Digitalisierung

Gaming-Szene in Bayern aus dem Schatten holen

Gaming ist gleichermaßen Kulturgut, Innovationsmotor und Wirtschaftsfaktor.

29. Mai 2020

Gaming ist inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Knapp die Hälfte aller Deutschen - über 34 Millionen Menschen - sind Gamerinnen oder Gamer. Einige spielen auf ihrem Computer, andere auf dem Smartphone. Während der Corona-Krise hat die gesellschaftliche Bedeutung von Gaming noch zugenommen. Viele Bürgerinnen und Bürger greifen zu Games, um trotz der Kontaktbeschränkungen soziale Kontakte zu Familie oder im Freundeskreis auf virtuelle Weise zu halten.


Wirtschaftsfaktor
Die Gaming-Industrie ist zudem ein zunehmend bedeutender Wirtschaftsfaktor. Im April 2020 durchbrach der deutsche Games-Markt die 6-Milliarden-Euro
Umsatzgrenze. Rund 500 Unternehmen der Games-Branche sind in Deutschland
zuhause. Bayern ist mit den Entwicklerzentren Nürnberg und München einer der
wichtigsten Hotspots der Branche.


Kulturgut
Gaming ist gleichermaßen Kulturgut, Innovationsmotor und Wirtschaftsfaktor.
Gaming hat sowohl als Freizeitaktivität enorm an gesellschaftlicher Bedeutung
gewonnen als auch im Sport- und Bildungsbereich.


Verantwortung

Gleichzeitig gibt es - teilweise berechtigte - Vorbehalte gegenüber Gamerinnen und Gamern und es herrschen Missverständnisse über die Szene. Nicht zuletzt im Nachgang zum Halle-Attentat ist diese Problematik medial thematisiert worden. Das antisemitische Attentat wurde
zum Teil auf der Streaming-Plattform Twitch, einer Amazon-Tochter, live übertragen.
Einzelne Politiker und Politikerinnen diffamierten daraufhin die breit aufgestellte und
diverse Gaming-Community als rechtsextremistisch. Diese Verallgemeinerung ist
falsch, irreführend und schädlich. Die Augen vor Radikalisierungsmechanismen und
Einflussnahme von u.a. Rechtsextremisten zu schließen, ist ebenfalls falsch. Eine
umfassende und differenzierte Betrachtung ist zwingend erforderlich.


Diversitiy
Gleichzeitig müssen tatsächlich existierende Problematiken und Herausforderungen
realistisch in den Blick genommen werden. Stimmen aus der Branche bekennen sich
zu Problemen von Diversität, etwa in den Entwicklerteams oder den Spielen selbst,
sowie zu Hassrede und Diskriminierung auf und in den Spieleplattformen, -gruppen
und -foren. Gemeinsame Erklärungen, wie z.B. „Hier Spielt Vielfalt“ oder
Zusammenschlüsse von Communities, wie z.B. „Keinen Pixel den Faschisten“ stellen
sich klar gegen Rassismus, Antisemitismus, Queer- und Frauenfeindlichkeit. Wir
brauchen mehr solcher Stimmen und müssen diese unterstützen!

Zudem versuchen gewisse Akteure, bestehende digitale Räume zu besetzen und
instrumentalisieren, um ihre extremistischen und hassgefüllten Ideologien und
illegale Inhalte zu verbreiten, neue Anhängerinnen und Anhänger zu gewinnen und
ihr vergiftetes Gedankengut an junge Menschen heranzutragen. Davon sind die
Gaming-Communities und -Plattformen nicht ausgenommen. Zum Schutz unserer
Verfassung und zur Wahrung der Grundrechte müssen deshalb Grenzen gesetzt und
die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden.

Wir wollen die wichtige und zukunftsorientierte Gaming-Branche aus dem
Schattenbereich holen und gezielt unterstützen. Mit unserem allumfassenden Ansatz
möchten wir die großartige Vielfalt der Games-Kultur fördern sowie verdiente
Anerkennung und Wertschätzung gewährleisten. Unsere Aufgabe als Politik ist es,
die Herausforderungen anzugehen und Missstände zu beheben. Die Gaming-
Communities müssen für alle Gamerinnen und Gamer unabhängig von Herkunft,
Religion, Geschlecht, oder sexueller Orientierung, offen und sicher sein.


