No limits! – barrierefrei in Bayern

Bayern soll bis 2023 barrierefrei sein - das war die große Ankündigung des CSU-Ex-Ministerpräsidenten Horst Seehofer im Jahr 2013. Seitdem sind fast zehn Jahre  vergangen und es zeigt sich: Dieses Ziel wird weit verfehlt. 2021 waren laut Bayerischem Sozialministerium von rund 2800 staatlichen Gebäuden lediglich etwa 53 Prozent barrierefrei zugänglich. Im Öffentlichen Nahverkehr kann die Söder-Regierung bislang nicht einmal beziffern, wie viele der beispielsweise 40.000 Bushaltestellen in Bayern überhaupt barrierefrei sind (Link). Auch Barrierefreiheit bei öffentlichen Internetangeboten ist nach wie vor nicht selbstverständlich. Inzwischen rückt die Söder-Regierung selbst von ihrem großspurigen Versprechen „Bayern barrierefrei 2023“ ab. (Link)

Gründe für das Stagnieren der Barrierefreiheit in Bayern:

  1. Die Unverbindlichkeit der Gesetze und Regelungen in Bayern macht Barrierefreiheit zur Ausnahme statt zur Regel. Barrierefreiheit ist trotz der klaren Aussagen in der Regierungserklärung von 2013 Kür geblieben statt Pflicht zu werden – und kann aktuell bei finanziellen oder verwaltungstechnischen Vorbehalten auch komplett eingedampft werden.
  2. Das „Programm barrierefrei“ der Staatsregierung ist seit jeher eine Mogelpackung, denn zu einem erheblichen Anteil werden bereits beschlossene Maßnahmen und fest installierte Programme sowie Bundesmittel einfach unter einem neuen Etikett zusammengefasst. Das zeigt der Haushaltsplan 2022 mit einer Gesamtsumme von 146 Millionen Euro:
  • Rund 50 Millionen Euro sind für Investitionen in barrierefreie Busse (mit Rampe) vorgesehen – diese Ausgaben gab es schon vor dem Programm barrierefrei, sie sind nicht neu.
  • Rund 40 Millionen Euro dienen dem Bau barrierefreier Bahnhöfe – hierbei handelt es sich um Bundesmittel, die aus der SPNV-Förderung abgezweigt werden

     --> Damit bestehen 61 Prozent der Programmmittel aus schon längst beschlossenen Maßnahmen und durchgereichten Bundesmitteln. Das ehrgeizige Programm Bayern barrierefrei hätte aber enorme zusätzliche finanzielle Mittel gebraucht, sowie verbindliche, klare Ziele und Unterziele und messbare Kennzahlen. Die aber hat weder die Söder- noch die Seehofer-Regierung geliefert. 

  • Zudem: Rund 31,7 Millionen Euro sind für Investitionen in barrierefreie Neubauten bzw. den Umbau von staatlichen Gebäuden eingestellt – barrierefreie staatliche Gebäude sind keine bahnbrechende Mehrinvestition, sie sollten eine Selbstverständlichkeit sein. 
     

Kerstin Celina, sozialpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen:
„Barrierefreiheit ist die Grundvoraussetzung für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, schafft aber auch einen Mehrwert für die Gesamtgesellschaft. Barrierefreiheit macht es allen leichter - den Menschen, die alters- oder krankheitsbedingt in ihrer Mobilität und Beweglichkeit eingeschränkt sind, gennauso wie Familien mit Kinder(wägen) und Menschen, die nicht gut hören, sehen oder sonst wie eingeschränkt sind. Die traurige Realität aber ist: Den vollmundigen, großspurig angekündigten Versprechungen von 2013 sind nie echte Taten gefolgt. Eine große Mogelpackung ohne Konzept, ohne finanzielle Mittel und ohne echte Beteiligung der Betroffenen und deren Verbände. Bayern wird auch nach 2023 noch voller Barrieren sein – das wollen wir Grüne ändern. Barrierefreiheit braucht klare gesetzliche Vorgaben und Investitionen!“


Grünes „Barrierefreiheitsgesetz für Bayern“ – zentrale Eckpunkte:

1. Barrierefreiheit wird für öffentliche Stellen und Behörden des Freistaats und der Gemeinden verbindlich verankert (sog. Träger öffentlicher Gewalt).

