Mit grünen Energien Bayern als Wirtschaftsstandort sichern

Pressekonferenz Grüne Fraktionsklausur

19. Januar 2024

Ein erfolgreicher, agiler Wirtschaftsstandort benötigt eine gute Infrastruktur, und zwar in allen Bereichen. Dazu gehören eine sichere, nachhaltige Energieversorgung, ein gut ausgebautes Schienen- und Straßennetz, eine Verwaltung auf der Höhe der Zeit, ein exzellentes sowie inklusives Bildungs- und Betreuungssystem und ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte.

All diese Bereiche wurden in den letzten Jahrzehnten sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene massiv vernachlässigt, solche Defizite können nicht innerhalb weniger Jahre ausgeglichen werden. Der Ausbau der Erneuerbaren Energie und der Stromnetze wurde in Bayern nicht vorangetrieben, Brücken und Eisenbahnschienen sind marode, die Digitalisierung der Verwaltung steckt fest, die PISA-Studie zeigt, dass wir uns in den letzten Jahren weiter verschlechtert und als Folge immer mehr junge Menschen keinen Berufsabschluss haben, wodurch Fachkräfte fehlen. Gleichzeitig wurde nicht auf den demografischen Wandel reagiert und genügend qualifizierte Zuwanderung zugelassen.

Diese Versäumnisse wirken in Krisen wie ein Brennglas. Die Coronakrise, der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf die Ukraine und der Konflikt in Israel verdeutlichen, dass unsere Wirtschaft nicht resilient genug ist. Wir müssen eine De-Risking-Strategie fahren und uns insbesondere bei der Energieversorgung deutlich unabhängiger machen. Das Potential für Erneuerbare Energien in Deutschland und Bayern ist enorm.

Wirtschaft fordert Ausbau regenerativer Energien

Bayern als starker Wirtschaftsstandort ist auf günstige grüne Energie angewiesen. Die Energiekrise, ein Resultat der Abhängigkeit des Freistaats von russischem Erdgas, hat gezeigt, wie wichtig der Ausbau der Erneuerbaren Energien vor Ort für unsere Wirtschaft und lokale Wertschöpfung ist. Doch während andere Länder längst erkannt haben1, dass regenerative Energien ein Standortvorteil sind, stockt der Ausbau in Bayern. Die Potentiale insbesondere in den Bereichen Wind und Erdwärme werden von der Staatsregierung kaum beachtet – zum Nachteil der heimischen Wirtschaft. Der Chiphersteller Intel etwa hat sich für den Standort in Magdeburg und nicht in Bayern entschieden – einer der entscheidenden Gründe: dort ist ausreichend grüne Energie vorhanden2. (Sachsen-Anhalt hat trotz deutlich geringerer Fläche mehr als doppelt so viele Windräder als Bayern installiert3.)

Doch anstatt endlich anzupacken und dem Ruf der bayerischen Wirtschaft nach preiswerter grüner Energie nachzukommen, sind die Ausbauzahlen in Bayern alarmierend gering: Insgesamt sind derzeit nur 1.015 Windräder mit einer Leistung von 2.600 Megawatt (MW) installiert. Die bayerische Staatsregierung will bis 2030 zwar 1.000 neue Anlagen installieren, doch bislang wurden nur sieben Windräder4 im Jahr 2023 in Bayern installiert.  
Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen waren es im selben Zeitraum über 100 Windräder. Um die Energiewende zum Erfolg zu bringen, fordert auch die bayerische Wirtschaft deutlich mehr Anstrengungen beim Windausbau5. Um ausreichend grüne Energie bereitzustellen, brauchen wir 1.500 neue Windräder bis 2030. Mit dem Ausbau regenerativer Energien leisten wir nicht nur unseren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele, wir machen uns zugleich unabhängiger von autokratischen Staaten, sichern unsere Versorgung und machen die Strompreise deutlich günstiger. Insbesondere im ländlichen Raum könnten die Menschen vom Ausbau noch viel mehr profitieren, indem etwa Energiegenossenschaften und Bürger*innenbeteiligung, beispielsweise bei Windparks, massiv gestärkt werden. 

Jetzt den Geothermie-Turbo zünden

Doch nicht nur bei der Windenergie sind diese Anstrengungen nötig – auch beim Thema Geothermie braucht es einen Turboschub: Direkt unter unseren Füßen liegt in Bayern ein echter Wärmeschatz, der kaum genutzt wird. Dabei könnten mit Hilfe der sogenannten Tiefen- und Oberflächennahen Geothermie fast drei Viertel aller Gebäude in Bayern beheizt werden6. Geothermie hat ein riesiges Klimaschutz-Potenzial! Momentan werden jedoch nur 0,5 Prozent der Wärme in Bayern durch Tiefen-Geothermie bereitgestellt. Stattdessen werden noch immer knapp 74 Prozent fossile Brennstoffe wie Öl und Gas zur Wärmebereitstellung eingesetzt7. Allein die Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich betragen noch immer 25 Prozent der gesamten bayerischen Emissionen – und sie sinken deutlich langsamer als die bundesweiten Zahlen8.  

