Innere Sicherheit, Recht und Justiz

Gesetzentwurf zu Petitionen

Grüne Reform des Petitionswesens im Plenum

16. Dezember 2022

 

Zum ersten Mal in der bayerischen Geschichte stellen wir GRÜNE seit Ende 2018 mit Stephanie Schuhknecht die Vorsitzende des Petitionsausschusses im Landtag. Wir haben diesen Erfahrungsschatz bewusst genutzt und nun im Juli dieses Jahres einen Gesetzentwurf eingebracht, um das Petitionswesen in Bayern grundlegend zu reformieren und nichts weniger als einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Eingaben und Beschwerden einzufordern. Herzstück unserer Reform ist die Einführung einer unabhängigen Bürgerbeauftragten nach dem Vorbild des Landes Rheinland-Pfalz: Beschwerden sollen damit zunächst mediatorisch von dieser unabhängigen Stelle bearbeitet werden und nur wenn keine einvernehmliche Lösung erzielt werden kann, entscheidet wie bisher ein Ausschuss des Landtags.

Warum braucht es eine Reform?

Das bisherige Petitionswesen in Bayern galt zwar grundsätzlich immer als bürgernah, es hat aber über die Jahre erheblich Staub angesetzt und kann mit den modernen europaweiten Entwicklungen im Ombudswesen nicht mithalten. So ist das bisherige Verfahren ein rein schriftliches Verfahren, in dem eine Anhörung vor dem Ausschuss nicht vorgesehen ist. Petent*innen wird das Aktenzeichen ihrer Petition mitgeteilt und dann hören sie erst wieder etwas, wenn die Petition (wenige Tage später) bereits im Ausschuss behandelt wird. Die Abgeordneten haben aktuell nur einige Tage Zeit, um sich in die teilweise sehr komplexen Sachverhalte einzuarbeiten und bearbeiten im Petitionsausschuss pro Sitzungswoche bis zu 40 Petitionen. Die Stellungnahmen, die der Landtag zur Petition anfordert, kommen meistens von denjenigen Behörden, über die man sich beschwert hat und sind damit nicht wirklich neutral. Darüber hinaus sind diese Stellungnahmen interne Dokumente und dürfen nicht an die Petent*innen weitergegeben werden im Vorfeld. Schon allein dadurch fehlt den Wortbeiträgen der Petent*innen im Ausschuss – sofern sie sprechen dürfen – der Fokus auf die Knackpunkte des Falls. Petent*innen setzen nichtsdestotrotz große Hoffnungen in ein Petitionsverfahren und werden momentan meistens herb enttäuscht, weil ihnen auch niemand im Vorfeld erklärt, was sie von diesem Verfahren erwarten können und was nicht.

Was verbessert sich für die Bürger*innen?

Ein*e unabhängige*r Bürgerbeauftragte*r, die/der vom Landtag gewählt und dort angesiedelt ist, hat zunächst einmal deutlich mehr Möglichkeiten als ein*e einfache*r Abgeordnete*r. Wir wollen sie oder ihn mit einem Stab und klaren Amtshilfemöglichkeiten ausstatten, damit sie oder er sich ein unabhängiges Bild von der Sachlage verschaffen und auf Augenhöhe mit den Behörden vermitteln kann. Dazu werden die Petent*innen zunächst kontaktiert und aktiv in die Lösungsfindung eingebunden. Die „Blackbox“ des bisherigen Verfahrens wird dadurch aufgebrochen -  Petent*innen fühlen sich gehört und wertgeschätzt. Ein*e unabhängige Bürgerbeauftragte*r kann sich deutlich länger und intensiver in Sachverhalte einarbeiten und falls eine Kompromisslösung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, den Petent*innen dies ausführlich erläutern und so Enttäuschungen vorbeugen. Als Hilfsorgan des Landtags ersetzt die oder der unabhängige Bürgerbeauftragte nicht die Arbeit der Abgeordneten, sondern leistet wichtige Vorarbeit für unabhängige Bewertung und Konfliktlösung. Herr des Verfahrens bleibt stets der Landtag, da er ohnehin entscheidet, wenn keine einvernehmliche Lösung erreicht werden kann. Auch das verfassungsmäßige Recht jeder und jedes Einzelnen sich an Abgeordnete zu wenden, bleibt selbstverständlich unberührt.

