Kommunales | Europa | Öffentlicher Dienst

Unnötiger Briefwahl-Stress

05. August 2025

Landtags-Grüne kritisieren drastische Verkürzung der Antragsfrist für die Briefwahl bei Kommunalwahlen

Bei den am 8. März stattfindenden Kommunalwahlen in Bayern ist damit zu rechnen, dass wieder - so wie bereits bei den letzten Landtags- und Bundestagswahlen -  sehr viele Bürger*innen in Bayern per Briefwahl ihre Stimme für die Wahl ihrer Bürgermeister*innen und Landrät*innen, sowie der Mitglieder der Stadt-, Gemeinde- und Kreistage abgeben werden (2020 waren es mancherorts weit über 50 Prozent). Eine solche Briefwahl ist üblicherweise ein organisatorischer Kraftakt für die Kommunen in Bayern, bei der in kurzer Zeit Briefwahlunterlagen fristgerecht zu verschicken sind. Jetzt hat die Söder-Regierung Frist für die Erteilung der Wahlscheine und die Zusendung der Briefwahlunterlagen drastisch von 41 auf 20 Tage vor dem Wahltag am 8.3.2026 verkürzt. Das hat zur Folge, dass den Wahlbehörden, also den zuständigen Verwaltungen in den Städten, Gemeinden und Landkreisen, weniger als die Hälfte der Zeit als bei früheren Wahlen zur Verfügung steht, um die Briefwahl zu organisieren. Das betrifft nicht nur die Einwohnermeldeämter und die Postzusteller. Die Unterlagen müssen auch von den Bürger*innen rechtzeitig wieder zurückgeschickt werden, damit ihre Stimme zählt.

Diese entsprechende Rechtsänderung in der Gemeinde- und Landkreiswahlordnung wurde im Juli einseitig von der Staatsregierung auf den Weg gebracht und zwar gegen den ausdrücklichen Willen der Kommunalen Spitzenverbände. Sie haben die geplante Änderung im Vorfeld eindeutig abgelehnt.

Auf eine Anfrage von Andreas Birzele, Sprecher der grünen Landtagsfraktion für Kommunen, hat die Staatsregierung die Gründe für ihre Entscheidung mitgeteilt. Unter anderem schreibt die Staatsregierung, dass das Hauptziel sei, die „Abgabemöglichkeit der Briefwahlstimmen näher an den Wahltermin heran zu rücken, um einer zunehmenden Vorverlagerung des Wahlkampfes entgegen zu wirken.“ Außerdem schreibt die Staatsregierung: „Da Briefwähler ihre Stimme zuletzt schon deutlich vor dem eigentlichen Wahltermin abgaben, konnten sie auch nicht mehr auf aktuelle Entwicklungen reagieren.“

Johannes Becher, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Landtags-Grüne:

„Ich kann über diese massiv verkürzte Frist für die Erteilung der Wahlscheine und Briefwahlunterlagen nur fassungslos den Kopf schütteln. Dadurch werden Menschen wegen Abwesenheit, beispielsweise bei Urlaub oder Dienstreise, nicht wählen können – und das ist ein Schaden für die Demokratie.

Zudem ist es eine Zumutung für die Mitarbeitenden in den Kommunalverwaltungen und bei der Post. Obwohl immer mehr Menschen von der Briefwahl Gebrauch machen, müssen sich nun die Einwohnermeldeämter überschlagen, um in der Hälfte der Zeit die Briefwahlanträge zu bearbeiten. Für mich verliert die Staatsregierung immer mehr den Bezug zur kommunalen Praxis. Hinzu kommt, dass die Staatsregierung aus CSU und Freie Wähler einmal mehr einseitig und gegen den Willen der Kommunalen Spitzenverbände entscheidet und die kommunale Familie weiter gegen sich aufbringt. Auch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vor Ort sind sauer –und das zu Recht.“

Andreas Birzele, Sprecher für Kommunales, Landtags-Grüne:

