Integration und Migration

Geflüchtete in Bayern

Menschenwürdige Aufnahme und Integration

21. März 2022

Mit einem Sieben-Punkte-Plan zeigen die Landtags-Grünen die notwendigen Maßnahmen zur Aufnahme, Betreuung und Integration geflüchteter Menschen in Bayern auf. Bereits jetzt sind mehr als drei Millionen Menschen aus der Ukraine auf der Flucht. Auch im Freistaat wird die Zahl der Ankommenden noch weiter steigen. „Die Bilder des grausamen Kriegs in der Ukraine treffen uns alle bis ins Mark. Wir müssen den Geflüchteten bestmöglich helfen und alle verfügbaren Kräfte bündeln. Neben der Akut-Hilfe und Erweiterung der Aufnahmekapazitäten bedeutet das, dass wir die nötigen Grundlagen zur Integration auf den Weg bringen müssen“, sagt Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen.

Gülseren Demirel, Sprecherin für Integration, Asyl und Flucht, erklärt: „Jetzt kommt es darauf an, die Weichen richtig zu stellen. Wir haben dafür bessere Voraussetzungen als es in der Vergangenheit vielleicht der Fall war. Aber das heißt auch, dass die Staatsregierung jetzt endlich in die Gänge kommen muss.“ Es brauche ein kluges Krisenmanagement, um die erforderliche Kraftanstrengung auf allen Ebenen bewältigen zu können. Die Landtags-Grünen rechnen mit vorerst
100 Millionen Euro an Landesmitteln, die für die nachfolgend skizzierten Landesaufgaben benötigt werden.


1. Finanzierung von Maßnahmen, Unterstützung der Behörden
Die Kreisverwaltungsbehörden brauchen schnelle Unterstützung von Land und Bund: Die Aufnahme, Registrierung und Betreuung Geflüchteter muss schnell, dezentral und reibungslos ablaufen. Hierzu sind finanzielle Mittel und mehr Personal nötig, beispielsweise für Infohotlines, Beratungsangebote und Sprachkurse sowie insbesondere für die Unterbringung der Geflüchteten. Wir begrüßen die Einigung zwischen Bund und Ländern, die Übernahme der Unterbringungskosten schnellstmöglich zu klären. Hier fordern wir eine Kostenfinanzierung nicht nur für künftige Leistungen, sondern auch rückwirkend, anders ist es für die Kommunen sonst nicht zu stemmen.
 
2. Überarbeitung der bayerischen Integrationsrichtlinie
Die bayerische Integrationsrichtlinie muss zwingend überarbeitet werden. Ziel ist es, eine bessere Ausstattung des Personals der Beratungsstellen zu garantieren. Künftig müssen Personal- und Sachkosten vollfinanziert werden. Zudem soll der Beratungsschlüssel auf 1:100 angepasst werden. Zum Vergleich: Bislang war ein*e Berater*in für 250 Klient*innen zuständig – noch vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Der Bedarf steigt. Wir fordern daher eine Bereitstellung von 37 Millionen Euro im Haushalt.


3. Sensibilisierung für Traumatisierte
Aufgrund starker Traumatisierung vieler Geflüchteter brauchen wir eine massive Aufstockung der Psychosozialen Zentren in ganz Bayern. Diese sind spezielle Anlaufstellen für jene Menschen, die einen oft lebensgefährlichen Weg hinter sich und Schlimmstes erlebt haben. Sie brauchen Unterstützung, um sich im neuen Umfeld und in ihrer Situation zurechtfinden zu können. Wir fordern, die vorhandene Strukturen dieser Psychosozialen Zentren in allen Regierungsbezirken finanziell zu stärken, damit schnell zusätzliche Fachkräfte eingesetzt werden können.
 
