Wir sind Großverbraucher von Antibiotika – und darauf sollten wir nicht stolz sein

<p>„Wir sind Großverbraucher! GROSSVERBRAUCHER von Antibiotika – sowohl in der Humanmedizin als auch in der Tiermast! Inzwischen sterben mehr Menschen an Infektionen durch multiresistente Keime als im Straßenverkehr.“</p><p>Mit diesen Worten machte Ulli Leiner, der gesundheits- und pflegepolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, im Plenum am Dienstag des 23. Juni 2015 auf die ernsthafte Bedrohung durch steigende Antibiotika-Resistenzen aufmerksam.</p>

26. Juni 2015

Der breite Einsatz von Antibiotika und vor allem Reserveantibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung und der Humanmedizin führt zunehmend dazu, dass immer mehr Bakterien gefährlich werden und sich Antibiotika-Resistenzen entwickeln. Nicht nur der inzwischen gut bekannte MRSA-Keim, sondern vor allem die sogenannten multiresistenten gramnegativen Keime sind eine ernste Bedrohung. Zu diesen gehört auch das Bakterium, das zu den Todesfällen im Universitätsklinikum Kiel in diesem Jahr führte. Diese Erreger sind sehr schwer zu behandeln, da sie oft gegen vier Antibiotikastämme resistent sind und damit eine noch größere Herausforderung als der bekannte MRSA darstellen.

Durch unsere Anträge „Mehr Sensibilisierung im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen im Gesundheitswesen“ (Drs. 17/6201) und „Kampf gegen Krankenhauskeime forcieren, Melde- und Dokumentationspflicht systematisieren und verbessern“ (Drs. 17/6198) wollen wir die Öffentlichkeit mehr sensibilisieren und auch Maßnahmen ergreifen, um die Verbreitung solcher Infektionen zu minimieren. Darunter gehört eine Öffentlichkeitskampagne für einen bewussten Umgang mit Antibiotika und Aufklärung über multiresistente Erreger. In Frankreich konnte durch so eine Medien-Kampagne der Gebrauch der Antibiotika im ambulanten Bereich um 26 %, gesenkt werden. Genauso wichtig ist die Entwicklung diagnostischer Schnellmethoden für Arztpraxen, damit Ärzte zielgenau bestimmtes Antibiotikum einsetzen können. Wir brauchen auch eine elektronische Meldepflicht schon bei erstem Nachweis für sämtliche gefährlichen multiresistenten Keime in Kliniken. Zusätzlich ist eine einheitliche Dokumentationspflicht notwendig, damit wir Infektionsquellen und Infektionswege nachvollziehen können. So können zielgenaue Bekämpfungsmaßnahmen eingeleitet werden. Nicht zuletzt müssen Einrichtungen auch die KRINKO-Empfehlungen zum Umgang mit multiresistenten Keimen voll umsetzten. „Uns muss ganz klar sein, dass hier Einzellösungen keinen Erfolg bringen können.“, erklärte Leiner.

Der grüne Gesundheitsexperte betonte: „Die Lage ist jetzt ernst genug. Die Staatsregierung tut in Bayern aber eindeutig zu wenig, um diese gefährlichen multiresistenten Keime konsequent zu bekämpfen.“ Bis zu 30.000 Patientinnen und Patienten sterben jährlich an den Folgen multiresistenter Keime, 400.000 bis 600.000 erkranken an solchen Infektionen in deutschen Kliniken. „Die Baustellen gibt es an allen Ecken und Enden“, mahnte Leiner. Nur 40 Prozent der Vollzeitstellen für Hygienefachkräfte sind in bayerischen Kliniken besetzt. Gemäß aktueller Studien sind nur 30 Prozent der Antibiotika-Verordnungen mit Blick auf die Diagnose immer noch fragwürdig; 40 Prozent der Menschen geben bei Befragungen zu, dass sie nicht über die Verwendung von Antibiotika informiert sind.

Dazu haben wir keine aktuellen und verlässlichen Daten: Der letzte Bericht des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMfGP) ist zwar aus dem Herbst 2014, liefert aber Daten über die risikobasierten Screenings in bayerischen Kliniken aus dem Jahr 2011. Auf gramnegative multiresistente Keime, die derzeit das eigentliche Sorgenkind sind, haben damals weniger als die Hälfte der Kliniken getestet. „Schon vor vier Jahren lag aber insbesondere hier die Mehrheit der positiven Befunde“, so Leiner.