Innere Sicherheit, Recht und Justiz

Klage gegen Bayerische Grenzpolizei eingereicht

Landtags-Grüne rufen Bayerischen Verfassungsgerichtshof an

06. Mai 2019

Die Errichtung einer eigenen Bayerischen Grenzpolizei mit den ihr parallel zur Bundespolizei zugewiesenen Aufgaben und Befugnissen verstößt gegen die föderale Kompetenzverteilung im Bereich des Grenzschutzes und ist verfassungswidrig. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag klagt deshalb vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Am Montag, 6. Mai 2019, wurde eine Klage auf Meinungsverschiedenheit zum Landesverfassungsgericht eingereicht. Zusätzlich erhebt die Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze Popularklage gegen die Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei.
Vertreten werden die Landtags-Grünen durch Prof. Dr. Thorsten Kingreen (Universität Regensburg) und Prof. Dr. Sophie Schönberger (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf). Die beiden Prozessbevollmächtigten hatten für die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bereits ein Rechtsgutachten erstellt, das die Bayerische Grenzpolizei als verfassungswidrig einstufte.


Was fordern die Landtagsgrünen?

  • Wir fordern die Abschaffung der Bayerischen Grenzpolizei! Bayern liegt nicht nur im Herzen Europas, für viele Bayerinnen und Bayern ist Europa Herzenssache. Die Bayerische Grenzpolizei ist ein Symbol der Kleinstaaterei und Abschottung. Für den Grenzschutz ist nur die Bundespolizei zuständig.
  • Wir fordern die Rückkehr zum Schengen-System und ein Ende der Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze! Mit einem Dringlichkeitsantrag haben wir das Ende der europarechtswidrigen Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze gefordert. Die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen ist auf zwei Jahre Höchstdauer begrenzt, das ist schon längst überschritten. Stattdessen wollen wir eine engere europäische Zusammenarbeit in der Polizeiarbeit.
  • Wir fordern mehr Personal bei der Bayerischen Polizei in der Fläche und nicht an der deutsch-österreichischen Grenze! Die überstundengeplagte Bayerische Polizei braucht das zusätzliche Personal für die Bayerische Grenzpolizei an andere Stelle viel dringender.
    Um was geht es bei der Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei

Eine der größten Errungenschaften des vereinten Europas sind offene Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten. Grenzkontrollen und Schlagbäume gehören einer nationalstaatlichen Vergangenheit an. Die CSU-Staatsregierung hat dennoch im vergangenen Jahr eine eigene Bayerische Grenzpolizei aufgebaut. Und das, obwohl der Grenzschutz eindeutig und ausschließlich Sache des Bundes ist und wir im Schengen-Raum keine Binnengrenzkontrollen mehr benötigen.
Die Bayerische Grenzpolizei ist das Symbol einer rückwärtsgerichteten Politik der Abschottung und des nationalen Isolationismus. Anstatt nur schöne Worte über ein starkes Europa bei Wahlkampfveranstaltungen zu verlieren, muss Markus Söder jetzt zeigen ob er es ernst meint, mit proeuropäischer Politik und die Bayerische Grenzpolizei wieder abschaffen.
Die Bayerische Grenzpolizei ist aber nicht nur europapolitisch aus der Zeit gefallen, sondern auch verfassungswidrig. Deshalb klagen wir dagegen vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof.


Warum ist die Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei verfassungswidrig?
Die Bayerische Grenzpolizei verstößt gegen die Bayerische Verfassung und gegen das Grundgesetz, denn sie untergräbt mit den ihr parallel zur Bundespolizei zugewiesenen Aufgaben und Befugnissen die föderale Kompetenzverteilung im Bereich des Grenzschutzes.
Die Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei verletzt die grundgesetzliche Kompetenzordnung von Bund und Ländern und verstößt damit gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 3. Abs. 1 S. 1 BV und gegen die damit verbundene Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 101. BV.
Der Freistaat Bayern darf keine Gesetze erlassen, die materielles Grenzschutzrecht regeln. Das hat zuletzt auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Bayerischen KFZ-Kennzeichenscanning (Beschluss vom 18. Dezember 2018
1 BvR 142/15 ) festgestellt: Im Bereich des Grenzschutzes liegt die ausschließliche Gesetzeskompetenz beim Bund.
Die Abgrenzung zwischen Bundes- und Landesgesetzgebungskompetenz für die materielle Gefahrenabwehr erfolgt danach, ob es um Befugnisse zum Schutz der Grenze geht ( Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes) oder ob eine vom Grenzschutz unabhängige Gefahr abzuwehren ist ( Gesetzgebungskompetenz der Länder). Die Länder dürfen daher im Grenzgebiet zur allgemeinen Gefahrenabwehr tätig werden, insbesondere ist es damit möglich, die sog. Schleierfahndung durchzuführen. Diese Schleierfahndung kann sogar unmittelbar an der Grenze eingesetzt werden, um allgemeine Gefahrenabwehr zu betreiben, also beispielsweise die Identität einer Person festzustellen. Für den Schutz der Außengrenzen ist aber allein die Bundespolizei zuständig. Es gibt keine bayerische, sondern nur eine bundesdeutsche Staatsgrenze.
Der neue Art. 5 Abs. 2 POG regelt ausdrücklich grenzpolizeiliche Aufgaben der Landespolizei wie die Überwachung der Grenzen (Nr. 2a) oder die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs.
Die Errichtung einer eigenständigen Bayerischen Grenzpolizei mit spezifischen grenzpolizeilichen Aufgaben schafft eine voll ausgebaute und mit allen notwendigen Befugnissen ausgestattete „zweite Polizei“ zum Schutz der Bundesgrenzen. Hier wird die föderale Kompetenzordnung und damit insgesamt das Verfassungsgefüge der Bundesrepublik in Frage gestellt.
Damit stellt die Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei einen schwerwiegenden Verfassungsverstoß dar.


Warum klagen die Landtagsgrünen vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH)?

Die Verfassung des Freistaats Bayern eröffnet den Landtagsfraktionen die Möglichkeit mittels einer sog. Meinungsverschiedenheit nach Art. 75 Abs. 3 BV vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof klären zu lassen, ob durch ein Gesetz die Bayerische Verfassung (unzulässig) geändert wurde. Es handelt sich bei dem Verfahren deshalb um eine Art abstrakte Normenkontrolle.

Wie lief die Einführung der Bayerischen Grenzpolizei ab?
Die Errichtung einer Bayerischen Grenzpolizei wurde vom heutigen CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder im Januar 2018 und damit vor seiner Amtseinführung angekündigt. Es handelte sich dabei aus Sicht der Landtags-Grünen um ein rein populistisches Vorhaben.

Am 25. Mai 2018 verabschiedete die CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag das „Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts“ vom 18. Mai 2018 und änderte darin „Art. 29 – Befugnisse für Aufgaben der Grenzkontrolle und Sicherung von Anlagen des Polizeiaufgabengesetzes (PAG)“. Damit bekam die bayerische Polizei eigene grenzpolizeiliche Befugnisse neben der Bundespolizei.

Am 18. Juli 2018 und damit noch vor ihrer organisationsrechtlichen Errichtung durch den am 1. August 2018 in Kraft getretenen Art. 5 des Polizeiorganisationsgesetzes (POG) hat die Bayerische Grenzpolizei ihre Tätigkeit aufgenommen. Dieser ungewöhnliche Vorgang wurden durch die Landtags-Grünen heftig kritisiert.