Innere Sicherheit, Recht und Justiz

Expertenanhörung zum Gefährder-Gesetz

Wir möchten, dass die Menschen in Bayern sicher und frei leben können. Dafür müssen wir natürlich Gefahren zielgerichtet abwehren. Die CSU schießt jedoch über das Ziel hinaus: Sie will die Überwachung von Gefährdern drastisch verschärfen und greift dafür massiv in die Bürgerrechte ein. Zu den geplanten Maßnahmen fand diese Woche eine kontroverse ExpertInnenanhörung im Innenausschuss des Landtags statt. Wir Landtags-Grüne hatte im März einen entsprechenden Antrag gestellt.

19. Mai 2017

Wie erwartet, waren die Meinungen kontrovers: Die drei als Sachverständige geladenen Jura-Professoren (Prof. Möstl, Prof. Schwarz, Prof. Lindner), die von der CSU-Fraktion vorgeschlagen wurden, verteidigten den CSU-Gesetzesentwurf als fortschrittlich, verfassungsrechtlich unbedenklich und als mutigen Schritt des Gesetzgebers. Für die von uns Grünen und den anderen Oppositionsparteien nominierten drei PraktikerInnen (Barbara Stockinger vom Bayerischen Richterverein, Richter Markus Löffelmann und Rechtsanwalt Prof. Wächtler) ist das Gesetz äußerst bedenklich und verfassungswidrig.


Die Polizei soll künftig nach dem Willen der CSU unter viel geringeren Voraussetzungen einschreiten dürfen, nämlich immer schon dann, wenn von einer Person eine so genannten drohende Gefahr für bedeutende Rechtsgüter und damit für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Bislang ist das nur möglich, wenn von den Personen ganz konkrete Gefahren ausgehen.


Beispielsweise soll es der Polizei künftig erlaubt werden, gefährlichen Personen eine elektronische Fußfessel anzulegen. Die Fußfessel sei ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit, kritisierten die Sachverständigen. Für Richterin Stockinger vom Bayerischen Richterverein sollte eine Fußfessel, wenn überhaupt erst dann erlaubt sein, wenn die betroffene Person konkret davorsteht, eine Straftat zu begehen. Richter Löffelmann sagt, dass die Polizei eine Person für sehr lange Zeit mit der Fußfessel überwachen kann und auch ein vollständiges Bewegungsbild der Person erstellen darf. Das sei bedenklich aus Sicht der Menschenwürde. Auch ist der polizeitaktische Wert der Fußfessel äußerst fraglich. Auf Anfrage der Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze teilte das Innenministerium mit, dass eine Fußfessel eh „keinen absoluten Schutz“ vor Anschlägen bietet.


Die von der Opposition benannten Fachleute lehnen es auch ab, dass die Polizei künftig gefährliche Personen viel leichter präventiv in Polizeigewahrsam nehmen darf. Das soll schon dann möglich sein, wenn zum Beispiel die Person die Anordnung der elektronischen Fußfessel missachtet (sie zum Beispiel ablegt oder zerstört) oder gegen ein polizeiliches Aufenthaltsverbot oder -gebot (von Verbannung spricht Rechtsanwalt Prof. Wächtler) verstößt. Der Präventivgewahrsam soll für bis zu 3 Monate angeordnet werden können, ist aber beliebig oft um jeweils weitere 3 Monate verlängerbar, das heißt am Ende dann doch zeitlich unbefristet.


Mit dem Gesetz, so die RichterInnen, können sie am Gericht kaum arbeiten. Wie soll eine RichterIn feststellen, ob von einer Person, die schon seit Monaten zum Beispiel wegen des Kontakts zu bestimmten gefährlichen Gruppen in Gewahrsam sitzt, wirklich keine Gefahr mehr ausgeht, sagt Richterin Stockinger. Gerade im so genannten Gefahrenvorfeld besteht ein hohes Risiko, dass man die Gefährlichkeit einer Person falsch einschätzt, so Richter Löffelmann. Er spricht von der „Vernachrichtendienstlichung der Polizei“ durch dieses Gesetz.
Ähnlich kritisch sieht Rechtsanwalt Prof. Wächtler die Neuregelungen zu Aufenthaltsge- und -verboten und Platzverweisen. Auch die geplante Quellen-TKÜ wird diskutiert, also die Überwachung verschlüsselter Kommunikation wie Whatsapp oder Skype durch Aufspielen einer Überwachungssoftware („Trojaner“) auf dem Handy oder Tablet.

Schon der erste Entwurf der CSU wurde heftig kritisiert. Und auch an dem jetzigen Entwurf haben die ExpertInnen viele Mängel aufgezeigt. Das bestätigt uns, den Gesetzesentwurf unter verfassungsrechtlichen aber auch unter polizeipraktischen Gesichtspunkten kritisch zu sehen. Wir möchten, dass Menschen bei uns frei und in Sicherheit leben können. Dafür müssen wir Gefährder engmaschig und zielgerichtet überwachen, die Sicherheitsbehörden personell und ressourcenmäßig gut ausstatten und eine europäische Sicherheitspolitik forcieren. Wir verschließen uns nicht gesetzlichen Änderungen, wenn sie der zielgerichteten Gefahrenabwehr dienen und auf dem Boden des Rechtsstaats stehen. Wir sagen aber auch: Wir müssen statt neuer, härterer Sicherheitsgesetze vor allem die schon geltenden Gesetze konsequent anwenden und auch in Prävention investieren. Wir haben ein großes Problem damit, wenn rechtswidrige Vorschläge und Sicherheitsplacebos auf den Tisch gelegt werden. So wie bei dem vorliegenden “Gesetzentwurf zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen”. Wenn Freiheitsrechte aller BürgerInnen durch den massiven Ausbau der polizeilichen Befugnisse ausgehöhlt werden, können wir das nicht so stehen lassen, so Katharina Schulze.