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Immer noch viele Straftaten gegen politische Mandatsträger*innen

05. Mai 2025

Verlässlicher Schutz für die Lokalpolitik

Eine schriftliche Anfrage der Landtagsgrünen zeigt, wie oft auch 2024 politische Mandatsträger*innen attackiert wurden:

  1. Die Zahl der Straftaten gegen politische Amts- und Mandatsträger*innen in Bayern ist zwar im Jahr 2024 geringfügig gesunken, bewegt sich aber mit 886 angezeigten Delikten immer noch auf einem viel zu hohen Niveau. Unter die Straftaten fallen auch 40 Gewaltdelikte. 49 Amts- und Mandatsträger*innen wurden Opfer dieser Gewaltdelikte. Dazu zählen vor allem Erpressungen, aber auch Sachbeschädigungen an Fahrzeugen und Körperverletzungen.
  2. 86 Prozent aller Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger*innen werden in der Kriminalstatistik der unspezifischen Kategorie ‚sonstige Zuordnung‘ zugeschrieben, hinter der sich vor allem Corona-Leugner, Querdenker, Verschwörungsideologen, Reichsbürger und Selbstverwalter verbergen. Mit 39 von 40 Gewaltdelikten fallen auch fast alle Gewalttaten in diesen Bereich. 139 Straftaten – darunter 30 Gewaltdelikte – aus der Kategorie ‚sonstige Zuordnung‘ werden explizit dem Milieu der Reichsbürger zugeordnet.
  3. Im Zusammenhang mit den Wahlkämpfen kam es 2024 zu 384 Sachbeschädigungen an Wahlplakaten oder Wahlkampfmaterialien sowie zu 37 Sachbeschädigungen gegen Parteigebäude oder Abgeordnetenbüros. Auch hier fallen 85 Prozent der Taten in der Kriminalstatistik in die Kategorie ‚sonstige Zuordnung‘. Die klassischen Bereiche des rechten und linken Extremismus spielen hier nur noch eine untergeordnete Rolle.
  4. Immer gibt es offenbar Defizite bei der Strafverfolgung. Insgesamt konnten 610 Tatverdächtige ermittelt werden. Die Staatsregierung kann jedoch nicht aufzeigen zu wie vielen Anklageerhebungen und Verurteilungen es gekommen ist. Viele Verfahren dürften immer noch mit einer Einstellung enden. So kam es bei den 40 Gewalttaten mit 38 ermittelten Tatverdächtigen lediglich zu 9 rechtskräftigen Verurteilungen oder Strafbefehlen gegen den oder die Täter. Auch das bereits 2020 eingeführte Online-Anzeigeverfahren ist immer noch viel zu unbekannt. So haben bisher in Bayern nur 195 Politiker*innen Zugang zu dem Verfahren. Trotz tausender Delikte in diesem Zeitraum, wurden seit September 2020 nur 257 Fälle über das Online-Verfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft München gemeldet.

Damit die Lokalpolitik auch in Zukunft interessant und sicher bleibt, stellen die Landtags-Grünen drei zentrale Forderungen:

  1. Die zahlreichen Angriffe, Bedrohungen und Diffamierungen gegen politische Amts- und Mandatsträger*innen werden immer mehr zu einer ernsthaften Bedrohung unserer Demokratie. Einige Politiker*innen haben deswegen bereits ihr Amt oder Mandat niedergelegt oder sind nicht mehr zu Neuwahlen angetreten. Insbesondere Kommunalpolitiker*innen brauchen deshalb einen besseren Schutz und Unterstützung bei der Anzeige und Verfolgung der Taten. Wir fordern deshalb eine zentrale Anlauf- und Meldestelle für bedrohte Amts- und Mandatsträger*innen in Bayern.
  2. Das Online-Meldeverfahren für Straftaten und Bedrohungen bei der Generalstaatsanwaltschaft München muss allen politischen Amts- und Mandatsträger*innen in Bayern bekannt gemacht werden. Von Hasskriminalität betroffene Politiker*innen müssen zur Anzeigeerstattung ermutigt werden.
  3. Defizite bei der Strafverfolgung von Hasskriminalität gegen Amts- und Mandatsträger*innen müssen behoben werden. Hierzu müssen die personellen Kapazitäten bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten weiter ausgebaut werden. Bei allen Staatsanwaltschaften in Bayern sollte es spezielle Ansprechpersonen für betroffene Amts- und Mandatsträger*innen geben.

Cemal Bozoglu, Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus:

„Wenn drei Viertel der 40 Gewaltdelikte gegen Amts- und Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern von sogenannten „Reichsbürgern“ verübt werden und der Anteil rechter Straftaten wie auch die Hasskriminalität zunehmen, sollte klar sein, dass wir ein Rechtsextremismus-Problem haben. Dass 86 Prozent der Taten der unspezifischen Sammelkategorie ‚sonstige Zuordnung‘ zugerechnet werden, verschleiert die politische Richtung, aus der der Großteil der Angriffe kommt. Die Staatsregierung muss sich dafür einsetzen, die bundesweiten Erfassungskriterien zügig scharf zu stellen.“

„Auch wenn die Straf- und Gewalttaten gegen politische Amts- und Mandats-trägerinnen und Mandatsträger im letzten Jahr abgenommen haben, besteht kein Grund zur Entwarnung. In Zeiten fehlender Kandidaturen für Bürgermeisterämter ist jede Attacke eine zu viel. Die Staatsregierung ist aufgefordert, Amts- und Mandats-trägerinnen und Mandatsträger bestmöglich bei Angriffen zu unterstützen und für mehr strafrechtliche Ahndung zu sorgen. Auch der Zugang zum digitalen Meldeverfahren für Online-Straftaten muss dringend weiter ausgebaut werden.“