„Die Gründe für diese Verkürzung der Frist sind für mich auch als Kommunalpolitiker nur noch realitätsfremd. Wer die Frist von 41 auf nur noch 20 Tage halbiert, weiß entweder nicht, wie Verwaltung funktioniert oder nimmt bewusst in Kauf, dass Menschen ihre Stimme nicht mehr rechtzeitig abgeben können. Das ist kein Beitrag zu fairen und freien Wahlen, sondern ein gefährliches Signal für die Demokratie. Die Menschen in Bayern wissen sehr wohl, wann und wo sie ihr Kreuzerl machen. Die Staatsregierung riskiert außerdem eine verspätete und damit ungültige Zustellung von Briefwahlunterlagen, was sich auf die abgegebenen Stimmen auswirken könnte. Das ist mehr als ein Affront gegenüber den Wähler*innen vor Ort in den Kommunen, der zugleich den Ruf der Briefwahl beschädigt. Die eh schon am Limit arbeitenden Verwaltungsmitarbeiter*innen müssen noch mehr Überstunden leisten, um diesen geschossenen Bock aus der Staatskanzlei wieder aufzufangen. Aber das scheint die Söder-Regierung billigend in Kauf zu nehmen.“

Hintergrund:

Das Bay. Innenministerium hat durch sein Rundschreiben vom 16.7. den Kommunalverwaltungen mitgeteilt, dass Wahlscheine für Briefwähler*innen jetzt erst ab dem 20. Tag vor dem Wahltag erteilt werden dürfen. Bisher waren es 41 Tage.  Das Ganze geht auf eine Änderung der Gemeinde- und Landkreiswahlordnung (GLKrWO) zurück, welche die Staatregierung (nicht der Landtag) vorgenommen hat. Konkret geändert wurde mit Wirkung zum 16.7.2025 der § 24 Abs. 1 S. 1 GLKrWO (s. auch hier Ziff. 1.4 der Bekanntm. des StMI vom 27. Juni 2025).

Ein Wahlschein wird immer dann benötig, sofern ein/e Wähler*in per Briefwahl oder in einem anderen Wahllokal abstimmen möchte. Zusammen mit dem Wahlschein, den man bei seiner Gemeinde beantragen muss, erhalten die Wähler*innen auch die Briefwahlunterlagen. Dafür gilt gem. § 24 Abs. 1 S. 1 GLKrWO für die Gemeinde eine Frist, ab wann sie diese Unterlagen erteilen darf. Diese Frist beträgt seit dem 16.7.2025 nur noch 20 statt 41 Tage.

Soweit wir informiert sind, wurde die Entscheidung zur Verkürzung der Frist in der Staatskanzlei getroffen, nicht im Bay. Innenministerium.

Die Kommunalen Spitzenverbände haben Mitte Mai im Rahmen der Verbändeanhörung ihre Ablehnung eindeutig mitgeteilt und die Gründe sehr detailliert dargelegt.

Die verkürzte Frist von 20 Tagen ist auch deshalb problematisch, weil es in der kommunalen Praxis so ist, dass die Kommunen deutlich weniger Zeit für die Orga. der Briefwahl haben als 20 Tage. Denn die Briefwahlunterlagen werden erst verschickt, wenn es keine abweichenden Beschlüsse des Beschwerdeausschusses mehr gibt, also wenn vor Ort Rechtssicherheit für die Wahl vorliegt. Hinzukommt, dass diese Frist, innerhalb der die Briefwahlunterlagen verschickt werden dürfen, am Anfang der Faschingsferien 2026 zu laufen beginnt – in der Zeit dürften in den Kommunenverwaltungen und bei Zustellern ein Teil des Personals in den Ferien sein.

Bei den Gemeinde- und Landkreiswahlen in Bayern wählen am 8.3.2026 die Bürger*innen vor Ort ca. 39.500 kommunale Mandatsträger (Gemeinde-, Stadt- und Kreisrät*innen) für die kommenden sechs Jahre. Gewählt werden auch die ersten Bürgermeister*innen, die Oberbürgermeister*innen und die Landrät*innen.