Innere Sicherheit, Recht und Justiz

Das Polizeiaufgabengesetz - PAG

Jetzt müssen die Gerichte entscheiden!

22. Juli 2021

Was bisher passiert ist:

2017

  • 4. April 2017:   1. PAG-Novelle:  Die CSU-Staatsregierung reicht den Entwurf für ein „Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen“ ein. Es wird in der Öffentlichkeit als „Gefährdergesetz“ bezeichnet, trifft aber nicht nur islamistische Gefährder, sondern bedeutet Eingriffe in die Bürgerrechte der gesamten Bevölkerung.
    In diesem Gesetz wird erstmalig die neue Eingriffsschwelle der „drohenden Gefahr“ im allgemeinen Polizeirecht aufgenommen: Eine Vorverlagerung der Eingriffsbefugnis der Polizei ins Gefahrenvorfeld, die das BVerfG bislang nur zur Terrorismusabwehr anerkennt.
     
  • 24. Juli 2017: Der Bayerische Landtag beschließt das Gesetz mit den Stimmen der CSU-Fraktion. Die Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmen als einzige Landtagsfraktion gegen den Entwurf. Die Abgeordneten der SPD-Fraktion sowie der Fraktion der FW enthalten sich der Stimme.
     
  • 1. August 2017:  Die 1. PAG-Novelle tritt in Kraft

2018

  • 30. Januar 2018:  2. PAG-Novelle:  Die CSU-Regierung reicht den Entwurf für das PAG- Neuordnungsgesetz ein. Die CSU-Regierung betreibt eine massive Ausdehnung der allgemeinen Polizeibefugnisse ins Gefahrenvorfeld. Fast alle Maßnahmen können nun schon bei lediglich drohender Gefahr angewendet werden.
     
  • 21. März 2018    Im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport erfolgt eine Expertenanhörung der 2. PAG-Novelle. Von den anwesenden Experten kommt zum Teil massive Kritik. Es ist von einem „Paradigmenwechsel im Polizeirecht“ die Rede.
     
  • 27. März 2018: Die Landtags-Grünen reichen ihre Klage gegen die 1. PAG-Novelle vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein
     
  • 15. Mai 2018: Die 2. PAG-Novelle wird mit den Stimmen der CSU-Mehrheit und gegen die Stimmen der Opposition (GRÜNE/SPD/FW) im Bayerischen Landtag verabschiedet.
     
  • 25. Mai 2018    Inkrafttreten der 2. PAG-Novelle
     
  • 08. Juni 2018: Die Landtags-Grünen klagen gegen die 2. PAG-Novelle vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof
     
  • September 2018: Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke im Bundestag reichen Normenkontrollklage gegen das Bayerische PAG vor dem Bundesverfassungsgericht ein.

2019

  • 09. Juni 2019:    Die Landtags-Grünen erheben Klage gegen die Bayerische Grenzpolizei, die ebenfalls über eine Änderung in der 2. PAG-Novelle angelegt worden ist (Art. 29 PAG)
     
  • 30. August 2019:    PAG-Kommission stellt Abschlussbericht vor und übt überraschend deutliche Kritik, obwohl der Prüfauftrag nicht die Vereinbarkeit des Gesetzes mit höherrangigem Recht beinhaltet hatte, sondern nur die Vollzugspraxis unter die Lupe nehmen sollte.

2020

  • August 2020:  Der Bayerische Verfassungsgerichtshof urteilt über die Klage der Grünen zur Bayerischen Grenzpolizei ,er erklärt die Rechtsgrundlage der Bayerischen Grenzpolizei als teilweise verfassungswidrig und nichtig. Die Bayerische Grenzpolizei darf sich zwar weiterhin so nennen, darf allerdings keinerlei eigene grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnehmen. Diese Kompetenz liegt beim Bund. Hier darf lediglich Amtshilfe geleistet werden.

2021

  • Februar 2021: FW-CSU-Staatsregierung legt 3. PAG-Novelle vor, darin wird die Kritik der PAG-Kommission aufgegriffen, mehr Richtervorbehalte geschaffen, eine zeitliche Höchstgrenze für den Gewahrsam eingefügt. Die großangekündigte Reform ist leider nur ein Reförmchen.
     
  • 19. Mai 2021 Expertenanhörung im federführenden Innenausschuss. Auch hier überraschend deutliche Kritik von den Expert*innen. Problem: drohende Gefahr bleibt Dreh- und Angelpunkt
     
  • 20. Juli 2021: 3. PAG-Novelle wird im Landtag von FW und CSU gegen Stimmen der Grünen und SPD und FDP beschlossen

Reform des PAG - jetzt müssen die Gerichte entscheiden!

Diese Woche wurde nach der 3. Lesung ein verändertes Polizeiaufgabengesetz (PAG) im Bayerischen Landtag beschlossen. Kein anderes Gesetz hatte in der vergangenen Legislaturperiode mehr Protest auf die Straße gebracht. Ein breites Bündnis aus Zivilgesellschaft, Politik und Gewerkschaften hat die Kompetenzerweiterung für die Polizei kritisiert und klar, bürgerrechtliche Reformen gefordert. Die Grüne Landtagsfraktion, die sich als einzige Fraktion im Bayerischen Landtag von Beginn an gegen die Einführung der drohenden Gefahr in das allgemeine Polizeirecht gestellt hat, ist vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof gezogen. Die von der Söder-Regierung großangekündigte Reform des PAG ist ausgeblieben, das Ergebnis enttäuschend. Aufgrund der zahlreichen bei der Expert*innenanhörung im Innenausschuss des Landtags vorgebrachten Kritikpunkte, haben wir ein Antragspaket zur Änderung des Gesetzentwurfs eingebracht, diese sind durch die Staatsregierung erneut ignoriert worden.

Zwar sind einige offensichtlich nicht mit der Verfassung vereinbare Regelungen endlich abgemildert worden, so gibt es endlich wieder eine gesetzlich bestimmte zeitliche Höchstgrenze für den Polizeigewahrsam, dennoch bleibt es dabei: Das PAG ist ein bürgerrechtlicher Alptraum:

  • Wir Grüne fordern den Begriff der "drohenden Gefahr" ganz aus dem Gesetz zu streichen, denn die Polizei ist für die konkrete Gefahrenabwehr zuständig. Für das Gefahrenvorfeld ist der Verfassungsschutz zuständig.
  • Eine Befugnis zur DNA-Analyse im Gefahrenabwehrrecht ist systemwidrig, es bestehen erhebliche Bedenken, dass diese in der vorliegenden Form mit der Verfassung vereinbar ist.
  • Die Durchsuchung von Speichermedien, Online-Durchsuchung und bei den automatisierten Kennzeichenerfassungssystemen erfolgten keine oder nur unwesentliche Änderungen. Auch hier verstößt das Gesetz weiterhin gegen die Verfassung.
  • Auf den letzten Zügen der Gesetzesberatung wurde das Gesetz nun sogar noch verschärft: Mit Art. 60a PAG ist nun eine Möglichkeit zur Zuverlässigkeitsprüfung von Personen geschaffen worden, die wir in der vorliegenden Form für verfassungswidrig halten. Sie ist zu unbestimmt und nicht verhältnismäßig.

Wir werden deshalb unsere Klagen gegen das Gesetz vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof nicht nur aufrechterhalten, sondern sehen uns gezwungen diese sogar auf die neuen Verschärfungen auszuweiten.  

Die Staatsregierung hat leider die Chance verpasst ein bürgerrechtsfreundliches Polizeigesetz zu schaffen. Auf ein Neues werden die Gerichte die CSU in die Schranken weisen müssen.