Innere Sicherheit, Recht und Justiz

Offener Brief von Katharina Schulze an Innenminister Herrmann zu Rammstein-Konzert

Mit Blick auf die enorme Belastung von Polizei und Rettungskräften fordert die Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen eine Stellungnahme von Joachim Herrmann

11. August 2022

Mit Blick auf die enorme Belastung von Polizei und Rettungskräften fordert die Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, Katharina Schulze, in einem Offenen Brief eine Stellungnahme von Innenminister Joachim Herrmann.

Offener Brief

Sehr geehrter Herr Staatsminister Herrmann,

heute hat der Münchner Stadtrat gegen die Stimmen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Rosa Liste, ÖDP und Die Linke, und gegen die ausdrücklichen Sicherheitsbedenken des Polizeipräsidiums Münchens, einem Antrag des Wirtschaftsreferenten der Stadt München, Clemens Baumgärtner (CSU), zugestimmt, am Silvesterabend des Jahres 2022/2023 auf der Münchner Theresienwiese ein Konzert der Band Rammstein durchzuführen.

Wir alle sind erleichtert und froh, dass nach den Einschränkungen der Pandemie nun endlich wieder kulturelle Veranstaltungen ohne Einschränkungen möglich sind. Es ist großartig, dass die Kunst wieder aufblüht und kreative Ideen für Konzerte, Aufführungen und Veranstaltungen entstehen. Die gesamte Bandbreite der Musik, von Klassik bis Hard-Rock, ist zurück. Und das ist ein Grund zur Freude!

Gleichzeitig darf uns und insbesondere den Verantwortungsträger*innen diese Freude nicht den Blick auf das Wesentliche verstellen: Die Sicherheit der Bürger*innen, der Polizeieinsatzkräfte, der Ehrenamtlichen aus Feuerwehr und Rettungsdiensten müssen wir dabei im Blick haben und ihre Expertise ernst nehmen. Wir klatschen nicht nur auf dem Balkon für deren Einsatz, sondern wir stärken unserer Polizei und unseren Rettungskräften auch dann den Rücken, wenn sie uns brauchen. Die Leistung von Polizei- und Rettungsdiensten der vergangenen Jahre ist herausragend und muss nun auch durch eine verantwortliche Politik bei allen Entscheidungsträger*innen nachhaltig gewürdigt werden.

Deswegen bin ich sehr verwundert, dass der CSU-Wirtschaftsreferent der Stadt München sich sehenden Auges über die Gefahrenprognose des Polizeipräsidiums München hinwegsetzt. Das ist ein befremdlicher Vorgang. Eine Veranstaltung dieser Größenordnung in der Silvesternacht wird das Polizeipräsidium München wohl kaum aus eigenen Ressourcen begleiten können, weshalb das Thema schon deshalb überregionale sicherheitspolitische Bedeutung hat, darum bin ich an ihrer Meinung dazu interessiert. Wie sehen Sie das?

Ich bitte Sie vor diesem Hintergrund zu den von der Münchner Polizei angeführten Sicherheitsbedenken Stellung zu nehmen. Dies sind insbesondere:

  • Das Veranstaltungsgelände Theresienwiese sei bislang noch nie Austragungsort eines Konzertes in der Größenordnung von 145.000 Personen gewesen. Es bestünden keine Erfahrungswerte, kein bewährtes Sicherheitskonzept und eine sehr kurze Zeitschiene, um selbiges zu erarbeiten. Der Veranstalter sei zudem bei den in diesem Jahr in der Messe Riem ausgetragenen Veranstaltungen bereits durch Defizite aufgefallen.
  • Insbesondere das Datum zur Silvesternacht verstärke die Problematik, da das Konzert dann an dem Abend stattfinden wird, an dem Polizei, Rettungskräfte und Krankenhäuser ohnehin unter enormen Druck stehen werden.
  • Es gibt Zweifel daran, ob eine ausreichende Anzahl an qualifizierten Ordner*innen für die Veranstaltung durch den Veranstalter organisiert werden können, da bekannterweise ein Mangel an Ordnungs- und Sicherheitspersonal herrscht und dies insbesondere zum Jahreswechsel zu einer bundesweiten hohen Nachfrage nach entsprechendem Personal kommen werde.
  • Als schwer handhabbar werden zudem die Innenstadtlage, schlechte Abgrenzbarkeit, eine hohe zu erwartende Zahl an (alkoholisierten) Zaungästen und die An- und Abfahrproblematik bewertet.
  • Aufgrund des gewählten Datums zum Jahreswechsel sei ein Überschwappen der erwarteten 145.000 Konzertbesucher*innen in die Münchener Innenstadt zum Jahreswechsel zu erwarten. Durch die hohe Anzahl der Konzertbesucher*innen, die mit zunehmender Stunde teils unter Alkoholeinfluss stehen, nähme das Risiko von Ordnungs- und Sicherheitsstörungen erheblich zu.
  • Eine Premiere einer solchen Veranstaltung mit herausragenden sicherheitskritischen Faktoren, ausgerechnet an dem besonderen Datum des Jahreswechsels, berge erhebliche Risiken für Ordnungs- und Sicherheitsstörungen und im schlimmsten Fall Gefahren für die körperliche Unversehrtheit und Gesundheit der potenziellen Konzertbesucher*innen und Bürger*innen.

Wie bewerten Sie insbesondere die extrem kurze Zeitschiene von 4,5 Monaten, um eine so große Veranstaltung an einer völlig neuen Location sicher zu planen und mit MVG/Bahn/Polizei/Feuerwehr und den Ordner*innen abzustimmen?

Und ich habe noch eine Frage: Mit wie vielen zusätzlichen Polizeikräften und Personen aus dem Rettungsdienst aus anderen Teilen Bayerns rechnen Sie, falls das Konzert in dieser Form stattfinden wird?

Ich bitte Sie deshalb hierzu Stellung zu beziehen. Wie bewerten Sie den Vorgang? Über ein etwaiges Sicherheitskonzept – das bis dato noch nicht vorliegt – bitte ich Sie dann im Innenausschuss des Bayerischen Landtags zeitnah Bericht zu erstatten.

Mit herzlichen Grüßen,
Katharina Schulze, MdL