Integration und Migration

Einschnitte bei der Kinder- und Jugendhilfe für junge Flüchtlinge beschlossen

Ein schwarzer Tag für die Kinder- und Jugendhilfe in Bayern – CSU beschließt weitreichende Leistungskürzungen für junge Flüchtlinge

30. November 2017

Trotz der einhelligen Kritik, die in einer Expertenanhörung geäußert wurde und trotz des eindringlichen Appells der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, dem Gesetzesentwurf der Staatsregierung die Zustimmung zu verweigern, hat die CSU-Mehrheit im Landtag in dieser Woche weitreichende Einschnitte bei der Kinder- und Jugendhilfe für junge Flüchtlinge beschlossen. Zukünftig werden in Bayern Herkunft und Aufenthaltsstatus des Jugendlichen über Art und Umfang der Hilfen entscheiden. Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge soll es nach dem Willen der Staatsregierung nur noch eine ‚Jugendhilfe light‘ geben. Damit verabschiedet sich die CSU von dem grundlegenden Prinzip einer einheitlichen und bedarfsorientierten Leistungserbringung in der Kinder- und Jugendhilfe.
 „Hier handelt es sich um Ausgrenzung und Diskriminierung per Gesetz“, kritisiert die integrationspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Christine Kamm. „Die betroffenen jungen Menschen ohne deutschen Pass werden mit dem heute beschlossenen Gesetz weitgehend aus der normalen Versorgung durch die Jugendhilfe ausgeschlossen.“ Die Staatsregierung schafft über die Ermächtigung zum Erlass von verschiedenen Rechtsverordnungen ein eigenes Leistungsrecht für unbegleitete junge Flüchtlinge. Ein solches Sonderrecht führt zu einer Sonderbehandlung und vermutlich auch zur vermehrten Entstehung von Spezialeinrichtungen für junge Flüchtlinge. Für Christine Kamm steht fest: „Diese Diskriminierung junger Flüchtlinge widerspricht sowohl den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention als auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.“
Durch die Einschränkung der Leistungen für junge Flüchtlinge werden auch die bisherigen Integrationserfolge der Jugendhilfe leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Durch die Verweigerung notwendiger Hilfen und Unterstützungsangebote droht ein integrationspolitisches Desaster. „Auch in diesem Feld zielt die Politik der CSU darauf, Integration zu verhindern,“ beklagt Christine Kamm. „Und deshalb hat sich die Freie Wohlfahrtspflege mit einem Brandbrief an alle Abgeordneten gewandt und uns dringend ermahnt, dass Gesetz nicht in dieser Form zu verabschieden.“
Mit den beschlossenen Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen zur Kostenerstattung und zu den Leistungen der Jugendsozialarbeit greift die Staatsregierung die Autonomie und Entscheidungskompetenz der kommunalen Jugendämter an. Bisher konnten die Jugendämter in einem Hilfeplanverfahren orientiert am individuellen Bedarf über die notwendigen Leistungen der Jugendhilfe entscheiden. Nun greift die Staatsregierung in die inhaltliche Gestaltung der Jugendhilfeangebote ein. Sie definiert, welche Regelleistungen zukünftig noch erstattet werden. Außerdem erhält sie die Möglichkeit, die Kostenerstattung über Tagespauschalen zu regeln.
Wie das aussehen kann, zeigt das Beispiel der volljährig gewordenen jungen Flüchtlinge: Für sie zahlt der Freistaat auf freiwilliger Basis eine Pauschale von 40,-€ pro Kopf und Tag (in 2017) bzw. von 30,-€ pro Kopf und Tag 2018. Die realen durchschnittlichen Kosten der Jugendhilfe für junge Flüchtlinge liegen nach einer Erhebung der Jugendämter jedoch bei 110 €.  Das Land übernimmt also nur rund ein Drittel der tatsächlichen Kosten. Damit lassen sich allenfalls ambulante Leistungen der Jugendsozialarbeit finanzieren, nicht aber teure heilpädagogische Maßnahmen. „Durch die Hintertür einer Verordnung zur Kostenerstattung wird hier ein Zwei-Klassen-Recht in der Kinder- und Jugendhilfe etabliert“, so Christine Kamm.
Nach dem Willen der CSU soll es in Zukunft für junge Geflüchtete nur noch eine Grundversorgung im Rahmen der Angebote der Jugendsozialarbeit geben. Auch hierzu enthält das beschlossene Gesetz eine Verordnungsermächtigung zur näheren Ausgestaltung der Leistungen der Jugendsozialarbeit. Angeboten wie dem Jugendwohnen soll ein genereller Vorrang bei der Unterbringung der Jugendlichen eingeräumt werden. Die politische Absicht ist klar: Es gehe darum eine Überversorgung der Betroffenen zu vermeiden und der ambulanten Betreuung eindeutig den Vorrang einzuräumen, so die zuständige Ministerin Emilia Müller in der Plenardebatte. Nach Ansicht der bayerischen Sozialministerin ist für junge Flüchtlinge „eine Grundversorgung im Rahmen der Jugendsozialarbeit bedarfsgerecht und angemessen.“ „Hier wird das Prinzip der Bedarfsdeckung durch das Prinzip der Kostenersparnis ersetzt“, kommentiert Christine Kamm die Äußerungen der Ministerin. „Dies ist der Einstieg in den Ausstieg aus einer einheitlichen Kinder- und Jugendhilfe!“

Änderungsantrag zum Gesetzesentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze und des Aufnahmegesetzes