Sozialpolitik

Psychische Gesundheit geht uns alle an

Psychische Gesundheit ist Voraussetzung für Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und Soziale Teilhabe

11. November 2022

Die Landtags-Grünen haben im vergangenen Jahr eine große Anfrage (Interpellation) eingereicht – und die Antwort der Staatsregierung darauf erhalten, mit teils alarmierenden Zahlen.

Wir Landtagsgrüne haben der Staatsregierung viele, viele Fragen gestellt, um einen Gesamtüberblick zur Psychischen Gesundheit in Bayern zu bekommen, zu Versorgungsstrukturen, zur besonderen Situation verschiedener Gruppen, z.B. Kinder und Jugendliche, Menschen mit Behinderung, Wohnungslose Menschen mit Migrationshintergrund, queere Menschen etc., ebenso wie Fragen zu Ansprechpartner*innen in der Schule und Fortbildungsangeboten für Lehrpersonal uvm.

Ein Ergebnis unserer Großen Anfrage bei der Staatsregierung ist: Die Auslastung der stationären und teilstationären Therapieeinrichtungen für Kinder und Jugendliche ist in allen Regionen konstant sehr hoch, oft über 90 Prozent. In manchen Bezirken liegt sie sogar bei 100 Prozent und mehr. Besonders betroffen sind etwa die Bezirke Oberpfalz und Schwaben, wo die Auslastung zwischen 2014 und 2019 immer bei knapp oder sogar über 100 Prozent lag. Eine so starke Auslastung ist der Beweis, dass in vielen Bezirken Wartelisten existieren, obwohl rein rechnerisch von den Krankenkassen fast überall eine ausreichende Versorgung mit Fachärzt*innen dokumentiert ist, oft sogar eine Überversorgung auf dem Papier dazu führt, dass freiwerdende Arztsitze nicht besetzt werden dürfen. Bei einer Auslastung der Therapieplätze von knapp 100 Prozent fehlt es aber an Behandlungskapazitäten und Fachkräften!

Wir GRÜNE fordern mehr Investitionen, um die Versorgungangebote stärker auszubauen, z.B. durch Eltern-Kind Tageskliniken, und bessere Arbeitsbedingungen. Wir brauchen ein Netz, dass die nötige therapeutische, medizinische und pflegerische Versorgung für alle Betroffenen bietet, auch die in prekären Lebensverhältnissen oder mit schwierigen Krankheitsbildern, die faktisch keine Chance haben, in regulären Praxen zusätzlich aufgenommen zu werden. Ein Hilfesystem, dass psychische Erkrankungen früh erkennt, Betroffene aus der Tabuzone holt und schützt – das ist unser Ziel. Wir brauchen außerdem eine bessere Verzahnung bestehender Angebote. Ganz wichtig ist zum Beispiel, dass zwischen Erstkontakt und konkreter Hilfe so wenig Zeit wie möglich vergeht. Wie es gelingen kann, zeigt das Modellprojekt „Recover“ in Hamburg.

Menschen in prekären Verhältnissen, darunter z.B. auch wohnungs- und obdachlose Menschen, sowie Menschen ohne Krankenversicherung, haben im regulären psychiatrischen Versorgungsbereich und auch im restlichen medizinischen System keine Chance auf eine adäquate Behandlung. Für Betroffene heißt das dann vor allem, dass sie Unterstützung beim Aufsuchen von Hilfs- und Unterstützungsleistungen benötigen oder Zugang zu Straßenambulanzen und offenen Angeboten brauchen, ohne Anmeldung und ggf. auch anonym und ohne Krankenversicherungskarte. Menschen in prekären Situationen müssen Zugang zu besonders niedrigschwelligen Angeboten bekommen. Personelle Hilfe und Unterstützung in Lebensphasen mit psychischen Erkrankungen zahlt sich aus, für die Betroffenen, ihr Umfeld und die gesamte Gesellschaft, denn frühzeitige Hilfe trägt dazu bei, die Chronifizierung von Krankheiten zu verhindern und existenzielle Krisen und (teure) Einlieferungen zu reduzieren. Psychische Erkrankungen sind oft auch die Ursache für den Verlust der Arbeit und der Wohnung, weil man sein Leben krankheitsbedingt nicht mehr im Griff hat.

Die Interpellation ist auch beim „Kapitel“ über die Situation queerer Menschen sehr aufschlussreich: Sie werden mit ihren (psychischen) Problemen insbesondere in ländlichen Regionen nach wie vor alleine gelassen. Die Antworten der Staatsregierung zu diesem Themenbereich sind qualitativ und quantitativ erschreckend dünn: auf 268 Seiten der Beantwortung der Interpellation widmet die Staatsregierung dem Thema lediglich zwei Seiten plus drei Seiten mit einer Tabelle. Wie so oft in der Vergangenheit bei ähnlichen Fragestellungen verweist die Staatsregierung auf einige, oft rein ehrenamtlich organisierte Unterstützungsprojekte oder Anlaufstellen für queere Menschen, unterscheidet nicht zwischen Freizeitangeboten und den eigentlich abgefragten psychotherapeutischen Angeboten und nennt dazu absurderweise zwei Demonstrationen (CSDs und den IDAHOBIT) sowie das Queer-Referat des AStA an der Uni Augsburg. Von dringend benötigten, psychotherapeutischen Angeboten findet sich in der Antwort nichts. Dabei sind queere Jugendliche beispielsweise drastisch häufiger von Suiziden und suizidären Gedanken betroffen als Heterosexuelle und cis-geschlechtliche Menschen.

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