In Rheinland-Pfalz kann die dortige unabhängige Bürgerbeauftragte in bis zu zwei Dritteln aller Fälle eine einvernehmliche Lösung erzielen und entlastet den Landtag dadurch enorm.

Aber es gibt doch schon einen Bürgerbeauftragten in Bayern, oder?

Ja, allerdings ist der von der CSU-FW-Regierung eingesetzte Bürgerbeauftragte weder unabhängig noch entlastet er den Landtag. Er wird vom Ministerpräsidenten ernannt (und auch allein von ihm entlassen), ist selbst Abgeordneter der CSU-Fraktion und bei der Staatskanzlei angesiedelt. Darüber hinaus darf er nur in Fällen tätig werden, in denen keine Petition vorliegt oder vorlag. An der Unabhängigkeit und der Hartnäckigkeit gegenüber der eigenen Regierung gibt es jedenfalls erhebliche Zweifel. Zu den Treffen der unabhängigen Bürgerbeauftragten der Bundeslänger wird der bayerische Bürgerbeauftragte aktuell nicht eingeladen.

Was verbessert sich im Verfahren beim Landtag?

Für die Petitionen, die am Ende im Landtag bearbeitet werden, wollen wir sowohl die Bürger*innen als auch die Abgeordneten in ihren Rechten stärken. Wir wollen zuallererst das Livestreaming und die Zuschaltungsmöglichkeit für Petent*innen wieder uneingeschränkt einführen. Während der Pandemie hat dies ohne größere Probleme funktioniert und war ein enormer Fortschritt und Vorteil für alle Beteiligten. Dass die CSU-FW-Regierung dies quasi wieder abgeschafft hat, zeigt, dass sie die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben. Darüber hinaus wollen wir GRÜNE mehr Transparenz ins Verfahren bringen und die heutigen Regeln umkehren: Wir wollen im Regelfall den Petent*innen im Vorfeld der Behandlung ihrer Petition die Stellungnahme der Staatsregierung zukommen lassen und im Nachgang automatisch auch das Sitzungsprotokoll. Das ermöglicht es den Petent*innen die Knackpunkte ihres Anliegen zu erkennen, die Argumente der Gegenseite lesen zu können und ggf. Dinge zu korrigieren, die nicht (vollständig) den Tatsachen entsprechen. Auch ein angemessenes Rederecht für Petent*innen wollen wir etablieren und dies nicht mehr vom Wohlwollen des Ausschusses bzw. der oder des Vorsitzenden abhängig machen. Bei Massen- und Sammelpetitionen wollen wir ab einer Unterstützer*innenzahl von 12.000 eine abschließende Entscheidung des Plenums vorsehen und wichtige Anliegen damit auf die höchste parlamentarische Ebene bringen.

Die Abgeordneten stärken wir GRÜNE durch mehr Vorbereitungszeit und im Fall von Beschwerden eine bereits durch die oder den Bürgerbeauftragten neutral aufgearbeitete Vorgangsmappe. Außerdem führen wir ein Minderheitenvotum ein, um Akteneinsicht bei Behörden nehmen zu können (aktuell geht das nur mit Mehrheit). Offizielle Ortstermine wollen wir auch ohne formalen Beschluss durch den Ausschuss ermöglichen, wenn sich die beiden zuständigen Abgeordneten einig sind. Das beschleunigt das Verfahren im Sinne der Petent*innen. Nicht zuletzt wollen wir die Beschlüsse, bei denen der Ausschuss die Regierung zum Handeln auffordert, mit mehr Verbindlichkeit versehen: Die Regierung muss bei solchen Beschlüssen nach zwei Monaten schriftlich über die Erledigung oder eben Nicht-Erledigung berichten oder zumindest einen Zwischenbericht geben. Der Ausschuss entscheidet dann, ob mit dem vorgelegten Bericht die Sache erledigt ist, oder erneut berichtet werden soll.

Unser Gesetzentwurf und der Beratungsverlauf in den Ausschüssen ist hier zu finden.  Am 14.12.22 fand die finale 2. Lesung unseres Gesetzentwurfs im Plenum statt. Er wurde mit den Stimmen der CSU, der FW, der AfD und der FDP – bei Enthaltung der SPD – abgelehnt.