4. Zugang für Kinder zu Bildung und Betreuung
Kinder haben ein Recht auf Bildung und Normalität. Um dies zu gewährleisten, fordern wir aktive Angebote wie etwa Partnerschaften zwischen örtlichen Schulen und Unterkünften für Geflüchtete und eine intensivierte Zusammenarbeit mit Lehramtsstudierenden. Die geplante Einrichtung von Willkommensklassen begrüßen wir. Es braucht dringend mehr Lehrkräfte: Damit geflüchtete Kinder und Jugendliche auch in ihrer Muttersprache gefördert werden können, muss ukrainischen Lehrkräften unbürokratisch die Möglichkeit eingeräumt werden, sich aktiv einzubringen. Die Anerkennung beruflicher Qualifikationen ausländischer Fachkräfte und die Anwerbung von Deutsch-als-Fremdsprache- (DaF) und Deutsch-als-Zweitsprache-Kräften (DaZ) muss beschleunigt werden.

Da auch der Bedarf an Schulpsycholog*innen zunimmt, müssen die Kapazitäten ausgeweitet und Lehrkräfte im Bereich Traumapädagogik ausgebildet werden. Für die Konfliktprävention im Unterricht – auch mit Blick auf russischstämmige und aus der Ukraine stammende Schüler*innen – fordern wir vertiefendes Unterrichtsmaterial, um die Klassen bei der Aufarbeitung der Geschehnisse zu begleiten.   

Kitas und die Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit müssen bei der Aufnahme, Betreuung und Förderung geflüchteter Kinder und Jugendlicher ebenso unterstützt werden. Auch hier sollten zeitnah ukrainische Fachkräfte und Erzieher*innen eingebunden werden. Die einrichtungsbezogene Anerkennung beruflicher Qualifikationen von Erzieher*innen muss hierbei ausgesetzt werden.

Da der Platzbedarf im Bereich Schule und Betreuung steigt, müssen auch Notbehelfsmaßnahmen wie die Errichtung größerer sowie sogenannter Not-Gruppen ermöglicht werden. Auch die mögliche Nutzung lokaler Einrichtungen – etwa von Sportvereinen oder Freizeitheimen – muss geprüft werden. Denn viele Räumlichkeiten stehen beispielsweise vormittags leer und könnten stundenweise zur Verfügung gestellt werden. Dafür braucht es unbürokratisch finanzielle Unterstützung zur Anmietung von Seiten des Freistaates.
 
5. Unterkünfte und Gewaltschutz
Gemeinschaftsunterkünfte müssen grundsätzlich auch Privatsphäre und Schutz ermöglichen. Dies gilt besonders für Frauen, Kinder und Menschen der LGBTIQ+ Community. Sie brauchen im Bedarfsfall verlässliche Ansprechpartner*innen. Wir fordern ein verbindliches Gewaltschutzkonzept für die Flüchtlingsunterkünfte in Bayern. Insbesondere Frauennotrufe und Online-Beratungen müssen personell verstärkt werden. Informationen dazu müssen in mehreren Sprachen veröffentlicht werden, so dass allen klar ist, wo sie sich im Notfall hinwenden können.
 
6. Integration in den Arbeitsmarkt  
Geflüchtete Menschen aus der Ukraine, die hier arbeiten wollen, und bayerische Unternehmen mit offenen Stellen müssen bei der Zusammenführung unterstützt werden. Der Freistaat muss im Vorfeld sicherstellen, dass die Vorgaben des Bundes zur Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen uneingeschränkt umgesetzt werden. Weitere Voraussetzungen sind die schnelle Anerkennung ukrainischer Qualifikationen sowie gegebenenfalls Angebote zur Nachqualifikation, Sprachkursangebote und die Sicherstellung der Kinderbetreuung.

7. Infektionsschutz und medizinische Versorgung
Neben der medizinischen Versorgung muss sich die Staatsregierung rasch um den Infektionsschutz kümmern, besonders im Hinblick auf die Corona-Pandemie. Wir brauchen eine Erweiterung der Impfkampagne durch passgenaue und niedrigschwellige Angebote, beispielsweise durch mobile Impfberatungsteams vor Ort. Die Impfberatung muss in der jeweiligen Muttersprache erfolgen. Hier sollte auch das Gesundheitsprojekt “Mit Migranten für Migranten” miteinbezogen und weiter ausgebaut werden. Dabei werden engagierte und gut integrierte Migrant*innen zu Themen aus dem Bereich Gesundheit und Prävention ausgebildet und geben dieses Wissen in mehrsprachigen Infoveranstaltungen weiter.

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