Modell "Kleiner Prinz" - Regierung gibt sich ahnungslos

<p><strong>3. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Labor“: Regierung nimmt Stellung zu Problemen im Gesundheitswesen und hat ihrer Meinung nach alles richtig gemacht.</strong> Sepp Dürr, rechtspolitischer Sprecher der Landtagsgrünen, hatte bereits in der ersten Ausschusssitzung eingefordert, zu diesen Fragen einen unabhängigen Gutachter zu beauftragen. In der letzten Sitzung&nbsp; des Untersuchungsausschuss „Labor“ ging es um das Gesundheitssystem und speziell um die Abrechnung von Laborleistungen.

24. Oktober 2014

Die Regierung wurde von der Landtagsmehrheit aufgefordert, zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen und zum Fragenkomplex 1 des Fragenkataloges Stellung zu nehmen. Dazu wurde in der Sitzung dann Bericht erstattet.

Sepp Dürr, rechtspolitischer Sprecher der Landtagsgrünen: „Es reicht nicht aus, wenn die Regierung uns erzählt, welche Pflichten sie hat und ob sie sie erfüllt hat. Nur wenn das Pflichtengerüst neutral dargestellt wird, lässt sich klar bewerten, ob die Regierung sich daran gehalten hat.“

Bereits vor 15 Jahren lief ein Verfahren gegen Schottdorf

Das Ergebnis war also vorauszusehen: Natürlich hat das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege aus seiner Sicht die ihm obliegende Rechtsaufsicht über das System der gesetzlich Versicherten korrekt ausgeführt. Dabei macht man sich einen schlanken Fuß: erfüllt wurden nur die Pflichten, die gesehen wurden oder werden wollten. Das ist ein bisschen wie das Modell „Der kleine Prinz“: Gab der nur Aufträge, die auch ohne seine Befehle umgesetzt wurden, sieht die Regierung nur die Pflichten, die sie erfüllt hat.
Ansonsten gibt sich die Regierung weitgehend ahnungslos. So war es angeblich noch nie erforderlich, gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) rechtsaufsichtlich tätig zu werden. Dabei lief bereits vor 15 Jahren ein Verfahren gegen Schottdorf, in dem Vertretern der KVB vorgeworfen wurde, diesen zu verschonen. Im Bayerischen Landtag ging es damals auch um die Frage, ob die Regierung in diesem Fall rechtsaufsichtlich hätte tätig werden müssen.

Medien berichten – Regierung hat nichts mitbekommen

Skurril ist auch: Trotz einer massiven Medienberichterstattung über das Pilotverfahren und den damit zusammenhängenden Abrechnungsbetrug durch mutmaßlich 3000 bayerische Ärzte und einer kolportieren Schadenssumme von ca. 500 Millionen Euro liegen der Regierung nach eigenen Angaben keine umfassenden Erkenntnisse über einen Schaden vor.
Auch das System der Kick-back-Zahlungen zwischen Laborbetreibern und Ärzten ist seit mehr als drei Jahrzehnten bekannt und kritisiert worden. Dennoch sieht die Regierung kein „strukturelles oder systematisches Defizit im Abrechnungssystem für Privatpatienten“.
Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wurde dagegen wenigstens im Jahr 2008, im Zuge der Laborreform, diesem System ein Riegel vorgeschoben. Seitdem dürfen in Laborgemeinschaften erbrachte Laborleistungen nur noch durch die Laborgemeinschaft selbst mit der KVB abgerechnet werden und nicht mehr vom auftraggebenden Arzt.

Leider niemand zuständig für Privatpatienten

Immer wieder wird in der Stellungnahme der Regierung betont, dass es sich bei dem Verhältnis Arzt zu Privatpatient um ein rein privatrechtliches Verhältnis handle, in dem leider niemand die Rechtsaufsicht habe. Nicht erwähnt wird, dass in Deutschland eine Krankenversicherungspflicht nach § 193 III VVG besteht und sich Privatpatienten eben bei einer privaten Krankenversicherung versichern müssen. Diese wickelt, je nach Vertragsgestaltung, die Arztrechnungen für den Patienten ab und überprüft diese auch. Die privaten Krankenkassen unterstehen der Rechtsaufsicht der Bundesfinanzagentur (LINK BAFIN).
Unerwähnt bleibt auch, dass Beihilfeberechtigte, bspw. Staatsbeamte, ihre Arztrechnungen üblicherweise bei der Beihilfestelle einreichen, die diese genauso überprüft, wie die KVB. Zuständig wäre hier beispielsweise das Landesamt für Finanzen, das dem bayerischen Finanzministerium untersteht.

Politisch verantwortungslos

Es ist schwer zu glauben, dass niemandem aufgefallen sein soll, dass die einsendenden Ärzte gar nicht befugt waren, Speziallaborleistungen abzurechnen. Diese unhaltbaren Zustände und die Ignoranz der Regierung, werfen also nicht nur eine Reihe von rechtlichen Fragen auf. Auch politisch ist die „Stellungnahme“ der Regierung ein Eingeständnis völliger gesundheitspolitischer Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit.

Sepp Dürr: „Es kann nicht sein, dass Privatversicherte seit Jahrzehnten ausgenommen werden wie eine Weihnachtsgans und Laborunternehmer als Vielfach-Millionäre enden, aber niemand sieht sich veranlasst, dagegen etwas zu tun.“
Während im Bereich der kassen- und vertragsärztlichen Selbstverwaltung, nach Aussage der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB), einiges unternommen wurde, „Anreizen zu medizinisch unbegründeten Leistungs- und Vergütungsmehrungen wirksam entgegenzutreten“, geschah im Bereich der Privatpatienten – nichts!

Wie geht’s weiter?

Ob wirklich niemand für die Rechtsaufsicht im Bereich der Privatversicherten zuständig oder dazu verpflichtet ist, ein fehlgesteuertes System zu korrigieren, werden wir uns in einer der nächsten Sitzungen von einem unabhängigen Experten darstellen lassen. Einen entsprechenden Beweisantrag hat Dr. Sepp Dürr zusammen mit den Freien Wählern bereits gestellt.
In der nächsten Sitzung am 11.11.2014 um 14 Uhr kommen Vertreter des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, des Finanzministeriums und der bayerischen Landesärztekammer. Wenn sie bei der vorgegebenen Linie bleiben, kann das noch heiter werden.