Demokratie | Gegen Rechts

Gefährdung von Rechts

23. Juli 2025

Antwort auf aktuelle Anfrage der Landtagsgrünen

Aus der Antwort auf eine aktuelle Anfrage der Landtags-Grünen zur Gefährdung durch rechte Anschläge und Gewalttaten sowie durch untergetauchte Rechtsextremist*innen und Reichsbürger*innen in Bayern geht hervor:

  • Bayern ist ein wichtiges Rekrutierungsfeld für terroristische Vereinigungen aus dem Umfeld der ‚Reichsbürgerbewegung‘.
  • Eine relevante Anzahl von Personen aus diesem Milieu besitzt zudem eine Waffenerlaubnis.
  • Äußerst alarmierend ist auch die hohe Zahl der offenen Haftbefehle gegen Personen aus der rechten Szene und dem Reichsbürgermilieu.

Wir Grüne fordern eine vollständige Entwaffnung dieser Szenen und eine umfassende Aufklärung, konsequente Strafverfolgung und höheren Fahndungsdruck in diesem Bereich!

Die wesentlichen Erkenntnisse aus der Antwort auf die Grünen-Anfrage:

  • Die Staatsregierung hat keine konkreten Erkenntnisse über die aktuelle Gefährdungslage durch terroristische Anschläge und gewalttätige Aktionen von Rechtsextremist*innen, Reichsbürger*innen oder Verschwörungsideolog*innen. Die Bildung weiterer terroristischer Gruppierungen aus dem rechtsextremen Spektrum wird aber für möglich gehalten. Auf die hohe Affinität der rechten Szene zu Waffen und Sprengstoffen wird verwiesen. Besonders durch rechte Straf- und Gewalttaten gefährdet sind Personen des öffentlichen Lebens, Repräsentanten des Staates, Bürgerinitiativen und Medieneinrichtungen, die sich kritisch mit dem Rechtsextremismus auseinandersetzen, sowie jüdische Einrichtungen und Personen. Zu aktuell möglicherweise in Bayern anhängigen Verfahren gegen rechtsextreme kriminelle oder terroristische Vereinigungen bzw. ihre Mitglieder und Unterstützer erteilt die Staatsregierung keine Auskunft.
  • Gegenwärtig laufen Verfahren der Bundesanwaltschaft gegen die Hauptbeschuldigten der ‚Vereinten Patrioten‘ und der ‚Patriotischen Union‘ vor dem OLG in Frankfurt, Stuttgart, München und Koblenz. Unter den Angeklagten befinden sich jeweils auch zahlreiche Personen aus Bayern. In beiden Ermittlungskomplexen wurden weitere Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder bzw. Unterstützer vom Bundesanwalt an die Generalstaatsanwaltschaft in München abgegeben. Im Komplex gegen die Verschwörergruppe um Heinrich VIII. Prinz Reuß wurden fünf weitere Verfahren gegen insgesamt 13 Beschuldigte an die bayerische Staatsanwaltschaft abgegeben. Im Komplex der Vereinigung ‚Vereinte Patrioten‘ sind es weitere vier Verfahren gegen vier Beschuldigte, die an die bayerischen Behörden abgegeben wurden.
  • Eine besondere Gefährdung geht von Rechtsextremist*innen oder Reichsbürger*innen aus, die im Besitz einer Waffenerlaubnis sind. In Bayern waren Ende 2024 immer noch 20 Personen aus dem Reichsbürgermilieu im Besitz einer Waffenerlaubnis (davon 13 Personen mit einer Waffenbesitzkarte, die den Besitz von Schusswaffen erlaubt). Insgesamt befanden sich 54 erlaubnispflichtige Waffen im Besitz dieser Personen. Außerdem sind in Bayern auch noch 23 Rechtsextremist*innen im Besitz einer Waffenerlaubnis (21 Personen mit Waffenbesitzkarte). Insgesamt besitzen diese Rechtsextremist*innen 84 erlaubnispflichtige Waffen.
  • Äußerst alarmierend ist die hohe Zahl der offenen Haftbefehle gegen Personen aus der rechten Szene und dem Reichsbürgermilieu. Im Jahr 2024 bestanden 184 Haftbefehle gegen Rechtsextremist*innen und 156 Haftbefehle gegen Reichsbürger*innen und Verschwörungsideolog*innen. Allein 127 Haftbefehle gegen Rechtsextremist*innen und 131 Haftbefehle gegen Reichsbürger*innen/Verschwörungsideolog*innen wurden im Jahr 2024 neu ausgestellt. Mehr als die Hälfte der offenen Haftbefehle wurde aufgrund von Straftaten aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität ausgestellt. Die große Zahl der Haftbefehle ist ein Indiz für das hohe kriminelle Potenzial der rechten Szene.