 

Ausführlichere Informationen aus der Anfrage:

  • Die Straf- und Gewalttaten gegen politische Amts- und Mandatsträger*innen in Bayern bewegen sich mit 886 Delikten – darunter 40 Gewalttaten - weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Gegenüber den Vorjahren ist die Zahl der Übergriffe gegen Amts- und Mandatsträger*innen allerdings leicht gesunken. Im Jahr 2022 wurden 1081 und im Jahr 2023 1013 Straftaten registriert. Der Rückgang der Angriffe gegen Politiker*innen dürfte vor allem an der abnehmenden Bewegungsdynamik aus dem Milieu der Querdenker, Reichsbürger und Verschwörungsideologen liegen.
  • Im vergangenen Jahr wurden auch 40 Gewaltdelikte gegen politische Amts- und Mandatsträger*innen in Bayern registriert. Im Jahr 2023 wurden in diesem Bereich der politisch motivierten Kriminalität noch 55 Gewaltdelikte registriert. Überwiegend handelt es sich hierbei um Fälle von Erpressung. Vereinzelt kam es 2024 aber auch zu Fällen von Körperverletzung, Widerstand und gefährlichen Eingriffen in den Bahn-, Schiffs- und Straßenverkehr. Fast alle Gewalttaten werden dem Spektrum der Reichsbürger und Verschwörungsideologen zugeordnet. Außerdem wurden noch 27 Fälle von Nötigungen und Bedrohungen und 33 Fälle von Sachbeschädigungen registriert. Den Großteil der Delikte machen Beleidigungen, Verleumdungen und Volksverhetzungstaten aus.
  • Ein Großteil der Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger*innen wird in der Statistik politisch motivierter Kriminalität weiterhin der unspezifischen Kategorie ‚sonstige Zuordnung‘ zugeschrieben, hinter der sich vor allem Corona-Leugner, Querdenker, Verschwörungsideologen, Reichsbürger und Selbstverwalter verbergen. Unter diese Kategorie fallen 762 von 886 Delikten oder 86 Prozent aller Taten. 139 Straftaten – darunter 30 Gewaltdelikte – aus der Kategorie ‚sonstige Zuordnung‘ werden explizit dem Milieu der Reichsbürger zugeordnet. Mit deutlichem Abstand folgen rechtsextreme Täter*innen (79 Delikte = 8,9 %) und linksmotivierte Täter*innen (34 Delikte = 3,8%). Bei den rechten Straftaten ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen (2023: 50 Delikte).
  • Insgesamt wurden 49 politische Amts- und Mandatsträger*innen im Jahr 2024 Opfer von politisch motivierter Gewaltkriminalität, darunter befinden sich 15 kommunale Amtsträger*innen. Überwiegend handelt es sich dabei um Opfer von reichsbürgertypischen Erpressungen.  In drei Fällen kam es auch zu Beschädigungen von Fahrzeugen und in zwei Fällen zu Körperverletzungen. Damit ist auch die Zahl der Opfer von Gewalttaten leicht zurückgegangen. Im Jahr 2023 waren es noch 62 Personen.
  • Die Zahl der Straftaten gegen politische Amts- und Mandatsträger*innen, die der Hasskriminalität zugeordnet wurden, ist von 63 Delikten im Jahr 2023 auf 81 Delikte im Jahr 2024 gestiegen. Mit 41 Straftaten entfällt hier der größte Anteil auf den PMK-Bereich -rechts-, gefolgt von 35 Delikten aus der Kategorie ‚sonstige Zuordnung‘.
  • Insgesamt wurden bei den Straftaten gegen politische Amts- und Mandatsträger*innen 610 Tatverdächtige ermittelt. Im Jahr 2023 waren es sogar 772 Tatverdächtige. Bei den 40 registrierten Gewalttaten kam es nur in 9 Fällen zu einer rechtskräftigen Verurteilung oder einem Strafbefehl gegen den oder die Täter*innen.
  • In Bayern kam es 2024 in 384 Fällen zu Sachbeschädigungen gegen Wahlplakate von politischen Parteien. In 37 Fällen kam es zu Sachbeschädigungen gegen Parteigebäude oder -einrichtungen. 326 Taten oder 85 Prozent aller Taten fallen hier in die Kategorie ‚sonstige Zuordnung‘, dürften also überwiegend aus dem Spektrum der Reichsbürger und Verschwörungsideologen begangen worden sein. 39 Sachbeschädigungen (10 Prozent) fallen unter die Kategorie PMK-links und 16 Delikte (4,2 Prozent) unter PMK-rechts. Insgesamt wurden im Zusammenhang mit diesen Sachbeschädigungen 54 Tatverdächtige ermittelt.
  • Zu dem bereits im September 2020 eingeführten Online-Meldeverfahren zur Anzeigenerstattung bei Straftaten haben Anfang 2025 erst 195 politische Amts- und Mandatsträger Zugang. Bei tausenden von kommunalen Amtsträgern ist dies eine sehr geringe Zahl. Insgesamt wurden seit dem September 2020 nur 257 Fälle bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft München über das Online-Verfahren gemeldet. In 218 Fällen kam es zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren.

Die vollständige Antwort auf die Anfrage, inklusive aller Anlagen, finden Sie hier zum Download