Rechtsextremismus
Was tun gegen PEGIDA und Co.?
<p><strong>Seit einigen Wochen müssen wir – auch in Bayern – rassistische Demonstrationen gegen eine vermeintliche Islamisierung des Abendlands mit ansehen.</strong> Katharina Schulze, Sprecherin der Fraktion für Strategien gegen Rechtsextremismus, befasste sich vor diesem Hintergrund in einem Fachgespräch damit, woher die Anfälligkeit für rassistische Ressentiments kommt und wie wir Demokratie und Solidarität dauerhaft stärken können.<br>
13. Februar 2015
In ihrem einleitenden Statement konzentrierte sich Katharina Schulze auf die Situation in München, wo seit dem 12. Januar Demonstrationen eines bayerischen Pegida-Ablegers stattfinden. Trotz der mittlerweile abnehmenden Teilnehmerzahlen seien die Bilder der Demonstrationen ein erschreckendes Signal: „Unter einem vermeintlich bürgerlichen Deckmantel marschiert hier jede Woche die High-Society der bayerischen Neonazi-Szene auf“, so Schulze. Das Teilnehmerfeld reiche von den Islamfeinden um Michael Stürzenberger über die NPD bis hinein in die Kameradschaftsszene und in dezidiert rechtsterroristische Kreise. Als Beispiele nannte Katharina Schulze unter anderem den Angeklagten im NSU-Prozess, André Eminger, sowie die beiden wegen des geplanten Anschlags auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Gemeindezentrums vorbestraften Rechtsterroristen Karl-Heinz Statzberger und Thomas Schatt. „Die von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis getragenen Münchner Proteste gegen die rechten Parolen und für eine gelebte Willkommenskultur sind deshalb ein ganz wichtiges Zeichen“, erklärte Katharina Schulze.
Sie betonte jedoch auch, dass sich das Problem Rassismus nicht auf einige Neonazis beschränken lasse. So habe eine von der Grünen Landtagsfraktion in Auftrag gegebene Studie gezeigt, dass rechtsextreme Einstellungen in Bayern erschreckend weit verbreitet sind. Für Katharina Schulze eine alarmierende Erkenntnis: „Unsere Demokratie ist nicht erst dann gefährdet, wenn Gewalttaten von Neonazis öffentliches Aufsehen erregen. Auch rechtsextreme Einstellungen in der sogenannten ‚Mitte der Gesellschaft‘ gefährden das demokratische Klima.“ Wie eng der Zusammenhang zwischen dem gesellschaftlichen Klima und rassistischen Straf- und Gewalttaten ist, lässt sich auch an der zunehmenden Zahl von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte ablesen, die eine Anfrage von Katharina Schulze an die CSU-Staatsregierung zu Tage befördert hat. „Allein 50 Übergriffe im zweiten Halbjahr 2014 zeigen, dass es nicht nur bei Worten bleibt. Die rassistische Stimmung schlägt immer öfter auch in Taten um.“
Muslimische Realität im Alltag stärker sichtbar machen
Diese Beobachtung macht Miro Jennerjahn von der sächsischen Landesnetzstelle des Netzwerks für Demokratie und Courage auch in Dresden. Das Bild von vermeintlich „besorgten Bürgern“ hält er für vorgeschoben: „Wenn ich Sorgen habe, kann ich diese artikulieren und muss sie nicht in Hass übersetzen.“ Im Mittelpunkt der PEGIDA-Demonstrationen stünden daher auch weniger konkrete politische Forderungen als permanente Feindbildkonstruktionen: gegen Muslime, gegen Flüchtlinge, gegen Medien und gegen Politiker. Als Gründe dafür, weshalb PEGIDA gerade in Dresden eine vergleichbar große Mobilisierungskraft entfalten konnte, nannte Jennerjahn insbesondere die rechtskonservativ geprägte politische Kultur, ein verbreitetes Demokratiedefizit in der Bevölkerung, die jahrelange Verharmlosung rassistischer Tendenzen sowie die Kriminalisierung von antirassistischem und antifaschistischem Engagement. Eine ganz entscheidende Rolle spiele auch die Tatsache, dass es in Dresden durch die geringe Zahl von Muslimen kaum Berührungspunkte im Alltag gebe: „Vorurteile sind leichter zu erhalten, wenn man sie nicht mit alltäglichen Erfahrungen abgleichen kann“, so Jennerjahn.