Statement:

Cemal Bozoğlu, Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus der Landtags-Grünen, sagt:

„Bayern ist ein wichtiges Rekrutierungsfeld für terroristische Vereinigungen – insbesondere aus dem Umfeld der sogenannten Reichsbürgerbewegung. Das zeigt sich deutschlandweit an gleich mehreren Verfahren, bei denen Beschuldigte aus Bayern auf der Anklagebank sitzen. Zugleich ist diese Szene sowie das rechtsextremistische Milieu noch immer im Besitz zahlreicher Waffen und die Zahl der offenen Haftbefehle geht inzwischen in die Hunderte. Die Staatsregierung müsste längst höchst alarmiert sein. Doch sie wirkt angesichts dieser Entwicklungen teilnahms-, wenn nicht sogar hilflos.

Dabei ist gegenüber diesen Milieus, die unsere Art zu leben und unsere Demokratie bedrohen, Stärke gefragt! Es braucht personell gut ausgestattete Sicherheitsbehörden, umfassende Aufklärung und Strafverfolgung, einen erhöhten Fahndungsdruck und vor allem endlich die vollständige Entwaffnung der rechtsextremen Szene und der Reichsbürgerbewegung!“

Die Landtags-Grünen fordern:

  • Wir fordern eine umfassende Aufklärung und konsequente Strafverfolgung von terroristischen und gewalttätigen Organisationen und Aktivitäten aus der rechten Szene. Dies gilt auch für gewalttätige und terroristische Aktivitäten aus dem Reichsbürgermilieu. Die Sicherheitsbehörden und die Staatsanwaltschaft brauchen das nötige Personal zur Aufklärung dieser Gefährdungspotenziale. Von staatlicher Seite brauchen wir zudem ein umfassendes und ressortübergreifendes Handlungskonzept zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in all ihren Formen.
  • Wir fordern die vollständige Entwaffnung der rechtsextremen Szene und der Reichsbürgerbewegung. Dies gilt bei einer entsprechenden Einstufung auch für Mitglieder der AfD. Rechtsextremist*innen und Verschwörungsideolog*innen dürfen nicht in den legalen Besitz tödlicher Waffen gelangen. Angesichts der aufgedeckten Umsturzplanungen und des hohen Gewaltpotenzials dieser Szenen ist dies ein untragbares Sicherheitsrisiko.
  • Der Fahndungsdruck auf straffällige Angehörige der rechten Szene und des Reichsbürgermilieus muss erhöht werden. Offene Haftbefehle müssen zeitnah vollstreckt werden. Die hohe Zahl der offenen und neu ausgestellten Haftbefehle ist ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Untergetauchte Neonazis können weiter schwerste Straftaten begehen, wie nicht zuletzt das Beispiel des NSU gezeigt hat.

Weitere Fakten und Informationen aus der Anfrage zu rechten Straf- und Gewalttaten in Bayern:

  1. Die Gefahr, dass die aktuelle rechtsextreme Dynamik insbesondere unter Jugendlichen zu neuer Gewalt führt, zeigt sich bereits in anderen Bundesländern (‚Letzte Verteidigungswelle‘) und auch Innenminister Dobrindt hat bei der Vorstellung des Bundesverfassungsschutzberichts die steigende Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen in der rechtsextremen Szene zum Thema gemacht. Zu der Problematik gewaltbereiter rechtsextremer Jugendgruppen äußert sich die Staatsregierung in der Anfrage nicht.
  2. In Bayern sind gegenwärtig noch zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Mitglieder oder Unterstützer terroristischer Vereinigungen aus dem Umfeld der Reichsbürgerbewegung anhängig. Gegen die ‚Patriotische Union‘ unter Führung von Heinrich VIII. Prinz Reuß läuft aktuell vor dem OLG München eines von drei Hauptverfahren gegen acht Angeklagte dieser terroristischen Vereinigung. Weitere fünf Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 13 Beschuldigte aus Bayern zwischen 40 und 70 Jahren wurden vom Generalbundesanwalt an die Generalstaatsanwaltschaft München, Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus, abgegeben. Über den Stand der Verfahren und evtl. Ermittlungsmaßnahmen erteilt die Staatsregierung keine Auskunft. Auch bei der weiteren terroristischen Vereinigung aus dem Reichsbürgerspektrum, den ‚Vereinten Patrioten‘ (oder ‚Kaiserreichgruppe‘), wurden vier weitere Ermittlungsverfahren durch den Generalbundesanwalt an die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus abgegeben. Die Ermittlungsverfahren richten sich gegen insgesamt vier männliche Beschuldigte aus Bayern im Alter von 40 bis 70 Jahren. Ein 42-jähriger Ex-Soldat, der sich als Waffenlieferant betätigen wollte, wurde bereits wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in München zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Gegen drei weitere Beschuldigte wurden Anfang April 2025 Haftbefehle vollstreckt. Gegen fünf Hauptbeschuldigte der ‚Vereinten Patrioten‘ läuft bereits seit längerem ein Prozess vor dem OLG in Koblenz.
  3. Über Aktivitäten militanter neonazistischer Gruppierungen wie der ‚Atomwaffen Division‘, der ‚Feuerkrieg Division‘, ‚Blood&Honour‘, ‚Hammerskin Nation‘ oder ‚Combat 18‘ liegen den bayerischen Sicherheitsbehörden keine neuen Erkenntnisse vor. In der Antwort auf unsere Fragen wird lediglich auf alte Anfragen und Passagen aus älteren Verfassungsschutzberichten verwiesen.
  4. In Bayern werden im Jahr 2024 sieben Personen aus der rechtsextremen Szene als ‚Gefährder‘ eingestuft, denen auch terroristische Anschläge und schwere Gewalttaten zugetraut werden. Weitere 14 Personen aus der rechten Szene werden von den Sicherheitsbehörden als ‚relevante Personen‘ eingestuft. Diesen Personen werden zumindest Unterstützungshandlungen bei terroristischen Anschlägen zugetraut. Zwei rechte Gefährder werden dabei auch der Reichsbürgerszene bzw. dem verschwörungsideologischen Spektrum zugeordnet. Von den insgesamt fünf Gefährdern aus dem Bereich ‚sonstige Zuordnung‘ werden drei der Reichsbürgerszene bzw. dem verschwörungsideologischen Spektrum zugeordnet sowie sechs relevante Personen.
  5. Gegen zahlreiche Personen aus der rechtsextremen Szene gab es im Jahr 2024 offene Haftbefehle. Insgesamt handelt es sich um 184 Haftbefehle. Obwohl explizit danach gefragt wurde, wurde uns die genaue Zahl der betroffenen Personen nicht genannt. 2023 waren es 179 Haftbefehle zu 143 Personen. Hinzu kommen noch einmal 156 Haftbefehle aus dem PMK-Bereich ‚sonstige Zuordnung‘, der Reichsbürger*innen, Querdenker*innen und Verschwörungsideolog*innen umfasst. 77 Haftbefehle im Bereich PMK-rechts konnten 2024 vollstreckt werden. Hinzu kommen 80 vollstreckte Haftbefehle im PMK-Bereich ‚sonstige Zuordnung‘. Im Jahr 2024 wurden 127 Haftbefehle im Bereich PMK-rechts neu erlassen. Im Bereich ‚sonstige Zuordnung‘ kommen noch einmal 131 neu erlassene Haftbefehle hinzu. 97 offene Haftbefehle aus der PMK-rechts und 80 offene Haftbefehle aus dem Bereich ‚sonstige Zuordnung‘ sind ganz oder teilweise Delikten aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität zuzuordnen.
  6. Zu Erkenntnissen im Bereich des Waffenschmuggels und der Aufdeckung von Waffendepots mit Bezügen zur rechten Szene macht die Staatsregierung keine Angaben, da der Rechercheaufwand zu hoch sei. Es ist sehr bedenklich, dass die Staatsregierung hier offenbar keinen Überblick über einschlägige Aktivitäten der sehr waffenaffinen rechten Szene hat.

Die Anfrage mit entsprechender Anlage finden Sie hier.