- Die Kommunikation in einfacher und verständlicher Sprache wird von einer Soll-Vorschrift in eine verbindliche Vorgabe umgewandelt.
- Menschen mit Behinderungen erhalten auf Verlangen Schriftdokumente in “Leichter Sprache”
- Neu angeschaffte Software in Verwaltungen muss barrierefrei sein. Für bestehende Systeme gilt ebenso wie für elektronische Akten eine Übergangsfrist bis 1. Juni 2023
- Die bisherige Exit-Option, von Barrierefreiheit aus finanziellen, wirtschaftlichen oder verwaltungsorganisatorischen Gründen abzusehen, wird gestrichen.
--> Die Mehrkosten lassen sich hier kaum beziffern. Aber es gilt: je früher Barrierefreiheit umgesetzt wird, desto kostengünstiger wird es. Bei der Neuanschaffung von Software liegen Mehrkosten für barrierefreie Tools z.B. im 1%-Bereich. Ein Relaunch ist wesentlich teurer!
 

2. Fach- und Beratungskompetenzen für Barrierefreiheit werden im Freistaat aufgebaut und besser in die Praxis übersetzt (Mehrkosten: ca. 1,6 Mio. EUR jährlich)

- Das Amt des “Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung” wird gestärkt: das Amt wird beim Bayerischen Landtag und nicht wie bisher bei der Staatsregierung angesiedelt, erhält eine*n Stellvertreter*in und die Übergangszeit von einer Wahlperiode in die nächste wird geregelt, sodass künftig keine mehrmonatige Vakanz mehr entsteht.
- Eine “Landesfachstelle für Barrierefreiheit” wird gegründet: Sie berät und unterstützt die Träger öffentlicher Gewalt bei der Barrierefreiheit und unterhält Außenstellen in jedem Regierungsbezirk. Die Fachstelle berät darüber hinaus auf Anfrage auch Wirtschaft, Verbände und Zivilgesellschaft.
 

3. Die Umsetzung der Barrierefreiheit wird endlich wirkungsvoll überwacht (Mehrkosten: ca. 600.000 Euro jährlich)

- Statt wie bisher von vielen verschiedenen Stellen (Bayerisches Digitalamt, Sozialministerium, etc.) wird eine unabhängige Monitoringstelle mit der konsequenten Überwachung der Barrierefreiheit beauftragt.
- Es wird eine unabhängige und unparteiische Schlichtungsstelle eingerichtet: Eine Schlichtungsstelle vertritt unabhängig und neutral die Belange von Menschen mit Behinderung und dient als niederschwelliges Angebot zur Wahrnehmung der Rechte von Menschen mit Behinderungen.

--> Kosten in Gesamthöhe von 2,3 Millionen Euro

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen: „Die Söder-Regierung ist groß bei Ankündigungen zur Barrierefreiheit, in der Umsetzung jedoch liefert sie nicht. Wir Grüne legen deswegen einen Gesetzentwurf vor, der bis zum Ende dieser Legislaturperiode umsetzbar ist und mit dem wir vorhandene Regelungslücken schließen und verbindliche Vorgaben für Barrierefreiheit in Bayern schaffen wollen. Barrierefreiheit umfasst so viel – von der Rollstuhlrampe am Museum über Apps, die die Inhalte von Websites vorlesen, bis zu behördlichen Formularen in Leichter Sprache. Wir Grüne wollen „No limits“ für alle Bürgerinnen und Bürger in Bayern.“

Das Pressepapier gibt es hier.
Den Gesetzentwurf finden Sie hier.