Hochgradig Sehbehinderte besser stellen!

<p><strong>Wir fordern die Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes. </strong>Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen fordern bereits seit langem einen staatlichen Nachteilsausgleich für hochgradig Sehbehinderte in Bayern. Bisher haben nur vollständig erblindete oder taubblinde Menschen einen Anspruch auf Blindengeld nach dem bayerischen Blindengeldgesetz.<br>

10. Juni 2015


Die rund 5.500 hochgradig sehbehinderten Menschen in Bayern (Sehschärfe beträgt auf dem besseren Auge lediglich zwischen zwei und fünf Prozent)  leiden unter einer eklatanten Versorgungslücke. Dies ist fachlich und politisch unbestritten. Sie haben aufgrund ihrer Sehschädigung einen ähnlich hohen Assistenz- und Hilfebedarf wie blinde Menschen, müssen aber alle Aufwendungen für Hilfsmittel oder Unterstützungsleistungen selber tragen. Um selbstbestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilhaben zu können, benötigen sie persönliche Assistenz sowie technische Hilfsmittel zur Kommunikation, Mobilität und Bewältigung des Alltags. Der dauerhafte Hilfebedarf führt zu einer erheblichen finanziellen Belastung. Die betroffenen Personen sind deshalb auf eine Ausgleichsleistung angewiesen.

Gemeinsam mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB) fordern wir auch für Bayern die Einführung eines abgestuften Blindengeldes für hochgradig sehbehinderte Menschen in Höhe von 30 Prozent des blinden Menschen gewährten Blindengeldes. Bei einem aktuellen monatlichen Blindengeld von 544 Euro ergibt sich daraus ein Leistungsanspruch von 163 Euro pro Monat für hochgradig Sehbehinderte. Wir haben deshalb im Oktober 2014 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes in den Landtag eingebracht, der am Donnerstag, 11.Juni, im Sozialausschuss beraten wird.

In vielen anderen Bundesländern gibt es bereits einen Nachteilsausgleich für hochgradig Sehbehinderte. So erhalten hochgradig Sehbehinderte in Berlin zwischen 20 und 40 Prozent der Hilfe für blinde Menschen, in Hessen 30 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern 25 Prozent; in Nordrhein-Westfalen erhalten sie einen monatlichen Festbetrag von 77 Euro, in Sachsen 52 Euro und in Sachsen-Anhalt 41 Euro. Auch im Bundesversorgungsgesetz wird die besondere Situation hochgradig sehbehinderter Menschen berücksichtigt. Bei einer Schädigung während der Ausübung des militärischen Dienstes haben sie einen Anspruch auf eine Pflegezulage in Höhe von monatlich 282 Euro.

CSU-Regierung muss Versprechen aus der letzten Legislaturperiode einhalten

Bayern war beim Blindengeld einmal bundesweit Vorreiter, 1949 wurde als erstes Bundesland ein Landesblindengeldgesetz verabschiedet. Doch momentan sind uns viele andere weit voraus. Die bestehende, eklatante Versorgungslücke für hochgradig sehbehinderte Menschen muss endlich geschlossen werden.

Bereits in der letzten Legislaturperiode haben wir Grüne gemeinsam mit der SPD einen Gesetzesentwurf zur Einführung eines Taubblindengeldes und eines abgestuften Blindengeldes für hochgradig sehbehinderte Menschen vorgelegt. Er wurde von CSU und FDP aus Kostengründen abgelehnt.

Der folgende Gesetzentwurf der schwarz-gelben Regierung 2013 beinhaltete ein erhöhtes Taubblindengeld. Das war ein wichtiger, längst überfälliger Schritt auf dem Weg zur Inklusion in Bayern, sollte aber nach einer Bestandsgarantie für das bayerische Blindengeld lediglich der zweite Schritt im Rahmen eines Mehr-Stufen-Modells sein. Als dritten Schritt sollte anlässlich des Nachtragshaushaltes 2014 der Einstieg in ein Schwerstsehbehindertengeld vollzogen werden. Schritt Nummer 4 sollte dann das neue Bundesteilhabegesetz und die grundlegende Reform der Eingliederungshilfe sein. Das wurde nicht erfüllt: Die CSU-Regierung hat keine Mittel für ein Schwerstsehbehindertengeld im Doppelhaushalt 2015/16 eingestellt. Wir fordern die Aufstockung des Blindengelds im Nachtragshaushalt 2016 und die Gewährung eines abgestuften Blindengelds als Nachteilsausgleich für hochgradig Sehbehinderte.

Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif

Der erhöhte Bedarf der hochgradig Sehbehinderten ist unbestritten, wurde aber aus Haushaltserwägungen abgelehnt. Während für das beschlossene Taubblindengeld nur 730.000 Euro aufgebracht werden müssen, sollte das abgestufte Blindengeld laut CSU-Regierung einen Mehraufwand von 11,5 Millionen Euro  jährlich bedeuten. Die Ablehnung aus Kostengründen ist ein Armutszeugnis für die bayerische Behindertenpolitik.

Laut den aktuellen Zahlen des ‚Zentrums Bayern Familie und Soziales‘ ist die Zahl hochgradig sehbehinderter Menschen in Bayern mit 5.518 geringer als bisher angenommen (6.100 Personen). Nur etwa die Hälfte dieser Personen hat den Anspruch auf die volle Geldleistung in Höhe von 163 Euro. Die anderen 50 Prozent haben wegen eines Heimaufenthaltes oder wegen dem Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung nur einen reduzierten Anspruch. Insgesamt summieren sich die Kosten für das abgestufte Blindengeld deshalb nach unseren Berechnungen lediglich auf 8,32 Millionen Euro.

Diese zusätzlichen Kosten liegen deutlich unter den jährlichen Einsparungen durch die rückläufige Zahl der Blindengeldempfänger. Letztlich erfolgt bereits seit längerem eine Haushaltskonsolidierung zu Lasten blinder Menschen. In den vergangenen zwanzig Jahren ist die Zahl der Blindengeldempfänger in Bayern aufgrund der medizinischen Fortschritte bei der Behandlung von Augenkrankheiten um fast 4.000 von 18.437 im Jahr 1992 auf 14.455 im Jahr 2013 zurückgegangen. Allein dadurch werden jährliche Einsparungen von rund 20 Millionen Euro realisiert. Hinzu kommt in Bayern seit 2004 eine Kürzung des Blindengeldes um 15 Prozent auf 85 Prozent der im SGB XII vorgesehenen Blindenhilfe. Dadurch werden noch einmal jährliche Einsparungen von rund 12 Millionen Euro erzielt. Wir fordern, dass wenigstens ein Teil der eingesparten Mittel für die Beseitigung der unbestrittenen Versorgungslücken bei Menschen mit hochgradiger Sehbehinderung verwendet wird.

Wir dürfen den betroffenen hochgradig sehbehinderten Menschen, die dringend auf die zusätzlichen Leistungen angewiesen sind, nicht aus Kostengründen eine Verbesserung ihrer Situation verweigern. Dies würde soziale Isolation, ein Abrutschen in die Armut und die zwangsweise Unterbringung in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe bedeuten.
 

Mittel für das Blindengeld im Doppelhaushalt 2015/16

Kosten für das abgestufte Blindengeld für hochgradig Sehbehinderte

Jährliche Einsparungen seit 2004 durch Kürzung des Blindengeldes auf 85 Prozent

Einsparungen durch die seit 1992 um 4.000 gesunkene Zahl der Blindengeld-empfänger

81 Mio Euro

8,32 Mio Euro

12 Mio Euro

20 Mio Euro