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Gemeinsam stark starten – eine Vorschule für alle

Landtags-Grüne legen neues Bildungskonzept fürs letzte Kindergartenjahr vor. Denn Studien zeigen: Diese Phase ist als Lernzeit für Kinder äußerst bedeutsam.

29. April 2025

Problem: Kompetenzen bei Bayerns Schülerinnen und Schülern werden immer schlechter.

Nicht nur die PISA-Ergebnisse für Deutschland sind schockierend, auch der IQB-Trend, der das Leistungsniveau der Schüler*innen in den einzelnen Bundesländern deutlich macht, zeigt: Die Kompetenzen bayerischer Schüler*innen sind in den letzten Jahren in mehreren Bereichen stark rückläufig. Ein besonders alarmierender Trend ist im Fach Deutsch erkennbar. Der Anteil der Neuntklässler*innen in Bayern, die im Kompetenzbereich Lesen den Mindeststandard für den Mittleren Schulabschluss (MSA) nicht erreichen, hat sich nach Angaben der Staatsregierung auf eine Anfrage der Landtags-Grünen von 18,3 % (2015) auf 26,6 % (2022) erhöht. Noch gravierender ist die Entwicklung im Kompetenzbereich Zuhören: 2022 verfehlten 27,9 % der Schüler*innen den Mindeststandard für den MSA – fast eine Verdoppelung gegenüber den 14,4 % im Jahr 2015. Und in der Rechtschreibung hat sich die Anzahl derjenigen, die den Mindeststandard nicht mehr erreichen, in den sieben Jahren sogar mehr als verdoppelt – von 8,2 % (2015) auf 17,0 % (2022). 

Auch im internationalen Vergleich sind die schulischen Startbedingungen in Deutschland sehr ungleich, weil sie deutlich stärker von der sozialen Herkunft abhängen, als dies in anderen Ländern mit mehr frühkindlichen Bildungsangeboten der Fall ist. Das zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in Kooperation mit der Universität Leipzig. Die Reaktionen der Bayerischen Staatsregierung auf diesen Abfall der Leistungsstandards sind nicht zielführend: Zum einen wurden in den Grundschulen statt einer Erhöhung der Wochenstundenzahl die kreativen Fächer zugunsten von Deutsch und Mathematik zusammengestrichen – obwohl gerade diese Fächer in der Entwicklung eine große Rolle spielen. Zum anderen wird durch die Deutsch-Pflichttests in den Grundschulen, die die Staatsregierung eingeführt hat, nicht ein Kind besser Deutsch lernen. Denn für die nötige Sprachförderung aller Kinder, die sie brauchen, hat die Staatsregierung immer noch keinen Plan vorgelegt. 

Landtags-Grüne fordern, gegenzusteuern: mit einer Vorschule für alle Kinder – für mehr Chancengerechtigkeit 

Damit alle Kinder faire Startchancen erhalten, wollen die Landtags-Grünen künftig eine täglich vormittags stattfindende Vorschule im letzten Kindergartenjahr einführen. Die Kinder sollen in dieser Vorschule kindgemäß mit allen Sinnen lernen. Sie soll ein Ort der informellen und non-formalen Bildung sein und die Chancengerechtigkeit damit erhöhen. Ein wichtiger Bestandteil der Vorschule ist das Spiel – Ziel ist es, einen fließenden Übergang vom lernenden Spielen zum spielerischen Lernen zu schaffen. Darauf soll auch der verbindliche Bildungsplan ausgerichtet sein, nach dem die Vorschulkinder durch extra dafür weiterqualifizierte Fachkräfte – Vorschulpädagog*innen – gefördert werden sollen. Die Vorschule soll als Bindeglied zwischen Kita und Grundschule dienen. Der Hauptfokus liegt daher auf der engen Verzahnung zwischen diesen beiden Institutionen, um den Kindern einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen – unter anderem auch, indem die Vorschulkinder das Schulgebäude, die späteren Mitschüler*innen sowie ihre künftigen Lehrkräfte kennenlernen. Ziel ist, dass alle Kinder die Chance haben, frühzeitig und kindgerecht und dennoch gezielt und verbindlich auf ihrem Entwicklungs- und 

Bildungsweg begleitet und gefördert zu werden – unabhängig von ihrer individuellen Ausgangslage. Das bedeutet konkret: Alle Kinder, die ein Jahr vor ihrer regulären Einschulung einen festgestellten Sprachförderbedarf haben, besuchen regelmäßig kostenlos vormittags die Vorschule. Und alle anderen Kinder ohne Sprachförderbedarf haben ein Recht darauf, kostenlos an der täglichen Vorschule teilzunehmen und gemeinsam in der Gruppe auf die Einschulung vorbereitet zu werden. 

Fehlende Kompetenzen bei der Einschulung können weitreichende Folgen haben 

Das Vorschulkonzept der Landtags-Grünen ist ein eigenständiges Element frühkindlicher Bildung, das den Übergang von Kindergarten zur Schule auf vielfältige Weise unterstützen kann: ob im sozial-emotionalen Bereich (Frustrationstoleranz aufbauen, Zuhören üben, Empathie erlernen), ob in Bezug auf sprachliche Fähigkeiten, die gezielt gefördert werden können, oder etwa bei Defiziten der feinmotorischen (Hand-)Bewegungen, die ebenso Voraussetzung sind für einen guten Start in der Schule (zum Schreiben lernen, selbständig Schuhe binden/Jacke schließen/Brotdose öffnen). 

