Untersuchungsausschüsse

Untersuchungsausschüsse enden

Schlussberichte von UA Museum und NSU II

20. Juli 2023

Im Bayerischen Landtag haben die Untersuchungsausschüsse zum Deutschen Museum Nürnberg und zur weiteren Aufklärung des NSU-Komplexes (NSU UA II) ihre Schlussberichte vorgelegt. Sie sollten viele offene Fragen und dubiose Vorgänge aufklären.

Die Einsetzung eines weiteren NSU-Untersuchungsausschusses hatte der Landtag im Mai 2022 auf Initiative von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD beschlossen. Der Ausschuss hat innerhalb eines Jahres ein enormes Pensum bewältigt. In 36 Sitzungen wurden rund 80 Zeugen und Sachverständige vernommen. Insgesamt lagen dem Ausschuss 12.027 Akten und Aktenkonvolute zur Auswertung vor. Zahlreiche Zeugen, wie die NSU-Terroristin Beate Zschäpe oder der NSU-Unterstützer Andre Eminger, mussten sich zum ersten Mal einer ausführlichen Befragung stellen.

„Auch wenn es uns nicht gelungen ist, Beweise für eine direkte Beteiligung bayerischer Rechtsextremisten an den Morden und Anschlägen des NSU in Bayern zu finden, konnte der Untersuchungsausschuss doch viele wichtige Bausteine zur weiteren Aufklärung des NSU-Komplexes liefern“, lautet das Resümee des Vorsitzenden des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses und rechtspolitischen Sprechers der Grünen Landtagsfraktion Toni Schuberl.

Der zweite NSU UA hat sich als bisher einziges Gremium umfassend mit der Aufklärung des ersten Sprengstoffanschlags des NSU am 23. Juni 1999 auf eine Gaststätte in Nürnberg beschäftigt. Dieser Anschlag konnte erst durch die Aussage eines Angeklagten im Münchener NSU-Prozess im Jahr 2013 dem NSU zugeordnet werden und war weder Gegenstand im ersten Untersuchungsausschuss des Landtages noch Teil der Anklage im NSU-Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht. In den Ermittlungen zur Aufklärung dieses Verbrechens konnten zahlreiche Fehler festgestellt werden. So wurde die Tat 1999 von der Staatsanwaltschaft lediglich als ‚fahrlässige Körperverletzung‘ eingestuft, obwohl es sich eigentlich um einen ‚versuchten Mord‘ gehandelt hat. Wäre der in einer Taschenlampe deponierte Sprengsatz wie geplant explodiert, hätte er eine tödliche Wirkung haben können. Aufgrund der niedrigen Einstufung wurden Asservate vorzeitig vernichtet und konnten bei der Neuaufnahme der Ermittlungen 2013 durch das BKA nicht mehr ausgewertet werden. Auch Ermittlungen zu einem möglichen rechtsextremen oder rassistischen Tathintergrund hat es 1999 nicht gegeben. Dieses Muster sollte sich bei nahezu allen weiteren Morden und Anschlägen des NSU wiederholen.

Kritisch bewertet werden müssen aber auch die neuen Ermittlungen von Generalbundesanwalt und BKA nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011. So hat sich das BKA viel zu früh auf die These festgelegt, dass der NSU ein abgeschottetes Trio mit einem ganz kleinen Kreis an Unterstützern gewesen ist. Dadurch wurden vielversprechende Ermittlungsansätze, auch zu möglichen Unterstützern in Bayern, nicht weiterverfolgt. Hinweisen bayerischer Sicherheitsbehörden auf Treffpunkte und Wohnsitze bekannter Rechtsextremisten in der Nähe von Tatorten des NSU in München und Nürnberg wurde nicht weiter nachgegangen.

Der NSU UA II hat durch Zeugenvernehmungen und Aktenrecherchen zahlreiche Hinweise auf Kontakte und Verbindungen des NSU-Kerntrios nach Bayern aufgedeckt.

