Rechtsextremismus
Oma und Opa - Helden oder Nazis?
<p><strong>Fachgespräch zur "Trümmerfrauen"-Debatte.</strong> Anfang Dezember 2013 verhüllten der kulturpolitische Sprecher Sepp Dürr und Katharina Schulze, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, das Trümmerfrauendenkmal am Münchner Marstallplatz. <a href="index.php?id=3505">Die Aktion</a> fand ein großes mediales Echo und führte zu teilweise heftigen Reaktionen aus bestimmten Kreisen der Bevölkerung, die den Abgeordneten vorwarfen, ihre Großeltern als Nazis zu verunglimpfen.

05. Dezember 2014
Diese Woche luden die beiden Grünen HistorikerInnen zu einem Fachgespräch in den Bayerischen Landtag ein, um Antworten auf die Fragen zu geben, was es mit den „Trümmerfrauen“ historisch auf sich hatte und wie heute an die deutsche NS-Vergangenheit angemessen gedacht werden kann.
Sepp Dürr erinnerte in seiner Einführungsrede nochmals an den Anlass der Verhüllung. Trotz eines ablehnenden Votums des Münchner Stadtrats hatte der gelernte Historiker, Bildungs- und Wissenschaftsminister Spaenle wider besseres Wissen einem kleinen CSU-Verein staatlichen Grund zur Verfügung gestellt, damit dieser einen Gedenkstein für die sogenannten „Trümmerfrauen“ als Dank und Anerkennung für ihre Aufbauleistung in der Nachkriegszeit errichten konnte. An der Einweihung nahm er persönlich teil. „Spaenle hat sich damit als Geschichtsfälscher entlarvt und den mühsam hergestellten Konsens in der Erinnerungskultur eines verantwortlichen Umgangs mit der NS-Vergangenheit und historischer Genauigkeit aufgekündigt.“ Die große Mehrheit unserer Mütter- und Großmüttergeneration habe während und nach dem Krieg viel gelitten und geleistet, aber „wer heute daran erinnert, ohne einen Zusammenhang zur Vorgeschichte herzustellen und zum unsäglichen Leid, das Nazi-Deutschland über Millionen anderer gebracht hat, verzerrt die Verhältnisse auf unerträgliche Art und Weise“, gab Dürr die grüne Position wieder.
Die Historikerin Dr. Leonie Treber, Autorin des Buchs „Mythos Trümmerfrauen“, pflichtete in ihrem Vortrag der Kritik der Grünen bei. Es seien nicht in erster Linie die Frauen gewesen, die im und nach dem Krieg in Deutschland den Trümmerschutt beiseite geräumt haben, abgesehen allenfalls von Berlin, und auch dort käme ihnen der Verdienst nur für einen kleinen Zeitraum unmittelbar nach 1945 zu. Die Bevölkerung – ob Männer oder Frauen – hätten sich nur beteiligt, weil sie als Gegenleistung Lebensmittelkarten erhielten. Hauptsächlich aber hätten die Aufgabe deutsche Kriegsgefangene und NS-Parteigänger erledigt und v.a. kommerzielle Baufirmen, die die dazu notwendigen Räumgeräte besaßen.
Bis in die 80er Jahre sei der Begriff der Trümmerfrauen in Westdeutschland im Unterschied zur DDR, die ihn ideologisch instrumentalisierte, unbekannt gewesen. Es sei nicht zuletzt dann die Frauengeschichtsschreibung gewesen, so Treber, die ihn salonfähig gemacht habe. In den Jahren nach 2000 hätten ihn die Rechten für ihre revanchistischen Zwecke entdeckt.
Der Historiker Dr. Andreas Heusler vom Stadtarchiv München erläuterte in der anschließenden Podiumsdiskussion die spezifisch Münchner Nachkriegssituation. Lediglich 1 % der Bevölkerung, etwa 7.000 Menschen, seien den Aufrufen zur Trümmerbseitigung wie u.a. dem berühmten Rama Dama des damaligen Münchner Oberbürgermeisters Thomas Wimmer gefolgt. Gerade für München sei es historisch falsch, auf die Leistung der „Trümmerfrauen“ zu verweisen. Deshalb hatte sich der Stadtrat dem wiederholten Ansinnen einer Denkmalerrichtung verweigert.
Die Diskussionsleiterin Katharina Schulze dankte in ihrem Schlusswort für die fundierte Aufklärung über die zeithistorischen Tatbestände und versprach, dass die Grünen auch zukünftig die Diskussion um eine moderne Erinnerungs- und Gedenkkultur vorantreiben werden.