Die tägliche Vorschule für alle sorgt damit insgesamt für einen besseren Start in der Schule und insbesondere für mehr Chancengerechtigkeit für all jene, die durch ihr Elternhaus nicht so intensiv gefördert werden können wie andere Kinder. Dies ist besonders wichtig, denn geringere Kompetenzen bei der Einschulung können weitreichende Folgen haben: Sie erschweren nicht nur den Bildungsweg der Kinder, sondern verringern auch später deren berufliche Chancen und Einkommensperspektiven. Auch aus Sicht der Wirtschaft ist Handeln erforderlich. So berichtete etwa das ifo-Institut von einer Gefährdung des wirtschaftlichen Wohlstands durch den PISA-Absturz und rechnete Ende 2023 vor, der Rückgang der schulischen Kompetenzen kann Deutschland langfristig rund 14 Billionen Euro an Wirtschaftsleistung bis zum Ende des Jahrhunderts kosten. 

Bayern kann es sich schlicht nicht leisten, auf kluge Köpfe und fähige Hände zu verzichten. Der Grundstein für Bildung wird schon vor der Schule gelegt; Studien zeigen, wie bedeutsam diese Phase als Lernzeit für Kinder ist, Forschende betonen immer wieder die zentrale Rolle frühkindlicher Förderung. Die Staatsregierung muss daher mehr kostenfreie und qualitativ hochwertige Bildungsangebote für alle Kinder und eine gezielte Unterstützung sozial benachteiligter Kinder bereitstellen, das fordern die Landtags-Grünen seit vielen Jahren. 

Download als PDF: Konzeptpapier

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen: 

„Das nächste Wirtschaftswunder beginnt in der Kita: Denn gute frühkindliche Bildung schafft mehr Chancengerechtigkeit für die Kinder und stellt die Weichen für die weitere Entwicklung – eine wichtige Voraussetzung für einen Know-How- und High-Tech-Standort wie Bayern, der auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Fachkräfte-Nachwuchs braucht. Es ist unsere Aufgabe als Gesellschaft, jedem Menschen zu seiner bestmöglichen Bildung zu verhelfen. Mit dem Recht auf Vorschule werden die Kinder auf einen möglichst optimalen Start in der Grundschule vorbereitet. Vor allem aber stellt diese Vorschule sicher, dass all diejenigen, die nicht bereits von Haus aus in der Familie gefördert werden, bessere Chancen haben, in der Schule mitzukommen.“ 

„Viele Kinder starten mit Schwierigkeiten in die erste Klasse – sie können sich kaum länger konzentrieren, tun sich mit dem Zuhören schwer oder haben Probleme mit einfachen Alltagsbewegungen, etwa, wenn sie den Reißverschluss ihrer Jacke zumachen sollen. Auch sprachlich gibt es oft große Unterschiede. Genau hier setzt das Recht auf die tägliche Vorschule an: Sie hilft Kindern, Frustrationstoleranz aufzubauen, Empathie zu entwickeln und ihre feinmotorischen Fähigkeiten zu stärken – alles Voraussetzungen, um später in der Schule erfolgreich zu lernen.“ 

Gabriele Triebel, Sprecherin für Bildung der Landtags-Grünen: 

„Für uns Landtags-Grüne ist klar: Sprache ist der Schlüssel für den Erfolg in Schule und Beruf. Nur durch eine umfassende Sprachförderung kann Kindern der Weg ins Leben hier in Bayern geebnet werden. Leider hat die Staatsregierung das bis heute nicht hinbekommen – sie hat mit den neuen Sprachtests ein Bürokratiemonster erschaffen, den Kindern aber keine einzige zusätzliche Förderstunde gegeben. Dabei müssen die Lern- und Förderangebote massiv ausgebaut werden – und zwar für alle Kinder. Denn Kinder lernen von und mit anderen Kindern am besten!“ 

„Mit einer täglichen Vorschule für alle Kinder schaffen wir mehr Chancengerechtigkeit – statt nur zu testen, ob Kinder fit für die Schule sind, wollen wir sie fit machen. Wir brauchen endlich ein verlässliches System früher Bildung, das jedes Kind in seiner Entwicklung ernst nimmt – unabhängig von Herkunft oder Wohnort. Die Vorschule ist ein erster, aber entscheidender Baustein dafür.“ 

Martin Goppel, Vorsitzender der Katholischen Erziehergemeinschaft in Bayern (KEG): 

„Wir wissen aus der Praxis: Der Übergang von der Kita in die Grundschule ist für viele Kinder eine entscheidende Weichenstellung – und oft eine unnötig große Hürde. Es ist höchste Zeit, dass Kita und Schule stärker zusammengedacht und systematisch miteinander verzahnt werden. Das Vorschulkonzept der Grünen-Fraktion in Bayern geht genau diesen Schritt: Es baut Brücken zwischen den Bildungswelten und schafft für jedes Kind – unabhängig von Herkunft oder sprachlichen Voraussetzungen – verlässliche, kindgerechte Startbedingungen.“ 

„Frühkindliche Bildung braucht Qualität, keine Symbolpolitik. Die geplante Vorschule setzt dort an, wo Bildung beginnt – bei der Persönlichkeit des Kindes. Dass dafür neue Weiterbildungs- und damit Aufstiegsmöglichkeiten für pädagogische Fachkräfte geschaffen werden sollen, etwa zur Vorschulpädagogin, ist ein starkes Zeichen für Professionalität und Aufwertung des Erzieherberufs.“