Rechtsextremismus

40 Jahre Oktoberfestattentat – Entschädigung der Opfer jetzt sofort

Oktoberfestattentat endlich als rechtsextreme Terrortat anerkannt

25. September 2020

Das Oktoberfestattentat jährt sich am 26.September 2020 zum vierzigsten Mal. Es handelt sich um den größten rechtsextremen Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Durch eine am Haupteingang zum Festgelände deponierte Bombe kamen 1980 13 Menschen ums Leben und über 200 wurden verletzt, viele davon schwer. Die GRÜNE Landtagsfraktion hat kurz vor dem Jahrestag überlebende Opfer und Angehörige von Ermordeten zu einem Empfang in den Landtag eingeladen.

Viele Überlebende und Hinterbliebene leiden bis heute unter den physischen und psychischen Spätfolgen des Attentats. Zahlreiche Schwerverletzte haben dutzende Operationen hinter sich bringen müssen. Einige sind dauerhaft auf Rollstuhl, Prothesen und andere medizinische Hilfsmittel wie Gehhilfen oder orthopädische Schuhe angewiesen. Andere leiden unter Schmerzen und den psychischen Folgen des Attentats. Sie benötigen Medikamente oder eine psychologische Betreuung.
Betroffene berichteten während der Veranstaltung, dass sie sich über notwendige Hilfsleistungen teilweise seit Jahrzehnten mit den zuständigen Krankenkassen und Versorgungsämtern streiten müssen. Kosten für eine Psychotherapie, für technische Hilfsmittel, für notwendige Kuren oder Rehaleistungen würden häufig nicht anerkannt. Viele Opfer und Hinterbliebene beschreiben den Umgang mit den Ämtern als einen Spießrutenlauf. Oft können Ansprüche erst nach einem langen Rechtsstreit durchgesetzt werden. Die Betroffenen empfinden die Behandlung durch die Behörden als unwürdig und demütigend.
Für Cemal Bozoglu, dem Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus, ist völlig klar: „Die Forderungen, Anliegen und Wünsche der Betroffenen müssen nun endlich ernst genommen werden.“ Zuständig für die Leistungsansprüche der Opfer ist mit dem ‚Zentrum Bayern Familie und Soziales‘ (ZBFS) eine Landesbehörde. Seit November 2019 ist der Vizepräsident des ZBFS, Erwin Manger, auch der zentrale Ansprechpartner für Terroropfer in Bayern. „Manger muss sich in als Opferbeauftragter der Staatsregierung in seiner eigenen Behörde für eine wertschätzende und anerkennende Behandlung der schwer geschädigten Opfer des Oktoberfestattentats einsetzen,“ fordert Cemal Bozoglu. „Der zermürbende Kampf mit den Versorgungsämtern muss umgehend ein Ende haben!“
Nach 40 Jahren wurde das Oktoberfestattentat in diesem Sommer endlich durch die Bundesanwaltschaft auch offiziell als rechtsextreme Terrortat eingestuft. Bis dahin galt der Attentäter, Gundolf Köhler, als Einzeltäter der aus persönlichen Motiven heraus gehandelt habe. Mögliche politische Motive Köhlers und seine engen Verbindungen in die rechtsextreme Szene wurden von den Sicherheitsbehörden 1980 weitgehend ignoriert. Köhler hatte Kontakte zur rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann und war Mitglied in der ebenfalls rechtsextremen ‚Wiking-Jugend‘. Hinweisen von Zeugen auf mögliche Mittäter und Mitwisser wurde nicht mit der erforderlichen Gründlichkeit nachgegangen. Das bayerische LKA hatte die Ermittlungen damals bereits nach acht Monaten eingestellt.
Es ist vor allem dem Opferanwalt Werner Dietrich zu verdanken, dass die Ermittlungen im Jahr 2014 durch die Bundesanwaltschaft wiederaufgenommen wurden. Am 6. Juli 2020, fast sechs Jahre später, stellte der Generalbundesanwalt das Verfahren erneut ein. „Trotz umfangreicher Ermittlungen, Spurenauswertungen und Zeugenvernehmungen konnten 40 Jahre nach der Tat mögliche Mittäter, Hintermänner oder Mitwisser nicht mehr mit der erforderlichen Gewissheit ermittelt werden,“ berichtet Werner Dietrich von den Ergebnissen der Ermittlungen. Viele Zeug*innen leben mittlerweile nicht mehr und wichtige Asservate wurden bereits vor langer Zeit vernichtet. Die eklatanten Versäumnisse der Vergangenheit ließen sich deshalb nicht wieder gut machen.
An einem wichtigen Punkt musste der Bundesanwalt seine Einschätzung aus der Vergangenheit trotzdem korrigieren. Nach 40 Jahre wird das Oktoberfestattentat nun endlich als rechtsextremer Anschlag eingestuft. Die Ermittlungen haben eindeutig ergeben, dass der Täter aus politischen Motiven gehandelt hat und einen Terrorstaat nach nationalsozialistischem Vorbild aufbauen wollte. Köhler wollte mit dem Anschlag offenbar die kurze Zeit später stattfindende Bundestagswahl beeinflussen, bei der Franz-Josef Strauß als Kanzlerkandidat der Union angetreten ist. „Zum 40.Jahrestag des Attentats ist es nun an der Zeit, dass die politisch Verantwortlichen ihrer historischen und moralischen Verantwortung gerecht werden und aus der Neubewertung der Tat als rechtsextremen Terror nun auch die erforderlichen politischen Konsequenzen ziehen,“ mahnt Cemal Bozoglu.

