Bildung und Wissenschaft

Mehr Medienkompetenz für Bayerns Schulen

Studie im Auftrag der Landtags-Grünen zu Digitalen Medien zeigt Fortschritte und Baustellen im Unterricht

03. Juli 2023

Der Unterricht in Bayerns Schule ist heute deutlich digitaler als vor der Corona-Pandemie. Der Zugriff auf das Internet im Unterricht ist Alltag, das Angebot digitaler Medien ist größer und der gemeinsame Austausch einfacher geworden. Doch es gibt noch viele offene Fragen, um tatsächlich beurteilen zu können, auf welchem Niveau Bayerns weiterführende Schulen inzwischen mit digitalen Medien umgehen. Etwa, wie genau und häufig digitale Medien zum Einsatz kommen, wie die Qualität der Internetverbindungen eingeschätzt wird, welche strukturellen Defizite es noch gibt und auch, wie sich die Medienkompetenz bei Schüler*innen und Lehrkräften entwickelt hat. Die Landtags-Grünen haben daher eine Studie bei der Ludwig-Maximilians-Universität München beauftragt. Durchgeführt wurde sie von PD Dr. Claudia Riesmeyer, Prof. Dr. Teresa K. Naab und Jessica Kühn, M.A., am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung. Die Studie zeigt einige gute Entwicklungen, offenbart aber auch Defizite. Erfreulich ist die positive Einstellung gegenüber digitalen Medien. Schüler*innen sehen einen großen Mehrwert in der schnellen und einfachen Informationssuche, sie betonen das selbständige Lernen sowie den leichteren Austausch untereinander und mit den Lehrkräften. Lehrer*innen loben darüber hinaus das Motivationspotential durch digitale Medien, sehen aber auch mehr Risiken etwa beim Datenschutz, problematischen Online-Inhalte und Cybermobbing.

Gefälle bei WLAN-Qualität zwischen Schularten

Problematisch ist etwa auch das Gefälle bei der digitalen Ausstattung zwischen den Schularten. So geben in der Studie nur rund die Hälfte der Mittelschul-Lehrkräfte an, mit der WLAN-Qualität zufrieden zu sein. Über alle Schularten sind es immerhin 75 Prozent.

Das korrespondiert mit der Antwort auf eine grüne Anfrage an das Kultusministerium vom Mai 2023. Diese zeigte einen weiteren Faktor auf, der die Ungleichheit zwischen den Schulen vergrößert: den Standort der Schule. Laut den Antworten des Kultusministeriums differiert das WLAN-Angebot von Landkreis zu Landkreis erheblich: Beim Anteil öffentlicher Schulen mit WLAN kommt beispielsweise der Landkreis Schwabach nur auf 30 Prozent, Amberg erreicht dagegen fast 89 Prozent. Die Gigabitversorgung ist insgesamt besser, jedoch gibt es auch hier Landkreise (z.B. Cham), bei denen lediglich 75 Prozent der Schulen versorgt sind. In den Städten Rosenheim, Passau und Straubing sind es 100 Prozent. Dieses Gefälle muss ausgeglichen werden. Am Ende braucht es die Kombination aus beidem (WLAN + Gigabit), damit die Schulen optimal aufgestellt sind.

Weitere Problemfelder, die die Studie aufzeigt:

Die Sicherheit beim Datenschutz (auch in Bezug auf z.B. ChatGPT), denn Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler nutzen weiterhin auch im Schulkontext häufig ihre privaten Geräte. Die Medienkompetenz, denn sowohl Lehrer*innen als auch Schüler*innen kennen sich bezüglich digitaler Geschäftsmodelle und Algorithmen eher schlecht aus.

Der Bereich Ausbildung zu Teamplayern & Kollaborationen, denn bisher arbeiten Lehrkräfte noch nicht standardmäßig bei digitalen Inhalten zusammen.

Das Fortbildungsangebot, hier wünschen sich Lehrerinnen und Lehrer mehr niedrigschwellige Angebot, es braucht schulinterne Fortbildungen und digitale Selbstlernkurse.

Ein tatsächlicher Qualitätsgewinn im Unterricht durch digitale Medien. Bisher sehen die Lehrkräfte zwar eine erhöhte Motivation, aber noch keine wirkliche Verbesserung des Unterrichts. Hier muss sich über die Ausstattung hinaus, auch die Pädagogik weiterentwickeln.

Der fehlende Einsatz bei Leistungstests. Lehrkräfte nutzen digitale Hilfsmittel zwar vielfältig, aber eben nicht, um Leistungen abzuprüfen. Gerade hier gibt es ein großes Potential den Korrekturaufwand zu erleichtern. Dafür muss aber auch Rechtssicherheit geschaffen werden.

