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Kita-Krise lösen

Grüner Dringlichkeitsantrag für echte Verbesserungen statt PR-Nebelkerzen

20. Juli 2023

Die frühkindliche Bildung in Bayern ist am Limit! Seit Jahren werden die nötigen Investitionen in bessere Arbeitsbedingungen für das Personal in Kitas und Kindertagespflege und damit in die pädagogische Qualität von der Staatsregierung verschlafen. Die aktuellen Rahmenbedingungen führen inzwischen zu einer pädagogischen Arbeit an der Belastungsgrenze, vielerorts zur Schließung von Gruppen und einer Verkürzung der Öffnungszeiten. Betroffen sind vor allem die verbliebenen Mitarbeiter*innen in Kitas und Kindertagespflege, die mehr Arbeitsbelastung schultern müssen, und die Eltern, die Schwierigkeiten bekommen, Familie und Beruf zu vereinbaren. Viele Kinder können unter diesen Bedingungen nur noch betreut statt gebildet werden, wenn überhaupt ein Platz für sie frei ist.

Akuter Fachkräftemangel und unattraktive Rahmenbedingungen sind die beiden großen Herausforderungen, vor denen die frühkindliche Bildung in Bayern steht. Das hat auch das vom Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales ins Leben gerufene Bündnis für frühkindliche Bildung bestätigt und umfassende Handlungsempfehlungen vorgelegt, um die Situation in den Kitas mittel- und langfristig zu verbessern. Die relevanteste Empfehlung ist die Schließung der Finanzierungslücke, um die grundlegenden Arbeitsbedingungen für das Personal zu verbessern und die Ausbildung attraktiver zu machen. Nur so können die verbliebenen Kita-Mitarbeiter*innen gehalten und neue Personen dazugewonnen werden. Darüber hinaus hat die Arbeit des Bündnisses vor allem eines deutlich gemacht: Es mangelt nicht an einer Identifizierung der Problemlagen, sondern es hapert an der Umsetzung!

Die Politik der Staatsregierung setzt nicht an den grundlegenden Stellschrauben an, sondern arbeitet vor allem mit PR-wirksamen Veröffentlichungen. Von einer „bahnbrechenden Chance“ sprach CSU-Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf, als sie vergangenen Sommer mit der Experimentierklausel größere Gruppen und weniger Fachkräfte ermöglichte und damit de facto massive Einbußen bei der pädagogischen Qualität in Kauf nahm. Nun, kurz vor Landtagswahl, werden nach einem spontanen Kita-Gipfel 50.000 neue Kita-Plätze und eine Verdoppelung der Assistenzkräfte in Aussicht gestellt. Gleichzeitig läuft die Antragsfrist für Fördermittel für ebenjene Assistenzkräfte nur vier Wochen – für zahlreiche Träger mit Blick auf die derzeitige Arbeitsbelastung ein nicht zu schaffender Zeitraum.

Und auch bei der Verwendung der Bundesmittel aus dem Kita-Qualitätsgesetz (insgesamt 530 Mio. Euro) bleibt die Regierung unter Ministerpräsident Söder bei ihrem bisherigen – offensichtlich fehlgeleiteten – Kurs: Allein 220 Mio. Euro, also mehr als 40 Prozent dieser Bundesmittel will die Staatsregierung laut Vertragsentwurf erneut für einkommensunabhängige Beitragszuschüsse verwenden. Um diese Beitragsentlastung finanzieren zu können, sollen darüber hinaus gute 511 Mio. Euro aus Landesmitteln hinzukommen. Viel Geld, das für bessere Arbeitsbedingungen, gut ausgestattete Kitas und die frühe Bildung unserer Kinder fehlt.

Was es jetzt braucht, ist konsequentes Handeln statt noch mehr PR-Shows. Wir Grüne fordern deshalb erneut mit einem Dringlichkeitsantrag

1. 100-prozentige Verwendung der Bundesmittel aus dem Kita-Qualitätsgesetz für Maßnahmen zur Steigerung der pädagogischen Qualität

2. Schließung der Finanzierungslücke in der gesetzlichen Betriebskostenförderung

3. Grundlegende Verbesserung der Arbeitsbedingungen für das Kita-Personal, z. B. durch Entlastung durch Hauswirtschafts- und Verwaltungskräfte, Refinanzierung von Zeitkontingenten für mittelbare pädagogische Tätigkeiten, Verbesserung des Anstellungsschlüssels, Stärkung der Leitungen

4. Verbesserung der Bedingungen für Ausbildung, insbesondere Reform für eine praxisnahe Kinderpflege-Ausbildung mit Vergütung ab dem ersten Tag und Refinanzierung der Praxisanleitung in den Kitas

5. Verbesserung der Attraktivität des Quereinstiegs durch kostenfreie Weiterqualifizierung zur Fach-, Ergänzungs- und Assistenzkraft

6. Entbürokratisierung bei der Anerkennung von ausländischen Qualifikationen und Ausbau von Anpassungs- und Einstiegskursen

7. Stärkung der Kindertagespflege durch den Ausbau der Fachberatung und Vernetzung sowie die Erhöhung von Qualifizierung und Vergütung

Diese Forderungen sind übrigens nicht neu. Fast alle finden sich auch in den Handlungsempfehlungen des Bündnisses für frühkindliche Bildung wieder, das die Staatsregierung ja selbst einberufen hat. Jetzt müsste sie nur noch danach handeln.

Die Ausstattung unserer Kitas und der Kindertagespflege ist kein „nice to have“. Hier wird der Grundstein für die Bildungslaufbahn und die Zukunftschancen unserer Kinder gelegt. Unsere Kinder haben ein Recht auf gute Bildung von Anfang an, unsere Familien brauchen Planungssicherheit und eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf, unsere Gesellschaft braucht die Arbeitskräfte – heute und in Zukunft. Dafür müssen wir jetzt handeln!

In der Plenardebatte am 20. Juli 2023 hat die Staatsministerin Ulrike Scharf erneut ausführlich dargestellt, was die Staatsregierung schon alles Gutes tue und dass man die Situation in den Kitas nicht schlechtreden solle. Aus unserer Sicht ist das Realitätsverweigerung. Die Söder-Regierung  ignoriert die Überlastung der Fachkräfte in den Kitas und lässt Kommunen und freie Träger im Regen stehen. Unser Antrag wurde gegen die Stimmen von Grünen, SPD und FDP abgelehnt.