Mit dieser Zielsetzung hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein
umfassendes Antragspaket in den Bayerischen Landtag eingebracht.
⇒Hier das komplette Paket zum Download



I. Gaming und Gesellschaft
Gaming-Communities müssen lebendig und divers sein. Um gegen Akteure
vorzugehen, die eine solche Diversität und Vielfalt ablehnen, kann eine effektive
Selbstregulierung und -moderation der entsprechenden Plattformen, Gruppen und
Foren, die interne Problemsensibilisierung und ein gegenseitiges „in Schach halten“
voranbringen. Einen wichtigen Beitrag können Influencerinnen und Influencer in der
Gaming-Szene leisten, die oft über eine erhebliche Reichweite verfügen. Deshalb
möchten wir hier auf verstärkte Vermittlung von Mediensouveränität sowie politischer
und sozialer Verantwortung setzen.
Die Wahrnehmung der breit aufgestellten Szene in der Gesellschaft und in der Politik
muss gestärkt und differenziert betrachtet werden. Wir möchten eSport im Verein
ermöglichen, um Gamerinnen und Gamern eine formale Infrastruktur und damit
einhergehende Vorteile wie Vernetzungs- und Beratungsmöglichkeiten anzubieten.
Das Gruppengefühl, das bei vielen Gamerinnen und Gamern besonders ausgeprägt
ist, soll nicht nur im Digitalen erlebt werden können, sondern auch bei der
persönlichen Zusammenkunft in Klubs. Das gemeinschaftliche Spielen von Games
an Computer oder Konsole bereichert die Gesellschaft und ist in unseren Augen
förderungswürdig. Wir beantragen, dass sich die Staatsregierung auf Bundesebene
dafür einsetzt.


II. Gaming und Sicherheit
Die Instrumentalisierung des Internets von radikalen und extremistischen
Akteurinnen und Akteuren ist zwar bekannt, gilt aber trotzdem noch vielen als
Blackbox. Es liegt in der Verantwortung der Politik, ihre Maßnahmen sorgfältig nach
wissenschaftlichen Analysen und Kriterien auszuwählen, um besser auf
Radikalisierungstendenzen im Internet gegenzusteuern.
Deshalb fordern wir interdisziplinäre und langfristig angesetzte Forschung zu
rechtsextremistischen Radikalisierungsprozessen und Netzwerken auf Gaming- und
Kommunikationsplattformen und in Internet-Subkulturen. Ein Forschungscluster soll
mehrere Projekte und die Förderung von Kooperationen verschiedener Disziplinen
und Forschungsnetzwerken ermöglichen. So entsteht eine belastbare Grundlage, um
Handlungsoptionen sinnvoll abzuleiten. Dazu gehört für uns auch, dass
Sicherheitskräfte für das digitale Zeitalter mit entsprechenden Fort- und
Weiterbildungen gut ausgebildet werden. Beamtinnen und Beamte des
Landeskriminalamtes müssen die Vernetzungsstrategien von Extremistinnen und
Extremisten verstehen und Gefahren rechtzeitig identifizieren und bewerten können.
Um Transparenz zum aktuellen Lagebild der bayerischen Sicherheitskräfte über
Radikalisierung, Rassismus, Antisemitismus, Frauen- und Queerfeindlichkeit auf
Online-Plattformen zu schaffen, beantragen wir zusätzlich einen mündlichen Bericht
der Staatsregierung im Innenausschuss des Bayerischen Landtags. Wir möchten
wissen, über welche Erkenntnisse aus der Beobachtung von sozialen Medien,
Messenger-Diensten, Gaming-Plattformen und -Foren sowie Video- und Streaming-
Plattformen die Staatsregierung verfügt und wie sie diese in konkrete Maßnahmen
umsetzt.


III. Gaming, Bildung, und Mediensouveränität
Laut Branchenverband game sind im Jahr 2020 acht Millionen Gamerinnen und
Gamer, die mindestens gelegentlich spielen, unter 20 Jahre alt. Kinder und
Jugendliche werden heutzutage mit mehr Medienformaten und -inhalten konfrontiert
als jede Generation zuvor; dazu gehören auch Computer- und Videospiele. Um damit
auch vernünftig umgehen zu können, müssen junge Internetnutzerinnen und -nutzer
für Gefahren wie Hetze, Hass und Illegalität im Netz sensibilisiert und ihre
Medienkompetenz gestärkt werden. Gleiches gilt für die verantwortlichen
pädagogischen Fachkräfte in Schulen und der Jugendhilfe und -arbeit. Nur so
können sie ihre wichtige Präventionsarbeit im Unterrichtsalltag auch effektiv
ausüben. Das Wissen um die Lebensrealität vieler Schülerinnen und Schüler ist
dabei unabdingbar und hier gehören Games unbestritten dazu. Deshalb beantragen
wir, dass Fort- und Weiterbildungsangebote ausgebaut und weiterentwickelt werden
sollen, um den Bereich digitale Spiele/digitale Spielkultur deutlich zu verstärken und
hier mehr der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen zu entsprechen.