Energie

Neue Gaskraftwerke für Bayern

Was wird aus dem Rohrkrepierer?

20. November 2019

Als im Jahr 2011 unter dem Eindruck von Fukushima auch die CSU von der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke wieder Abstand nahm, verabschiedete die Staatsregierung im Mai 2011 das Bayerische Energiekonzept. Dort wird wegen der wegfallenden Atomkraftwerke der Zubau von 3000 bis 4000 MW neuer Gaskraftwerke gefordert. Diese Forderung wird seither von allen bayerischen Wirtschaftsministern – egal welcher Parteizugehörigkeit – wiederholt und bestärkt. Die energiewirtschaftliche Realität ist eine vollkommen andere.

Beispiel Irsching
Die beiden Blöcke 4 und 5 in Irsching werden seit 2013 nur noch als Netzreserve genutzt. Das heißt., sie nehmen nicht mehr am Strommarkt teil und werden nur in Betrieb genommen, wenn sie vom Übertragungsnetzbetreiber tennet zur Netzstabilisierung angefordert werden. Aber selbst diese Anforderungen zur sind tendenziell weniger geworden:
 
Die Betreiber der Blöcke stellen seit 2013 wiederkehrend Anträge auf Stilllegung der beiden hochmodernen Anlagen. Jedoch wird ihnen diese Stilllegung regelmäßig verwehrt. Trotz der Abschaltung der beiden Atomkraftwerke Grafenrheinfeld und Gundremmingen hat sich die Marktsituation für Irsching nicht grundlegend verbessert. Die Betreiber halten an ihren Stilllegungswünschen fest.

 
Beispiel Haiming
Die OMV plante vor über zehn Jahren die Errichtung eines Gaskraftwerks am Standort Haiming/Inn. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurde 2010 erteilt. 2016 wurde die Planung eingestellt. 2018 wurden die für das Kraftwerk vorgesehene Grundstücke verkauft.

Beispiel Leipheim
Auch in Leipheim wurde vor über zehn Jahren von den Stadtwerken Ulm eine GuD-Gaskraftwerk mit 1200 MW Leistung geplant. Auch diese Planung ist seit langem eingestellt.
Diese widersprüchliche Entwicklung zwischen den sich hartnäckig haltenden Forderungen nach neuen Gaskraftwerken einerseits und Stilllegungstendenzen andererseits hat uns Landtags-Grüne veranlasst, das Öko-Institut mit einer Marktanalyse zu beauftragen. Von Seiten der Staatsregierung gibt es bislang keine wissenschaftliche Untersuchung zu dieser Frage. Mit diesem Gutachten des Öko-Instituts wollen wir einen Beitrag zu einer sachlichen Debatte leisten.


Welche politischen Folgerungen ergeben sich aus dem Gutachten für die Politik der Landtagsfraktion?

1) Das Gutachten zeigt, dass der Ausbaupfad für Erneuerbare Energien der Arbeitsgruppe 1 des Energiegipfels den Neubau von Gaskraftwerken in Bayern unnötig macht. Wenn die Staatsregierung diesen Pfad verfolgen würde, könnten wir uns Milliarden-Investitionen für wenig genutzte neue fossile Gaskraftwerke ersparen.

Bleibt die Staatsregierung aber bei ihrer zögerlichen Politik, führt vermutlich kein Weg an neuen Gaskraftwerken vorbei. Wobei aller Voraussicht nach diese Gaskraftwerke nur wenige hundert Stunden im Jahr benötigt werden und sich daher nicht auf dem normalen Strommarkt refinanzieren können. D.h., es droht ein hoher Investitionsbedarf für eine geringe Auslastung.
Gleichzeitig möchten wir aber betonen, dass aus Grüner Sicht der Pfad der Arbeitsgruppe 1 des Energiegipfels klimapolitisch nicht ausreichend ist. Er stellt die Mindestanforderung dar.
 
Das derzeitige Ausbautempo der erneuerbaren Energien in Bayern ist nicht annähernd ausreichend. Selbst der im Szenario 2 des Gutachtens genannte Ausbaupfad ist mit der jetzigen Beschlusslage der Staatsregierung nicht erreichbar.
Wir werden in den Monaten November bis Februar – trotz und wegen der starken Orientierung auf die Photovoltaik – viele Stunden mit sehr großen Stromimportbedarf haben. Darum kommt dem Ausbau der Windkraft eben eine zentrale Rolle zu. Ohne die Leistung der Windkraft mindestens zu vervierfachen würden große Mengen an – teils fossilem - Importstrom mit entsprechend hohen CO2-Emissionen nötig werden.

2) Sollten tatsächlich neue Gaskraftwerke benötigt werden, so müssen diese als sehr flexible Anlagen geplant werden und auf alle Fälle auch für den Einsatz von Wasserstoff oder „Grünem Gas“ ausgelegt werden.

3) Das Gutachten zeigt weiter: wer den Ausbau der beschlossenen HGÜ-Leitungen hintertreibt, fördert die Gefahr, dass neue fossile Gaskraftwerke in Bayern gebaut werden müssen. Diese Gaskraftwerke würden wesentlich intensiver genutzt werden und würden die CO2-Emissionen in Bayern gravierend erhöhen. Aus Klimaschutzsicht ist dieser Weg strikt abzulehnen.

4) Das Gutachten basiert auf den aktuellen Trends und Beschlüssen der Politik. Wir Grüne halten klimapolitisch u.a. einen schnelleren Kohleausstieg, mehr Elektromobilität, einen höheren CO2-Preis und einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren für erforderlich. Sollten wir es schaffen, diese Rahmenbedingungen zu verändern, müssen natürlich auch die Berechnungen über die Notwendigkeit von Gaskraftwerken neu aufgestellt werden.

Das Gutachten zum Download