  • So hat der NSU bereits im Jahr 2002 einen Spendenbrief an zahlreiche Publikationen der rechtsextremen Szene versandt, ohne dass dies den Sicherheitsbehörden aufgefallen ist. Unter den mutmaßlichen Empfängern waren auch Adressen aus Bayern wie das Nürnberger Szeneblättchen ‚Der Landser‘ oder der Coburger Verlag ‚Nation & Europa‘. In dem zeitweise in fränkischen Kronach herausgegebenen Heft ‚Der Weiße Wolf‘ erschien im Vorwort der ersten Ausgabe 2002 sogar ein Gruß an den NSU: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen. Der Kampf geht weiter…“ Aufgefallen ist dies Niemandem. Zuständig für die Auswertung des Heftes war das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz.
  • Auch die Bekenner-DVD des NSU wurde 2011 an verschiedene Adressen in Bayern verschickt, darunter als einzige rechtsextreme Adresse der ‚Wotan‘ bzw. ‚Patria-Versand‘ in Oberbayern. Bei den Nürnberger Nachrichten wurde ein Exemplar der NSU-DVD unfrankiert in den Briefkasten geworfen. Dies konnte durch Aussagen von Mitarbeitern der Zeitung im Ausschuss überzeugend geklärt werden. Mindestens eine weitere Person muss also im Raum Nürnberg im Besitz dieser DVD gewesen sein.
  • Durch die Aussage eines ehemaligen Mitglieds der rechten Szene wurde erstmals öffentlich bekannt, dass sich das spätere NSU-Trio bereits Mitte der 90er Jahre häufiger in Nürnberg aufgehalten haben soll. Die Drei seien regelmäßig in einer als Szenetreffpunkt genutzten Wohnung in der Marthastraße zu Besuch gewesen. Im Februar 1995 habe das NSU-Kerntrio gemeinsam mit weiteren Thüringer Rechtsextremisten an einem Skinheadtreffen in der Nürnberger Gaststätte ‚Tiroler Höhe‘ teilgenommen. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe seien führenden Aktivisten der Nürnberger rechten Szene bekannt gewesen. Laut Aussage eines anderen Szeneaktivisten hätten die ‚Thüringer Kameraden‘ sogar einen eigenen Schlüssel zu der Wohnung in der Marthastraße besessen.
  • Beate Zschäpe hatte noch bis kurz vor ihrem Untertauchen eine intime Beziehung mit David F., einem Jenaer Rechtsextremisten, der von 1995 bis August 1998 in Nürnberg gelebt hat. David F. und Beate Zschäpe haben in ihren Aussagen vor dem NSU UA eingeräumt, dass Zschäpe den späteren Schwager des NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben noch im Herbst 1997 in Nürnberg besucht hat.

Auch die Rolle von V-Leuten der Sicherheitsbehörden im direkten Umfeld des NSU sowie der beschämende Umgang der Strafverfolgungsbehörden mit den überlebenden Opfern und den Hinterbliebenen der Opfer waren Themenfelder des Untersuchungsausschusses. Außerdem beschäftigte sich das Gremium mit möglichen Verbindungen und Kontinuitäten zwischen dem NSU und aktuellen rechtsextremistischen und rechtsterroristischen Vereinigungen.

So hat ein V-Mann des bayerischen Verfassungsschutzes im Auftrag der Behörde dazu beigetragen die rechtsextreme Szene in Thüringen in den 90er Jahren zu organisieren, zu professionalisieren und zu radikalisieren. Aus dieser Szene ist dann später auch der NSU hervorgegangen. Die Führung des V-Manns kann nur als skandalös bezeichnet werden. So wurde er vor Hausdurchsuchungen gewarnt und ihm dabei geholfen belastendes Material zur Seite zu schaffen. Der V-Mann hat im Rahmen seiner ‚Anti-Antifa-Aktivitäten‘ auch die linke Szene in Nürnberg ausspioniert, Adressdaten von Aktivisten an militante Szenekreise weitergegeben und so die betroffenen Personen akut gefährdet.

„Wir haben diesen Ausschuss auch aus Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen initiiert,“ betont Cemal Bozoğlu, Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus, der als zweites grünes Mitglied dem Ausschuss angehört hat. „Die Angehörigen der Opfer wurden von den Sicherheitsbehörden wie potenzielle Täter behandelt und mit falschen Vorhaltungen konfrontiert. Den Mordopfern wurde ohne jeglichen Beweis unterstellt in Waffengeschäfte, Drogenhandel oder Schutzgelderpressungen verwickelt zu sein. Hier braucht es von höchster politischer Stelle in Bayern, dem Ministerpräsidenten und der Landtagspräsidentin, eine öffentliche Entschuldigung gegenüber den Betroffenen.“

Der Untersuchungsausschuss zum Deutschen Museum Nürnberg hat gezeigt, dass es richtig und notwendig war, diesen einzurichten. Die Oppositionsfraktionen waren dazu gezwungen, nachdem bei der Errichtung der Zweigstelle des Deutschen Museums immer wieder Ungereimtheiten auftraten, die Kosten für das Projekt explodierten und die Abgeordneten des Landtags erst aus der Presse wichtige Schritte – wie z.B. die Unterzeichnung einer Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und dem Deutschen Museum sowie die Bekanntgabe des Standortes – erfuhren. Zudem wurden über Jahre hinweg Landtagsanfragen und Berichtsanträge der Oppositionsfraktionen von der Staatsregierung nur ausweichend und unzureichend beantwortet. Transparenz sieht definitiv anders aus!

