Sozialpolitik

Anhörung zum bayerischen Betreuungsgeld offenbart grundsätzliche Kritik

<p>In einer Anhörung des Sozialausschusses zum bayerischen Betreuungsgeldgesetz wurde noch einmal durch zahlreiche Verbände und ExpertInnen grundsätzliche Kritik formuliert. Die Anhörung musste mit einem Minderheitenvotum der Opposition gegen den Willen der CSU durchgesetzt werden. Auch im Verlauf der Anhörung zeigten sich die Abgeordneten der CSU und die Vertreter der Staatsregierung gegen jede Kritik resistent.</p>

17. März 2016

Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Bundes-Betreuungsgeld im vergangenen Jahr für verfassungswidrig erklärt hat, beschreitet Bayern einen Sonderweg und setzt als einziges Bundesland das Betreuungsgeld als Landesleistung fort. Alle anderen Bundesländer investieren die frei werdenden Mittel lieber in einen weiteren Ausbau der Krippenplätze und in eine Verbesserung der Qualität in den Kindertagesstätten. „Am bayerischen Sonderweg wird deutlich, dass es sich beim Betreuungsgeld für die CSU um das zentrale Symbol ihrer konservativen Familienpolitik handelt“, erläutert die sozialpolitische Sprecherin Christine Kamm.  Kleine Kinder sollen demnach vorrangig zuhause in den Familien betreut werden und nicht in Kinderkrippen oder in der Kindertagespflege.

"Dass in der Praxis das Betreuungsgeld in Bayern zu 97 Prozent von Frauen beantragt wurde, die dann auch oft für einen längeren Zeitraum ihre Berufstätigkeit unterbrechen, stört die CSU überhaupt nicht“, kritisiert Christine Kamm. „Im Gegenteil: diese traditionelle Rollenteilung zwischen den Geschlechtern und die Orientierung an einem Familienmodell mit einem männlichen Alleinverdiener, entspricht den anachronistischen familienpolitischen Vorstellungen der CSU und soll weiter zementiert werden“.Deshalb hat die CSU im Bundestag gegen alle politischen Widerstände und rechtlichen Bedenken, auch aus den eigenen Reihen, das Betreuungsgeld durchgeboxt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war dann eine deutliche politische Ohrfeige für die CSU. Dies soll nun durch das bayerische Betreuungsgeldgesetz kaschiert werden!

In den Stellungnahmen der meisten Verbände und ExpertInnen während der Anhörung wurde ebenfalls eine grundsätzliche Ablehnung des Betreuungsgeldes deutlich. So wurde die von der Staatsregierung als Begründung für das Gesetz angeführte ‚Wahlfreiheit der Eltern‘ infrage gestellt. Es sei keineswegs überall in Bayern ein ausreichendes Angebot an Kitaplätzen vorhanden. „50 Prozent der BezieherInnen von Betreuungsgeld geben an, dass sie weiterhin auf der Suche nach einem Kitaplatz für ihr Kind sind“, erläutert Christine Kamm. „Außerdem muss dringend weiter in die Verbesserung der Qualität der frühkindlichen Bildung und Betreuung investiert werden.“ Für die meisten Alleinerziehenden und Geringverdiener sei es zudem nicht möglich, wegen des Betreuungsgeldes auf ihr Erwerbseinkommen zu verzichten. Dafür sei der monatliche Betrag von 150 Euro einfach zu gering. Letztendlich würden hauptsächlich gutverdienende Haushalte von der Leistung profitieren. Diese könnten sich den Verzicht auf ein Einkommen leisten und seien zudem oft dazu in der Lage, sich private Alternativen für die Kinderbetreuung zu organisieren.

Kritisiert wurde außerdem, dass Eltern im SGB II-Bezug sowie Flüchtlinge und die meisten MigrantInnen grundsätzlich vom Leistungsbezug ausgeschlossen würden. Durch die Anrechnung auf die Leistungen zum Lebensunterhalt, würden gerade jene Eltern, die am dringendsten auf Hilfe angewiesen sind,  vom Betreuungsgeld ferngehalten.

Kritik wurde in der Anhörung vor allem auch an den fatalen gleichstellungspolitischen Konsequenzen des Betreuungsgeldes formuliert. Die traditionelle Rollenteilung, wonach die Erziehungsarbeit hauptsächlich von den Frauen geleistet wird, werde durch das Betreuungsgeld zementiert. Durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit würden den Frauen Karriereknick, Einkommensverluste und später die Altersarmut drohen. Die ohnehin eklatante Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen werde so noch größer.

Auch die Koppelung einer familienpolitischen Leistung an den Nicht-Besuch einer Kita wurde grundsätzlich problematisiert. Professor Maria Wersig, von der Fachhochschule Dortmund, hielt es sogar für verfassungswidrig, durch eine sozialpolitische Leistung Eltern letztendlich von einem Kitabesuch abzuhalten. Sie sieht in diesem Förderkriterium, ganz im Gegensatz zur Staatsregierung, eine unzulässige Einschränkung der Wahlfreiheit der Familien. Indem es außerdem den Zweck verfolge, Frauen von der Erwerbstätigkeit fernzuhalten, würden zudem die Gleichstellungsansprüche des Grundgesetzes verletzt. Das Betreuungsgeld belohne die Nichterwerbstätigkeit von Müttern, denn es seien zu 97 Prozent die Frauen, die es in Anspruch nehmen. Das Betreuungsgeld versuche durch finanzielle Anreize die Entscheidung der Eltern über die Betreuung ihrer Kinder zu steuern. Es verstoße deshalb sowohl gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art.3 Abs.2 des Grundgesetzes als auch gegen den in Art.6 Abs. 1 verbürgte Recht der Familie, über ihr familiäres Leben in Eigenverantwortung zu entscheiden.