Mehr Rechtssicherheit in der Methadon-Substitution!

Die Methadonsubstitution unterstützt suchtkranke Menschen auf ihrem Weg aus der kriminalisierten Drogenszene. Zum Jahresende 2014 wird es in vielen Teilen Bayerns immer schwieriger sein, einen Arzt zu finden, der die Aufgabe der Methadon-Substitution bereit ist, fortzuführen.</p>

17. Oktober 2014

Der Hintergrund dafür liegt in der unsicheren Rechtslage sowie in dem in Deutschland einmaligen „Engagement“ bayerischer Staatsanwaltschaften zur unnachgiebigen Verfolgung von Substitutionsärzten in Bayern. Ohne Sensibilität für die schwierige Situation des betroffenen Arztes und ohne Anerkennung der Brüche zwischen den Anforderungen des Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtmVV) auf der einen Seite und der Realität in Bezug auf die Patienten und der abgebenden Ärzte auf der anderen Seite werden Ärzte kriminalisiert bis hin zum Entzug ihrer Existenzgrundlage.

Die substituierenden Ärzte und Ärztinnen brauchen mehr Rechtssicherheit. Da es sich bei dem geringsten Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz gleich um eine Straftat handelt, müssen hier dringend die Gesetzeslage und Fachrichtlinien überarbeitet und harmonisiert werden. Auch der Altersdurchschnitt der aktuell tätigen Substitutionsärzte macht uns Sorgen; die meisten sind über 55 Jahre alt. Schaffen wir es nicht die Rahmenbedingungen zu ändern, müssen wir mit diesen Folgen rechnen: fehlende wohnortsnahe Substitution heißt unter anderem auch ein Anstieg von Beschaffungskriminalität, Prostitution und das Auftreten vermehrter Todesfälle.
Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen auf den Stand der medizinischen Wissenschaft angepasst werden. So entspricht das in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) festgeschriebene Abstinenzparadigma (§5 Abs. 1, Nr. 1 BtMVV) nicht mehr den internationalen Behandlungsstandards, die die Opiatabhängigkeit als chronische Erkrankung einstufen (s. WHO Guidelines for the Psychosocially Assisted Pharmacological Treatment of Opioid Dependence, Geneva 2009).  Die Strafandrohungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) für die Überlassung eines Betäubungsmittels (bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe) sind sowohl für die palliativmedizinische Versorgung als auch die substitutionsgeschützte Behandlung Opiatabhängiger absolut ungeeignet.

Dabei lassen sich die Erfolge der über 20 Jahren Substitutionsbehandlung in Deutschland sehen:
Die Zahl der Drogentoten ist erheblich abgesunken, die Kriminalitätsrate sowie die Rate der HIV-Neuinfektionen haben abgenommen, das Durchschnittsalter der Substitutionspatienten steigt kontinuierlich an. Die Risiken einer sehr langfristigen bzw. lebenslangen Substitution sind viel geringer als ständige Rückfälle mit dem Risiko einer weiteren Progression des Krankheitsbildes. Die Opiatabhängigen werden durch die Therapie gesundheitlich stabilisiert und können wieder am Privat- und am Arbeitsleben teilhaben.
Ein Blick über die Grenzen zeigt deutlich, dass in den umliegenden Ländern, in denen ebenfalls seit vielen Jahren substituiert wird, das Substitutionsrecht sehr viel pragmatischer gefasst ist. Es handelt sich also vor allem um ein bayerisches Problem.
Aus diesem Grund sind wir gerade dabei, einen Antrag zu stellen, damit endlich rechtliche Rahmenbedingungen gelten, die die behandelnde Ärzte nicht abschrecken, Opiatabhängigen eine flächendeckende Versorgung mit freier Arztwahl ermöglichen und einer normalen Lebensführung nicht von Vorneherein im Wege stehen.

Konkret wollen wir, dass:

  •  das Betäubungsmittelgesetz (BtmG), die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV), das Arzneimittelgesetz (AMG) und die fachlichen Behandlungsrichtlinien der Bundesärztekammer (BÄK) und des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) harmonisiert werden;
  • im Bundesrecht klar gestellt wird, dass der § 5 BtMVV neugefasst wird, mit dem Ziel, dass die Entscheidung darüber, ob der Beikonsum „nach Art und Menge den Zweck der Substitution gefährdet“, im Ermessen des behandelnden Arztes liegt;
  • der § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG revidiert wird (derzeit bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe für die Überlassung eines Betäubungsmittel);
  • das Dispensierrecht im Arzneimittelgesetz (AMG) dahingehend geändert wird, dass Take-Home Verordnungen straffrei möglich sind;
  • die Apotheken in die Substitutionsbehandlung stärker einbezogen werden.