Seehofers Luftnummer - Landtag debattiert über Umsetzung der Barrierefreiheit

<p><strong>Die Umsetzung der Barrierefreiheit in Bayern kommt nicht richtig voran!</strong> Auch zwei Jahre nach Seehofers ehrgeizigem Versprechen, "Bayern wird in zehn Jahren komplett barrierefrei", gibt es immer noch nicht das in der Regierungserklärung versprochene Sonderinvestitionsprogramm ‚Bayern Barrierefrei 2023‘. Im aktuellen Nachtragshaushalt 2016 sind ebenfalls keine zusätzlichen Investitionen für Barrierefreiheit vorgesehen. Es existiert bisher noch nicht einmal ein eigener ressortübergreifender Haushaltstitel für das Sonderinvestitionsprogramm.

13. November 2015

Stattdessen werden lediglich einige alte Haushaltstitel unter dem Label ‚Bayern barrierefrei‘ neu sortiert und zu einem angeblichen Investitionsvolumen von 200 Mio. € aufgebläht. "Bei dem angeblichen Sonderinvestitionsprogramm handelt es sich in Wahrheit um eine dreiste Täuschung", kritisiert die Grüne Inklusionsexpertin Kerstin Celina.

Nur 10 Prozent der behaupteten Haushaltssumme, oder 20 Millionen Euro, sind tatsächlich frisches Geld. Dies musste auch Sozialministerin Emilia Müller in den Beratungen zum Doppelhaushalt 2015/2016 im Haushaltsausschuss zugeben. Bei dem Rest handelt es sich um ein Sammelsurium aus Bundesmitteln, die von der Staatsregierung lediglich weitergereicht werden, sowie um allgemeine Förderprogramme, z.B. im Baubereich, bei denen einfach fiktive Anteile für die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit ausgewiesen werden. „Ein Sonderinvestitionsprogramm ohne zusätzliche Haushaltsmittel ist jedoch nicht mehr als eine Fiktion“, erläutert Kerstin Celina. „Dieser Haushaltsbluff zeigt, dass sich die Staatsregierung schon längst wieder von dem Projekt einer ernsthaften Umsetzung der Barrierefreiheit verabschiedet hat!“

Selbst Sozialministerin Müller ging in ihren vorsichtigen Schätzungen von einem zusätzlichen Investitionsbedarf von mindestens 2 bis 3 Milliarden Euro bis 2023 aus, um Bayern tatsächlich, wie in der Regierungserklärung versprochen, „im gesamten öffentlichen Raum und im gesamten ÖPNV“ barrierefrei zu machen. Mit ihrer bereits in einer interministeriellen Arbeitsgruppe abgestimmten Beschlussvorlage für ein Gesamtkonzept zur Umsetzung des Sonderinvestitionsprogramms, ist sie bereits im Juli 2014 im Ministerrat grandios gescheitert. Damals konnte sich Finanzminister Söder mit seinem Veto durchsetzen. Für ihn gilt weiterhin die bisherige Maxime der bayerischen Staatsregierung, wonach die Umsetzung der Inklusion in Bayern kein zusätzliches Geld kosten darf und im Rahmen der vorhandenen Haushaltmittel zu erfolgen hat.

Ein weiteres wertvolles Jahr ist verloren gegangen

Ohne zusätzliche Fördermittel ist das Ziel der Barrierefreiheit in dem angestrebten Zeitrahmen niemals zu erreichen! Dies hat auch Ministerin Müller in ihrer Beschlussvorlage für den Ministerrat im Sommer 2014 noch deutlich betont. „Das zusätzliche Mittel erforderlich sein werden, ergibt sich bereits aus der Regierungserklärung selbst, da hier die Auflage eines Sonderinvestitionsprogramms angekündigt wird“, formuliert Müller gegen Söder in ihrer Vorlage für den Ministerrat. Die erste Bestandserhebung der einzelnen Ministerien habe überdeutlich gemacht, „dass das Ziel der Regierungserklärung durch finanzielle Schwerpunktsetzungen innerhalb der Ressorts nicht zu erreichen sein wird“. Schon damals hatten die einzelnen Ressorts einen zusätzlichen Finanzbedarf von knapp 200 Mio. € für den Doppelhaushalt 2015/2016 angemeldet. Und in der interministeriellen Vorlage findet sich noch eine weitere wichtige Warnung: „Eine Verzögerung der Entscheidung über das Grundkonzept ‚Bayern barrierefrei 2023‘ würde das Ziel der Regierungserklärung aus Sicht des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales und des Staatsministeriums des Inneren im Hinblick auf den ehrgeizigen Zeitraum vereiteln“. Deutlicher kann man es nicht mehr formulieren!

Leider scheiterten Sozialministerin Müller und Innenminister Hermann mit ihrem Beschlussvorschlag im Ministerrat. Seitdem ist das Grundkonzept wieder in der Schublade der federführenden Ministerien verschwunden. Auch die geplante Beteiligung des Landtages, der maßgeblichen Verbände und Organisationen behinderter Menschen sowie der kommunalen Spitzenverbände an der Weiterentwicklung des Konzepts ‚Bayern barrierefrei 2023‘  wurde bisher nicht umgesetzt. „Damit ist ein weiteres wertvolles Jahr für die Umsetzung der Barrierefreiheit in Bayern verloren gegangen“, beklagt Kerstin Celina. „Bei dem jetzigen Tempo wird die Verwirklichung der Barrierefreiheit nicht zehn, sondern vermutlich eher einhundert Jahre dauern. Wir sollten also ehrlicherweise von einem Programm ‚Bayern Barrierefrei 2123‘ sprechen!“


Bayern barrierefrei: das Grüne Antragspaket