Spenden des Vermieters an die CSU in Höhe von insgesamt knapp 100.000 Euro, zwei gutachterliche Stellungnahmen mit dem Ergebnis, dass der Mietzins unerklärbar hoch sei und der Mietvertrag eine erheblich vermieterfreundliche Tendenz zu Lasten des Mieters aufweise, sowie die scharfe Kritik des Bayerischen Obersten Rechnungshofs machten die Einberufung eines Untersuchungsausschusses essenziell – immerhin ging es um den Umgang mit hunderten Millionen Euro an Steuergeldern und den Vorwurf der Vetternwirtschaft.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Errichtung des Deutschen Museums Nürnberg definitiv kein Paradebeispiel für vorbildliches Verwaltungshandeln und verantwortungsvolle Politik war. Vor allem Markus Söders Sucht zur Selbstdarstellung und eine völlige Ignoranz gegenüber dem wirtschaftlichen Umgang mit öffentlichen Geldern haben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bei diesem Projekt viele Millionen gekostet. Dem Deutschen Museum wurde im Rahmen einer in diesem Kontext außergewöhnlichen Vollfinanzierung quasi ein Blankoscheck ausgestellt. Anreize Kosten zu sparen gab es für dieses grundsätzlich nicht, da bekannt war, dass Markus Söder das Projekt „koste es was es wolle“ verwirklicht sehen wollte. In der Gesamtbetrachtung kann man nur sagen, dass man hier eher tölpelhaft vorgegangen ist und sich an mehreren Stellen über den Tisch ziehen lassen hat.

Diese Feststellung ist für die Staatsregierung und allen voran Markus Söder natürlich höchst peinlich. Deswegen haben sich die Regierungsfraktionen von Anfang an schützend vor ihren Ministerpräsidenten gestellt, anstatt den öffentlich verkündeten, unbedingten Aufklärungswillen zu zeigen. Das begann bei der Verhandlung des Fragenkatalogs, bei der um jedes einzelne Wort und die Nennung von Namen gefeilscht werden musste, ging über die unrechtmäßige Ablehnung diverser Beweisanträge durch die Ausschussmehrheit bis hin zur willkürlichen Einstufung von Akten als geheim bzw. sogar besonders geheim.

Das Vorgehen bei der Projektverwirklichung hat sich klar als Lehrbuchfall organisierter Verantwortungslosigkeit dargestellt. Zuständigkeiten wurden so lange hin und her geschoben, bis sich keiner der Beteiligten mehr zuständig für das Projekt fühlte. Das fängt damit an, dass Markus Söder als eigentlich nicht zuständiger Finanzminister das Projekt initiierte und sich auch regelmäßig davon berichten ließ. In der Öffentlichkeit ließ er sich immer wieder prominent bei Presseterminen im Zusammenhang mit dem Museum ablichten. Bei Kritik werden allerdings sofort das zuständige Wissenschaftsministerium, das anfangs kaum in das Projekt miteinbezogen war, sowie das Deutsche Museum als alleinige Verantwortliche vorgeschoben. Dies hat dazu geführt, dass niemand die Verantwortung für das Projekt übernehmen wollte und infolgedessen sowohl Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen als auch die im Zuständigkeitsbereich des Wissenschaftsministeriums liegende Rechtsaufsicht unterlassen wurden. Der Vermieter wusste dies und die durch die verfrühte Standortverkündung entstandenen Monopolsituation zu seinen Gunsten zu nutzen. Am Ende hat u.a. ein sehr teurer und vermieterfreundlicher Mietvertrag die bayerischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern leider sehr viel Geld gekostet und ein eigentlich gutes Projekt wie das Deutsche Museum Nürnberg insgesamt in ein schlechtes Licht gerückt.

Nach den durch den Untersuchungsausschuss gewonnenen Erkenntnissen gibt es an vielen Punkten Auffälligkeiten im Handeln der Beteiligten. Es ergibt sich teilweise eine große Divergenz zwischen Zeugenaussagen und Aktenlage. Für uns ist bis heute nicht nachvollziehbar, wie die Standortauswahl ablief und wer schlussendlich die Entscheidung für den Augustinerhof traf. Die Selbstdarstellerei von Markus Söder, insbesondere bei der verfrühten Standortbekanntgabe, mit den dadurch ausgelösten Kostensteigerungen hat die öffentliche Hand viel Geld gekostet. Einer haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung dürfte die Miethöhe, die sich im Rahmen der Verhandlungen von 23 EUR/qm netto auf ca. 38 EUR/qm brutto steigerte, nicht standhalten. Warum hier eine Anmietung statt einem Kaufmodell gewählt wurde, konnte weiterhin nicht sinnvoll dargelegt werden. Abschließend muss man sagen, dass die Staatsregierung hier alles andere als professionell und politisch klug gehandelt hat. Man könnte guten Gewissens sagen, man hat sich über den Tisch ziehen lassen – und zwar mit vollem Anlauf.

Fazit: Durch eine frühzeitige und engmaschige Einbindung des Landtags, durch die Beachtung der Ressortzuständigkeiten und durch ordentliche Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen muss dafür Sorge getragen werden, dass solche Großprojekte nicht wieder aus dem Ruder laufen!

Weitere Informationen:

Der vollständige Schlussbericht zum zweiten Untersuchungsausschusses zur weiteren Aufklärung des NSU-Komplexes ist hier zu finden:

https://www1.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000019500/0000019652-Schlussbericht.pdf  

Der Schlussbericht zum Untersuchungsausschuss Deutsches Museum Nürnberg kann hier eingesehen werden:

https://www1.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000019500/0000019659-Schlussbericht.pdf