Im Anschluss an die Schilderung der Dresdner Situation beschäftigte sich der Vortrag von Burkhard Hose mit dem Würzburger PEGIDA-Ableger. Als Mitglied im örtlichen Bündnis für Zivilcourage ist Hose an der Organisation der unterfränkischen Gegendemonstrationen beteiligt. In dieser Funktion sehe er sich immer wieder mit massiven Anfeindungen konfrontiert. Diese kämen vor allem aus dem Umfeld der neu-rechten Identitären Bewegung, die auch maßgeblich für die Organisation der WÜGIDA-Demonstrationen verantwortlich ist. Burkhard Hose kritisierte das aus seiner Sicht einseitige Vorgehen der Polizei gegenüber pauschal als „linksextrem“ verunglimpften Gegendemonstranten, während gleichzeitig rechtsextreme und rassistische Äußerungen bagatellisiert würden. „Ich hatte eigentlich gedacht, dass der NSU-Skandal hier zu einem Umdenken führt“, zeigte sich Hose enttäuscht. Zudem stelle sich für ihn die Frage, wie es nach dem Abklingen der rassistischen Demonstrationen weitergehe: „Was passiert mit den Haltungen und Ideen der Leuten, wenn die Demos aufhören?“
Diese Frage griff die Kommunikationswissenschaftlerin Sabrina Schmidt auf. Sie betonte in ihrem Statement, dass es Islamfeindlichkeit ja nicht erst seit PEGIDA gebe. „Bei den Demonstrationen handelt es sich vielmehr um das öffentliche Aufbrechen eines latenten Rassismus.“ Sie hätten dazu geführt, dass wieder stärker darüber nachgedacht werde, „wie aufgeschlossen wir tatsächlich sind und wen dieses kleine Wörtchen ‚wir‘ eigentlich meint“. Dass es im Hinblick auf einen offenen Umgang mit dem Islam in der Mehrheitsgesellschaft noch deutliche Defizite gebe, zeigten die Ergebnisse ihrer Studie zur Islamwahrnehmung. Demnach sind 61 % der nicht-muslimischen Befragten der pauschalen Meinung, der Islam passe nicht in die westliche Welt, 57 % halten ihn gar für bedrohlich. Besonders hoch seien die Zahlen dort, wo keine oder nur wenige Muslime leben. Dies habe damit zu tun, dass durch fehlende Kontaktmöglichkeiten allein das mediale Bild „des Islams“ die Vorstellungen präge. „Die Medienagenda ist ganz klar konflikt- und ereignisorientiert. Positive Meldungen oder die Vielfalt der muslimischen Lebenswirklichkeit kommen dabei zwangsläufig zu kurz“, erklärte Schmidt. Die Islamfeindlichkeit habe somit auch eine strukturelle Dimension, die es stärker in den Blick zu nehmen gelte.
Im Anschluss an die Analyse der Expertinnen und Experten drehte sich die Diskussion mit dem Publikum um die Frage, wie man angesichts der geschilderten Situation demokratische Werte und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken kann. Katharina Schulze plädierte dafür, sich verstärkt auch mit der Perspektive der von PEGIDA und Co. Bedrohten auseinanderzusetzen. Burkhard Hose sprach sich für einen „kritischeren, erwachseneren Umgang“ mit dem (Fehl-) Verhalten der Behörden aus. Auf die Frage, ob der Dialog mit PEGIDA die richtige Antwort sei, machte Miro Jennerjahn sehr deutlich, dass sich die angebotenen Diskursräume in Dresden „sehr schnell als Beschimpfungsräume entpuppt haben“. Ein wirklicher Dialog sei angesichts der fehlenden Bereitschaft, zentrale demokratische Spielregeln einzuhalten, aus seiner Sicht weder möglich noch sinnvoll. „Vielmehr gilt es diejenigen zu stärken, die sich seit vielen Jahren für unsere Demokratie, für eine offene Gesellschaft einsetzen“, so Jennerjahn. Die religionspolitische Sprecherin der Landtagsgrünen, Ulrike Gote, verwies auf die langjährige grüne Forderung, die muslimische Realität im Alltag stärker sichtbar zu machen, etwas in den Medien und an den Schulen. In diese Richtung argumentierte auch Sabrina Schmidt, die neben der Verantwortung von Politik und Medien aber auch die Verantwortung jedes Einzelnen einforderte und die Schaffung zusätzlicher Räume für Begegnungen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen anregte.
Abschließend fasste Katharina Schulze die grünen Forderungen zusammen, die derzeit in diesem Themenbereich ihre parlamentarische Arbeit prägen. Dazu zählten insbesondere die Forderung nach einer Stärkung der Demokratiebildung, die Umsetzung der Empfehlungen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss sowie die Forderung nach einer grundlegenden Überarbeitung des Bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus. Schulze kündigte ebenso an, die Anregungen aus dem Fachgespräch in die künftige Arbeit einfließen zu lassen.