CSU bricht Versprechen: Kein Blindengeld für hochgradig Sehbehinderte in Bayern

<p><strong>Ein Gesetzesentwurf zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes, den die Grüne Landtagsfraktion gemeinsam mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB e.V.) in den Landtag eingebracht hat, wurde in dieser Woche im Ausschuss für Arbeit und Soziales mit den Stimmen der CSU-Mehrheit abgewiesen.</strong> <a href="/fileadmin/bayern/user_upload/ContentFiles/14_10_15_drs._3518_gruene_gesetzesentwurf_zur_aenderung_des_bayerischen_blindengeldgesetzes.pdf">Der Gesetzesentwurf</a> sah für die knapp über 5.000 hochgradig sehbehinderten Menschen in Bayern ein abgestuftes Blindengeld in Höhe von 30 P

12. Juni 2015

rozent des Blindengeldes, welches an vollständig erblindete Menschen gezahlt wird, vor.

Ein ähnlicher Gesetzesentwurf von Grünen und SPD wurde bereits in der letzten Legislaturperiode beraten. Damals im Jahr 2012 konnte sich die CSU lediglich zu einem erhöhten Blindengeld für taubblinde Menschen durchringen, versprach in der Landtagsdebatte aber, spätestens im Jahr 2014 in einem weiteren Schritt ein Schwerstsehbehindertengeld einzuführen. Im Sozialausschuss musste die CSU nun eingestehen, dieses Versprechen nicht einhalten zu können. „Die CSU-Sozialpolitiker halten zwar einen Nachteilsausgleich für hochgradig Sehbehinderte für sachlich gerechtfertigt, konnten sich aber wieder einmal nicht gegenüber den eigenen Haushältern durchsetzen“, kritisiert die Grüne Inklusionsexpertin Kerstin Celina.

Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen fordern bereits seit langem einen staatlichen Nachteilsausgleich für hochgradig Sehbehinderte in Bayern. Bisher haben nur vollständig erblindete oder taubblinde Menschen einen Anspruch auf Blindengeld nach dem bayerischen Blindengeldgesetz. „Die 5.229 hochgradig sehbehinderten Menschen in Bayern leiden unter einer eklatanten Versorgungslücke“, erklärt Kerstin Celina.  „Sie haben einen ähnlich hohen Assistenz- und Hilfebedarf wie blinde Menschen. Bisher müssen diese Menschen alle Aufwendungen für Hilfsmittel oder Unterstützungsleistungen selber tragen, oder auf eine Teilhabe an der Gesellschaft verzichten.“

In vielen anderen Bundesländern gibt es bereits staatliche Leistungen für hochgradig Sehbehinderte. Wir fordern wir nun auch für Bayern die Einführung eines abgestuften Blindengeldes für hochgradig sehbehinderte Menschen. In enger Kooperation mit dem BBSB e.V. haben wir deshalb bereits im Oktober 2014 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des bayerischen Blindengeldgesetzes vorgelegt.
Nachteilsausgleich für hochgradig sehbehinderte Menschen einführen
Hochgradig Sehbehindert sind Menschen, deren Sehschärfe auf dem besseren Auge lediglich zwischen 2 und 5 Prozent beträgt. Sie haben ähnlich wie blinde Menschen aufgrund ihrer Sehschädigung einen außerordentlich hohen Hilfebedarf. Um selbstbestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilhaben zu können, benötigen sie persönliche Assistenz sowie technische Hilfsmittel zur Kommunikation, zur Mobilität und zur Bewältigung des Alltags. Der dauerhafte Hilfebedarf führt zu einer erheblichen finanziellen Belastung der betroffenen Personen. Sie sind deshalb auf eine Ausgleichsleistung angewiesen.

In Bayern existiert für die 5.299 hochgradig sehbehinderten Menschen bisher eine Versorgungslücke. Dies ist fachlich und politisch unbestritten. „Wir fordern deshalb für die betroffenen Menschen ein abgestuftes Blindengeld in Höhe von 30 Prozent des an blinde Menschen gewährten Blindengeldes“, erläutert Kerstin Celina. „Bei einem aktuellen monatlichen Blindengeld von 544 Euro ergibt sich daraus ein Leistungsanspruch von 163 Euro pro Monat.“
In anderen Bundesländern gibt es bereits einen Nachteilsausgleich für hochgradig sehbehinderte Menschen. So erhalten hochgradig Sehbehinderte in Berlin zwischen 20 und 40 Prozent der Hilfe für blinde Menschen; in Hessen haben sie einen Anspruch auf 30 Prozent des  Blindengeldes; in Mecklenburg-Vorpommern erhalten sie 25 Prozent des Blindengeldes; in NRW einen monatlichen Festbetrag von 77 Euro, in Sachsen einen Betrag von 52 Euro und in Sachsen-Anhalt einen von 41 Euro.
CSU muss ihre Versprechen aus der letzten Legislatur einhalten

Bayern war beim Blindengeld einmal bundesweit Vorreiter. 1949 hat Bayern als erstes Bundesland ein Landesblindengeldgesetz verabschiedet. Nun ist es an der Zeit, dass der Freistaat dem Vorbild anderer Bundesländer folgt und endlich die bestehende Versorgungslücke für hochgradig sehbehinderte Menschen schließt.

Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif

Wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit der SPD einen Gesetzesentwurf zur Einführung eines Taubblindengeldes und eines abgestuften Blindengeldes für hochgradig sehbehinderte Menschen vorgelegt. Damals haben CSU und FDP diesen Gesetzesentwurf lediglich aus Kostengründen abgelehnt. Im Februar 2013 hat die schwarz-gelbe Koalition dann einen eigenen Gesetzesentwurf vorgelegt und für die in Bayern lebenden 114 taubblinden Menschen ein erhöhtes Taublindengeld eingeführt.

In der damaligen Landtagsdebatte im November 2012 hat Joachim Unterländer das Taubblindengeld als zweiten Schritt im Rahmen eines Mehr-Stufen-Modells dargestellt: Als erster Schritt wurde eine Bestandsgarantie für das bayerische Blindengeld ausgesprochen. Als zweiter Schritt wurde dann mit dem Doppelhaushalt 2013/2014 das Taubblindengeld eingeführt. Und als dritter Schritt sollte anlässlich des Nachtragshaushaltes 2014 der Einstieg in ein Schwerstsehbehindertengeld vollzogen werden. Als vierter Schritt wurden  dann das neue Bundesteilhabegesetz und die grundlegende Reform der Eingliederungshilfe angeführt. „Leider hat die CSU ihr Versprechen bisher nicht erfüllt“, konstatiert Kerstin Celina. „Es ist also höchste Zeit hier nachzubessern. Der Nachtragshaushalt 2016 bietet die nächste Gelegenheit die Mittel für das Blindengeld so aufzustocken, dass ein abgestuftes Blindengeld als Nachteilsausgleich für hochgradig Sehbehinderte gewährt werden kann.“

Obwohl der erhöhte Bedarf der hochgradig Sehbehinderten von Niemandem bestritten wird, hat die CSU wieder einmal aus reinen Haushaltserwägungen eine neue Leistung für diese Personengruppe abgelehnt. Während für das erhöhte Taubblindengeld nur 730 Tsd. Euro aufgebracht werden müssen, bedeutet das abgestufte Blindengeld einen Mehraufwand von 8,3 Mio. Euro jährlich. Laut Aussage des sozialpolitischen Sprechers der CSU, Joachim Unterländer, ist es gegenwärtig nicht möglich, die benötigten Mittel zusätzlich in den Haushalt einzustellen. Dies ist ein Armutszeugnis für die bayerische Behindertenpolitik.
Laut den aktuellen Zahlen des ‚Zentrums Bayern Familie und Soziales‘ ist die Zahl hochgradig sehbehinderter Menschen in Bayern mit 5.229 geringer als bisher angenommen (6.100 Personen). Insgesamt summieren sich die Kosten für das abgestufte Blindengeld deshalb nach unseren Berechnungen lediglich auf 8,3 Mio. Euro. Diese zusätzlichen Kosten liegen deutlich unter den jährlichen Einsparungen durch die stark gesunkene Zahl der Blindengeldempfänger.

„Letztlich erfolgt bereits seit längerem eine Haushaltskonsolidierung zu Lasten blinder Menschen“, so Kerstin Celina. In den vergangenen zwanzig Jahren ist die Zahl der Blindengeldempfänger in Bayern aufgrund der medizinischen Fortschritte bei der Behandlung von Augenkrankheiten von 18.437 im Jahr 1992 auf 14.455 im Jahr 2013 zurückgegangen. Allein dadurch werden jährliche Einsparungen von rund 20 Millionen Euro realisiert. Hinzu kommt in Bayern seit 2004 eine Kürzung des Blindengeldes um 15 Prozent auf 85 Prozent der im SGB XII vorgesehenen Blindenhilfe. Dadurch werden noch einmal jährliche Einsparungen von rund 12 Millionen Euro erzielt. „Nichts spricht dagegen, wenigstens einen Teil der eingesparten Mittel für die Beseitigung der unbestrittenen Versorgungslücken bei Menschen mit hochgradiger Sehbehinderung zu verwenden.“

Für die betroffenen hochgradig sehbehinderten Menschen, die dringend auf die zusätzlichen Leistungen angewiesen sind, ist es eine bittere Erkenntnis, dass ihnen nur aus Kostengründen eine Verbesserung ihrer Situation verweigert wird. Fehlende Hilfen und Assistenz bedeuten für die betroffenen Menschen soziale Isolation, ein Abrutschen in die Armut oder die zwangsweise Unterbringung in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe.


Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes (17/3518)