Unter diesen Umständen erreicht Bayern sein selbstgestecktes Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein, nicht. So gab es in den letzten zwei Jahren kein einziges neues Tiefen-Geothermie-Projekt in Bayern. Der Preis „Champion Geothermie” des Bundesverbands Geothermie ging zuletzt nach Mecklenburg-Vorpommern. Bayern braucht bei der Geothermie dringend ein Sofortprogramm, um den Ausbau wieder anzukurbeln. Es soll konkrete Maßnahmen vorsehen wie einen Anschub bei der Förderung. Denn: Die Finanzierung von Bohrungen und Nah- und Fernwärmenetzen bereitet den Kommunen Schwierigkeiten – den niedrigen Betriebskosten stehen hohe Anfangsinvestitionen entgegen. Bereits für kleinere Nahwärmenetze können Kosten von mehreren Millionen Euro entstehen. Deshalb fordern wir die Auflage eines Kreditprogramms für Kommunen zur Finanzierung der Anfangsinvestitionen bei Nahwärmenetzen für Geothermiewärme sowie eine Ausfallbürgschaft bei Tiefenbohrungen. Um die Potentiale der Geothermie besser zu kennen, wollen wir eine landesweite seismische Messkampagne, um den Untergrund mit Hilfe von Schallwellen zu erkunden. Zudem stehen Geothermieprojekte oft vor großen Bürokratie Hürden: Insbesondere bei oberflächennahen Projekten wollen wir Hindernisse und langwierige Genehmigungsverfahren abschaffen und neue Techniken ermöglichen. 

Wasserstoff – wertvoll für industrielle Prozesse

Auch beim Thema Wasserstoff hinkt Bayern der Entwicklung hinterher: Zwar stellt die Staatsregierung diesen gern als Allheilmittel dar, unternimmt jedoch so gut wie nichts, damit dieser auch in Bayern in ausreichenden Mengen für die Wirtschaft produziert werden kann. Mehr Windräder sind hierbei essenziell. Sie können zusammen mit Photovoltaik-Anlagen den grünen Wasserstoff (welcher zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammt) produzieren, den unsere Industrie dringend benötigt. Wir müssen daher die Windenergieflächen deutlich schneller ausweisen, um die notwendigen 1.500 neuen Windräder bis 2030 zu ermöglichen. Dafür müssen bereits bis Mitte 2025 zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie bereitgestellt werden. Gleichzeitig müssen auch beim Heizen der Gebäude klimafreundliche Technologien umgesetzt werden. Durch eine stärkere Nutzung der Erdwärmepotentiale kann dann grüner Wasserstoff dort eingesetzt werden, wo er wirklich gebraucht wird: in industriellen Prozessen, bei denen eine hohe Energiedichte erforderlich ist – und nicht, um, wie von der Söder-Regierung geplant, Gebäude zu heizen. 

Verbindlichkeit und Planungssicherheit bei der Wärmeplanung 

Um das große Potential der Erneuerbaren Energien im Wärmebereich stärker zu nutzen, hat die Bundesregierung bereits zahlreiche Gesetze auf den Weg gebracht. Mit dem Wärmeplanungsgesetz soll die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung – also der Umstieg von fossilen Brennstoffen auf kohlenstofffreie und Erneuerbare Energiequellen – in den Kommunen vorangebracht werden. Der Bundesgesetzgeber hat hier den Rahmen gesetzt. Jetzt sind die Länder gefragt, die Details in einem Landesgesetz auszuarbeiten. Jedoch sperrt sich die bayerische Staatsregierung und verschleppt die dringend notwendige Wärmewende. Wie und unter welchen Umständen Kommunen Wärmepläne erstellen sollen, ist genauso festzulegen wie die Anpassung an die bayerischen Klimaziele, um somit Planungssicherheit für unsere Kommunen zu schaffen. Wir wollen, dass schnellstmöglich ein Landesgesetz oder eine Rechtsverordnung zur Wärmeplanung eingeführt wird. 

Nachwuchsgewinnung im Handwerk 

Für eine Beschleunigung bei den regenerativen Energien braucht es die entsprechende Woman- und Manpower. Wohl jede*r kennt einen Fall, bei dem ein Handwerksbetrieb keine Kapazitäten aufgrund fehlender Fachkräfte hat, um überhaupt ein Angebot für eine Wärmepumpe, Fotovoltaikanlage und/oder einen Energiespeicher zu erstellen. 

In Bayern verlassen regelmäßig fast fünf Prozent der Schüler*innen eines Jahrgangs die Schule ohne einen Abschluss der Mittelschule. Bei Schüler*innen mit ausländischer Staatsangehörigkeit liegt der Anteil bei über 15 Prozent. Gleichzeitig haben noch nie so viele Jugendliche ihre Berufsausbildung abgebrochen. Bundesweit haben laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 2,6 Millionen Menschen zwischen 20 und 35 Jahren keine abgeschlossene Berufsausbildung. Generell entscheiden sich immer mehr gegen eine Berufsausbildung: So waren im Herbst 2023 mehr als 20.000 Ausbildungsstellen in Bayern unbesetzt, im bayerischen Handwerk waren es über 28 Prozent der Ausbildungsplätze. 