Angemessene Entschädigung für die Opfer und Hinterbliebenen des Attentats

Im Einverständnis mit den Betroffenen und gemeinsam mit dem Opferanwalt Werner Dietrich forderte die Fraktion der GRÜNEN mit einer Pressekonferenz eine schnelle und unbürokratische Entschädigung der noch lebenden Opfer des Oktoberfestattentats. „Die Opfer sind mittlerweile zwischen 60 und 90 Jahre alt,“ betont Werner Dietrich. „Die Neubewertung der Tat als rechtsterroristisch eröffnet ihnen neue Anrechte auf eine politische Entschädigung.“ Auch Cemal Bozoglu bekräftigt: „Es dürfen nun keine neuen bürokratischen Hürden durch Nachweispflichten, Atteste und Gutachten aufgebaut werden.“ Er fordert: „Die Betroffenen brauchen nun schnelle und angemessene Leistungen. Sie dürfen nicht wieder mit Almosen abgespeist werden.“

Grüne Forderungen
Die GRÜNE Landtagsfraktion fordert umfassende Hilfen für die Angehörigen der Opfer und die Überlebenden des Attentats. Ein entsprechender Antrag wurde in dieser Woche in den Landtag eingebracht.
Insbesondere fordern wir:
•    Die politische Anerkennung und historische Würdigung des Oktoberfestattentats als schwerwiegendsten rechtsterroristischen Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Aus der Neubewertung der Tat durch die Bundesanwaltschaft müssen nun auch die notwendigen politischen Konsequenzen gezogen werden. Die haarsträubenden Versäumnisse bei der Aufklärung der politischen Motive der Tat, möglicher Hintermänner und Tatbeteiligter aus der rechtsextremen Szene und der fahrlässige Umgang mit wichtigen Beweismitteln und Zeugenaussagen dürfen sich bei zukünftigen rechten Terroranschlägen nicht wiederholen.

•    Den überlebenden Opfern und Hinterbliebenen des Attentats muss nun endlich der Zugang zu den Leistungen aus den Bundesfonds für rechte Terroropfer und Opfer extremistischer Gewalttaten eröffnet werden. Hierfür muss sich die Staatsregierung mit Nachdruck gegenüber der Bundesregierung und dem zuständigen Bundesamt für Justiz einsetzen.

•    Die Betroffenen brauchen schnelle finanzielle Hilfen und Entschädigungen für jahrzehntelanges Leid. Der Freistaat muss hier seiner politischen Verantwortung gerecht werden und eigene finanzielle Mittel bereitstellen. Wir fordern deshalb einen eigenen bayerischen Entschädigungsfonds für die Opfer und Hinterbliebenen des Oktoberfestattentats. Der Fonds sollte nicht auf Sachleistungen gründen, sondern den Betroffenen unbürokratische finanzielle Leistungen zur Linderung der langfristigen physischen, psychischen und materiellen Spätfolgen des Attentats bieten.
 
Antrag: ‚Oktoberfestattentat als rechtsextreme Terrortat anerkennen – Angemessene Entschädigung für die Opfer‘