Prof. Dr. Teresa K. Naab, inzwischen tätig an der Universität Mannheim, Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft, erklärt zu den Ergebnissen der Studie:

„Die Befunde verdeutlichen die Relevanz und die hohe Aufgeschlossenheit von Schülerinnen und Schülern, sowie Lehrerinnen und Lehrern gegenüber digitalen Medien im Unterricht. Damit schulische Medienbildung gelingen kann, sind verlässliche strukturelle Rahmenbedingungen ebenso nötig, wie die Entwicklung geeigneter Unterrichtsmaterialien.“ Die Erkenntnisse aus der Studie „Digitale Medien in der Schule“ offenbaren auf einigen Feldern deutlichen Handlungsbedarf. Die Landtags-Grünen fordern die Söder-Regierung daher auf diese Lücken für Lehrkräfte und Schüler*innen zügig zu schließen.

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, sagt:

„Jedes Kind hat eine unbeschwerte Kindheit, faire Chancen und eine gute Schule verdient. Und gute Schule bedeutet heute auch, dass Digitalisierung nicht mehr länger nur ein Randthema im Lehrplan ist. Das Kultusministerium hat hier viel zu lange vor sich hingedöst, bis mit der Corona-Pandemie ein Weckruf erschallt ist. Jetzt muss aber auch dafür Sorge getragen werden, dass es keine Ungleichheiten gibt: Egal in welchem Landkreis und egal auf welche Schule die Kinder gehen, müssen sie die gleiche digitale Ausstattung und Qualität nutzen können. Hier ist noch viel zu tun.“

„Es gilt die Chancen, die digitale Medien in der Schule mit sich bringen, in die richtigen Bahnen zu lenken. Unsere Kinder müssen auch lernen, wie man Informationen einordnet. Es ist Aufgabe der Schulen ihre Medienkompetenz zu stärken. Das passiert bisher zu wenig. Kinder, die wissen, was Algorithmen sind, die Fake News erkennen, die verstehen, wie im Netz Geld verdient wird, bekommen das Rüstzeug mit, um auch rechtzeitig zu erkennen, wenn die Stabilität unserer Demokratie angegriffen wird.“

Max Deisenhofer, Sprecher für digitale Bildung der Landtags-Grünen, erklärt:

„Damit Lehrkräfte alle Chancen der Digitalisierung auch wirklich nutzen können, muss Freie Wähler-Kultusminister Piazolo endlich für Rechtssicherheit sorgen – bei der Benutzung von ChatGPT im Schulkontext genauso wie bei digitalen Leistungstests.“

„Die Studie zeigt: Lehrkräfte müssen noch mehr zu Teamplayern ausgebildet werden und sie brauchen noch viel mehr Best-Practice-Beispiele für innovative Unterrichtskonzepte – dann können sie auch alle Vorteile der Digitalisierung wirklich ins Klassenzimmer tragen. Gerade in dieser dynamischen Entwicklung braucht es jetzt dauerhaft niedrigschwellige Fortbildungsangebote an den einzelnen Schulen oder digitale Selbstlernkurse, um auch kurzfristig bei technischen Neuerungen auf dem aktuellen Stand zu bleiben.“

Medienkompetenz, WLAN als Standard, Fördergelder monitoren

Die wichtigsten Forderungen der Landtags-Grünen, um Bayerns Schulen bei digitalen Medien stark und zukunftsfest aufzustellen sind:

  • Medienkompetenz muss in den Fokus gerückt werden! Das ist eine gemeinsame Aufgabe für Schule und Elternhaus. Die Studie offenbart eine große Anwendungskompetenz der Schüler*innen bei digitalen Medien, aber auch große Lücken beim Wissen über digitale Geschäftsmodelle und Algorithmen. Es muss sichergestellt werden, dass bestimme Basics der Medienkompetenz im Unterricht an alle Schüler*innen vermittelt wird, egal an welcher Schulart. Das ginge mit einem eigenen Fach oder mit verbindlichen Vorgaben für das fächerübergreifende Lernen.
  • Eine verbesserte Infrastruktur: WLAN muss überall zügig Standard werden, Breitband muss für jede Schule verfügbar sein. Es kann nicht sein, dass das Ausstattungsgefälle über die Schularten und auch die erheblichen Unterschiede von Kommune zu Kommune weiterhin bestehen bleiben. Hier braucht es endlich deutlich mehr Tempo, damit in allen Schulen moderner digitaler Unterricht überhaupt erst technisch möglich wird.
  • Ein Monitoring bei der Vergabe von Fördermitteln, damit diese möglichst auch gleichmäßig über alle Schularten verteilt werden. Bisher werden die Fördermittel an die Kommunen als Sachaufwandsträger vergeben, wie diese dann aber innerhalb ihrer Kommune die Mittel unter den Schulen verteilen, wird nicht beobachtetet. Kleine Kommunen haben zudem oft in ihrer Verwaltung keine Kapazitäten für die komplizierten Förderprogramme. Die Söder-Regierung muss die Verteilung der Mittel pro Schulart monitoren, um keine zu großen Ungleichgewichte innerhalb der Kommunen zuzulassen.
  • Der Kauf gebrauchter Geräte muss auch über Förderprogramme ermöglicht werden: Bisher müssen über Förderprogramme gekaufte oder geleaste Geräte neu sein. Unter Umweltaspekten sollte, bei entsprechender Garantie, auch der Kauf gebrauchter Geräte möglich sein.
  • Es braucht ein kleinteiliges Fortbildungsangebot, am besten an der Schule selbst und verstärkt auch online: Zum einen lernen die Lehrkräfte bei schulinternen Fortbildungen meistens mehr und schneller, weil die Fortbildung auf ihre Ausstattung an der jeweiligen Schule und den jeweiligen Bedarf ausgerichtet ist. Zum anderen können sie Selbstlernkurse zeitlich flexibel am besten in ihren Wochenablauf integrieren, ohne dass Unterricht ausfallen muss. Beides ist auch deutlich schneller geplant und umgesetzt als mehrtägige zentrale Fortbildungen in Präsenz. Insgesamt muss das Angebot agiler werden. Auf aktuelle Entwicklungen wie zum Beispiel ChatGPT kann so deutlich schneller reagiert werden.
  • Lehrkräfte müssen mehr zu Teamplayern ausgebildet werden, um die Chancen der Zusammenarbeit im Digitalen auch auszunutzen: Bisher sind Lehrkräfte in Ausbildung und Alltag mehr oder minder als Einzelkämpfer*in allein für ihre/seine Stunden zuständig. Mehr Zusammenarbeit bei Planung und Material sorgt für bessere Lernergebnisse bei den Schüler*innen, für Methodenvielfalt und für Arbeitserleichterung bei den Lehrkräften, die beispielsweise erfolgreiche Unterrichtsstunden oder -konzepte öfter und geregelter untereinander austauschen können.
  • Hinsichtlich ChatGPT und digitaler Leistungstests muss die Rechtssicherheit für Lehrkräfte gewährleistet sein: Bisher können Lehrkräfte ChatGPT nicht über die BayernCloud Schule nutzen, sondern müssen sich genauso wie Schüler*innen vor der Benutzung mit ihren privaten Daten einen Account anlegen. Rein digitale Leistungstests dürfen derzeit noch nicht benotet werden. Beides muss die Staatsregierung datenschutzrechtlich schnell klären und integrieren, damit mit beidem ab sofort gearbeitet werden kann.
  • KI als Chance für Arbeitsentlastung der Lehrkräfte: Garant für einen gelungenen Unterricht ist und bleibt die Lehrkraft. Die KI kann aber inzwischen helfen Zeugnisbemerkungen zu schreiben, Arbeitsblätter zu erstellen, Aufsätze zu korrigieren und vieles mehr. Etliche Lehrkräfte kennen diese Chancen aber noch nicht. Gerade in Zeiten des Lehrkräftemangels muss mittels Fortbildungen auf die Möglichkeiten der Arbeitsentlastung verstärkt hingewiesen 4 werden. So bleibt dann auch wieder mehr Zeit für die Arbeit am Kind, bzw. Jugendlichen. Und gute Kenntnisse sind auch eine Frage der Rechtssicherheit.
  • Fokus muss hin zum pädagogischen Mehrwert: Wir Grüne wollen die politische Debatte auf die Möglichkeiten des Mehrwerts für die Kinder lenken. Dafür brauchen die Lehrkräfte mehr umfassendes Wissen: In welchem Fach und welcher Jahrgangsstufe eignet sich der Einsatz von welchem Medium? Was funktioniert besonders gut? Wo arbeite ich lieber analog? Die Aufgabe liegt organisatorisch beim Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB), diese Behörde gehört zum Kultusministerium. Hier müssen die Weichen für eine kompetente Weiterentwicklung des pädagogischen Mehrwerts gestellt werden.