Dieser Entwicklung muss Bayern schnell entgegenwirken und die duale Ausbildung und den Handwerksberuf wieder attraktiver machen. Mit dem von der Staatsregierung einzelnen „Tag des Handwerks“ pro Jahr in den Schulen ist dies nicht zu erreichen. Die Berufsorientierung muss stärker an den individuellen Neigungen und Interessen der Jugendlichen ansetzen und die verschiedenen Berufe erlebbar machen. Wir wollen daher Pflichtpraktika, berufspraktische Inhalte und Beratung für den Weg zur Ausbildung an allen Schularten ab der 7. Klasse fest verankern. Wir fordern zwei Wochen Praktikum pro Schuljahr verbindlich ab der 7. Klasse in allen Schularten. Wir wollen mittelfristig eine 110-prozentige Lehrkräfteversorgung an jeder Schule, insbesondere an den Berufsschulen, damit Unterrichtsausfälle vor Ort aufgefangen werden können.  
Weiter wollen wir eine Kampagne für Ausbildungsberufe an allen Schulformen starten, die sich sowohl an junge Menschen als auch ihre Eltern richtet. Wir wollen Pilot-Projekte der Mentoring-Begleitung für den Übergang von Schule in den Beruf zu flächendeckenden Angeboten ausbauen. Berufliche Schulen und überbetriebliche Ausbildungsstätten brauchen einen ausreichenden Etat für Ausstattung und Fortbildung. Eine optimale Ausstattung ist die Voraussetzung für einen modernen Unterricht. 

Die Umsetzung der Klima- und Energiewende vor Ort erfolgt zum großen Teil durch die Fachkräfte des Handwerks. Die schnell fortschreitende Weiterentwicklung der Technologien und Produkte erfordert eine kontinuierliche Anpassung der Lehr- und Lernbedingungen, deshalb brauchen wir gewerkeübergreifende Schulungsstätten9 (Energiehaus, Reallabor), an denen alle „energetischen Handwerke“ gemeinsam für die neuen Aufgaben qualifiziert werden. Diese Rahmenbedingungen bilden die wichtige Voraussetzung dafür, dass der Wirtschaftsstandort Bayern weiterhin attraktiv bleibt und die bayerischen Unternehmerinnen und Unternehmer weiterhin erfolgreich Geschäfte machen können. 

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen:

„Bayern sitzt auf einem riesigen Wärmeschatz. Fast drei Viertel aller Gebäude in Bayern könnten mithilfe von Geothermie, also Erdwärme, beheizt werden – bei niedrigen Betriebskosten und so gut wie keinen klimaschädlichen Emissionen! Die Investitionen für die Bohrungen sind jedoch hoch. Deshalb muss die Staatsregierung endlich ein Kredit- und Förderprogramm auflegen, das insbesondere den Kommunen solche Anfangsinvestitionen ermöglicht. Es rechnet sich! Sowohl für den Geldbeutel der Bayerinnen und Bayern als auch in Sachen Klimaschutz!“

„Bayerns Ministerpräsident hat bei der Geothermie bisher völlig versagt. Er will nichts investieren, und das ist fatal. Anstatt klimaschonende unterirdische Wärmequellen zu fördern, anstatt einen funktionierenden bayerischen Plan zur Einhaltung der bayerischen Klimaziele zu entwickeln, zeigt Markus Söder lieber nach Berlin und wartet weiter ab. Wir haben aber keine Zeit mehr zu verlieren! Die CSU trägt damit eine hohe Mitverantwortung an den zunehmenden Schäden durch Unwetter, Dürren und großen Belastungen der Menschen durch Hitzewellen. Dies alles sind Folgen des Klimawandels. Die Geothermie kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, diesen zu verlangsamen.“ 

„Mehr als die Hälfte des bayerischen Energiebedarfs wird für die Erzeugung von Wärme gebraucht. Entweder fürs Heizen von Gebäuden oder als Prozesswärme für die Industrie. Wir Grüne lassen nicht locker mit unserem Weckruf in Sachen Geothermie! Solange, bis die Staatsregierung endlich aufwacht und diese klimafreundliche Methode ausreichend fördert.“ 

„In der Wirtschaft sind verfügbare und bezahlbare Energien immer mehr ein entscheidender Standortfaktor. Bayern gilt durch den verzögerten Ausbau der Erneuerbaren Energien bereits als Sorgenkind der Nation. Es ist unsere Pflichtaufgabe innerhalb dieses Jahrzehnts, eine Energieversorgung aus stabilen, sauberen Quellen aufzubauen. Denn wir wollen, dass der Wohlstand und die Industrie weiter in Bayern zu Hause sind und hier neue Innovationen entstehen."