensetzung. 5 Hektar ist als verbindliches Ziel im Landesplanungsgesetz auszuformulieren und mit einem zeitlichen Horizont zu versehen. Bis 2026 muss die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme verbindlich reduziert und bis 2050 eine Flächenkreislaufwirtschaft etabliert werden.
  6. Hierfür ist die Schaffung einer belastbaren Datenbasis notwendig. Um die Innenentwicklungspotenziale zu erfassen und zu pflegen, soll das Rauminformationssystem Bayern (RISBY) zu einem Flächenmonitoringsystem ausgebaut werden. Diese Datenbasis ist die Grundlage für eine regionale Strategie zur Reduktion der Flächeninanspruchnahme und sollten den Kommunen als Grundlage für das Innenentwicklungsmanagement zur Verfügung stehen.
  7. Um einen kulturellen Wandel im Umgang mit Fläche anzustoßen, muss basierend auf der Regionalplanung und unter Einbezug regionaler Wohnraumbedarfsanalysen die Errechnung indikativer Richtgrößen („Wege zu einem besseren LEP“; 50 Prozent, Kommune 50 Prozent regionales Entwicklungskonzept) zur Einhaltung des 5ha-Ziels und als Voraussetzung für die Zuteilung von Flächenkontingenten vorgenommen werden.
  8. In Räumen mit heute und in Zukunft stagnierender oder schrumpfender Bevölkerung sollen Anreize geschaffen werden, bestehendes Bauland zurückzunehmen. Dies soll mittels einer staatlichen Flächenbank mit „Kontosystem“ geschehen, um den Grundstein für eine Flächenkreislaufwirtschaft zu legen.
  9.  Zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen ist eine intensive Kooperation aller Beteiligten unerlässlich, um neben der notwendigen Rahmensetzung auch Beteiligung und Verhandlung zu gewährleisten. Die Regionalplanung ist dafür die geeignete Ebene, da sie zudem kommunal verfasst ist. Die Regionalplanung ist folglich institutionell und personell zu stärken, um den Prozess der Verteilung von Flächenkontingenten sowie die Ermittlung der Wohnflächenbedarfe zu organisieren.
  10. Die Veränderung im Umgang mit Flächen und Bauformen braucht neben konkreten administrativen Maßnahmen vor allem einen kulturellen Wandel. Dies kann nur durch einen gesellschaftlichen Diskurs geschehen, der verlässliche Rahmenbedingungen erzeugt, Vorbehalte abbaut und konstruktive Lösungen erarbeitet. Dieser Transformationsprozess braucht neue Formen der Partizipation und des Aushandelns, beispielsweise in Form eines Runden Tisches.

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