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Gesundheitssystem hängt am Tropf: mehr Mut zu einfachen und digitalen Lösungen!

07. November 2025

Enquetekommission Bürokratieabbau zu Gesundheit und Pflege

Johannes Becher: „Mehr Standardisierung, Digitalisierung, Einsatz von KI-Modellen und mehr Vertrauen ins Können unserer Ärzte und Pflegeberufe. Dann kann unser Gesundheitssystem auch wieder eins der besten der Welt werden.“

„Am Impfpass erkennen wir den Digitalisierungsgrad in unserem Gesundheitssystem: Den gibt’s nämlich nach wie vor nur analog. Einmal verloren, geklaut oder Wasser drüber geschüttet und ein ganzes Impfleben ist für immer verloren“, mahnt Johannes Becher, Erster stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Landtags-Grünen und Mitglied der Enquetekommission Bürokratieabbau. „Vieles ist in den letzten Jahren vorangegangen bei der Digitalisierung im Gesundheitsbereich, zum Beispiel mit dem E-Rezept oder der elektronischen Patientenakte, aber unser System ist noch weit davon entfernt, wirklich gut vernetzt und effizient zu sein. Wie schon in vielen anderen Bereichen müssen wir gerade im Gesundheits- und Pflegebereich mit seinen enorm vielen selbstorganisierten Akteuren feststellen: Standardisierung und digitale Kommunikations- und Speicherwege sind der Schlüssel. Das Fax mit einem Befund oder der Papier-Impfpass müssen der Vergangenheit angehören. Und wenn wir es dann noch schaffen, die digital vorliegenden Daten anonymisiert auch für die medizinische Forschung in Deutschland zu nutzen, könnten wir auch viel besser Prävention betreiben und wären nicht auf Daten anderer Länder angewiesen“, so Johannes Becher weiter.

Die Enquetekommission hat am 30.10.2025 die Handlungsempfehlungen zum Bereich Gesundheit und Pflege beschlossen und jetzt veröffentlicht. Diese basieren auf intensiven Diskussionen mit externen Expertinnen und Experten sowie Berichten der Staatsregierung und wurden mehrheitlich oder einstimmig angenommen.  

Johannes Becher: „In Deutschland dürfen im europaweiten Vergleich examinierte Pflegekräfte nur relativ wenige Tätigkeiten am Patienten vornehmen, ohne zuvor einen Arzt zu konsultieren. Die deutsche Pflegeausbildung würde aber durch ihre Inhalte und Praxisanleitungen deutlich mehr erlauben. In Zeiten von Mangel an Ärzten und Pflegepersonal müssen wir dem Können unserer gut ausgebildeten Fachkräfte mehr vertrauen, um Prozesse schneller und unkomplizierter zu machen. Auch die Dokumentation der Patientenbehandlung muss einfacher funktionieren – nämlich am besten direkt digital neben dem Patienten. Unter Einsatz von datenschutzkonformer KI und Spracherkennung lässt sich hier enorm viel Schreibaufwand sparen und auch Arztbriefe können viel schneller erstellt werden. Die Verantwortung für den Inhalt verbleibt natürlich am Ende bei unseren Fachkräften.“

Mit den verabschiedeten Empfehlungen will die Enquetekommission aufzeigen, wie auch im Bereich von Gesundheit und Pflege den Handelnden wieder mehr Zeit für ihre eigentliche Tätigkeit bleibt, ohne dabei Patientenschutz und die Qualität der Behandlung zu beeinträchtigen.

Folgende Punkte aus den Empfehlungen sind den Landtags-Grünen besonders wichtig:  

  • Antragsverfahren für medizinische Hilfsmittel und Reha-Behandlungen müssen entschlackt werden – ausführliche ärztliche Begründungen für Hilfsmittel müssen wegfallen.
  • Doppelte Anzeigepflichten beim Landesamt für Gesundheit und den Gesundheitsämtern müssen gestrichen werden.
  • Klinische Studien sollten in einem bundesdeutschen Institut gebündelt und die entsprechenden Genehmigungs- und Rekrutierungsprozesse beschleunigt werden.
  • Die Ablehnung der Kostenübernahme eines Kassenrezepts durch die Krankenkassen gegenüber den Apotheken muss abgeschafft werden.
  • Für Krankenhäuser muss der Staat einheitliche IT-Schnittstellen definieren, um die digitale Vernetzung und hausübergreifende Telemedizin zu verbessern.
  • Ärztliche Atteste und Bescheinigungen für Schüler und Kindergartenkinder sollten nur noch in begründeten Ausnahmefällen angefordert werden.
  • Ambulante als auch stationäre Pflegeeinrichtungen sollten an die im haus- und fachärztlichen Bereich übliche Telematik-Infrastruktur angebunden werden.

Johannes Becher: „Bei unseren Beratungen in der Kommission hat sich immer wieder gezeigt: Das Prinzip der Selbstverwaltung erzeugt im Gesundheitsbereich extrem viele Systembrüche und geradezu absurde Kommunikations-, Melde- und Speicherwege. Das führt dazu, dass wir als Staat im Blick auf Gesundheitsdaten und Prävention quasi blind unterwegs sind und dass Missbrauch von Geldern, aber auch Fehlverhalten von Ärzten und Pflegenden in so einem komplexen System erst spät auffallen. Ohne eine bundeseinheitliche Datengrundlage werden wir weder die Kosten noch die Fälle von Missbrauch im Medizin- und Pflegebereich dauerhaft in den Griff bekommen. Bei 17 Landesärztekammern hätten wir uns als GRÜNE einen Impuls der Enquete für ein deutschlandweites Missbrauchsregister gewünscht, um den schwarzen Schafen bei Ärzten und Pflegenden endlich das Handwerk zu legen und nach einem Vorfall nicht einfach im nächsten Bundesland unbehelligt weiterarbeiten zu können.“

Die Landtags-Grünen haben auch mehrere Handlungsempfehlungen abgelehnt, da sie kein Bürokratieabbau waren oder nur Transparenz abbauen wollten.

„Von Seiten der Regierungsfraktionen die Abschaffung des Bundesklinik-Atlasses zu fordern, klingt toll – verschweigt aber, dass das gelobte Deutsche Krankenhausverzeichnis nicht unabhängig erhoben wird und dort auch weniger Daten über die Qualität für die Patienten abrufbar sind. EIN Verzeichnis statt zwei wäre absolut sinnvoll, aber dann doch bitte das unabhängige und bessere! Und auch beim Thema Arzneimittelversorgung haben die Regierungsfraktionen einen Vorschlag versteckt, der in Wahrheit nur die Umweltkosten der Produktion auf die Allgemeinheit abwälzen soll. Das als Bürokratieabbau zu labeln, ist schon dreist. Da sagen wir: Umweltziele abbauen – nicht mit uns!“, so Johannes Becher.