Rechtsextremismus

Licht ins Dunkel! Oktoberfest-Attentat darf kein "blinder Fleck" bleiben

<p><strong>Und immer noch bleibt ein "blinder Fleck": Über 34 Jahre nach dem verheerenden rechtsterroristischen Sprengstoffattentat an der Münchner Theresienwiese tappt die Zivilgesellschaft im Dunkeln, was die Hintergründe des mörderischen Anschlags am Eingang zur "Wiesn" angeht.</strong> Wir nehmen zum Start des Kinofilms "Der blinde Fleck" das Bundesjustizministerium erneut in die Pflicht: <a href="http://www1.bayern.landtag.de/ElanTextAblage_WP16/Drucksachen/Folgedrucksachen/0000005000/0000005347.pdf">Der fraktionsübergreifende Landtagsbeschluss</a> vom&nbsp; 22.

02. Januar 2014

Februar 2011 zur Wiederaufnahme von Ermittlungen muss jetzt endlich in die Tat umgesetzt werden!

Am 23. Januar läuft Daniel Harrichs Spielfilm an, der die Ereignisse aus Sicht des Reporters Ulrich Chaussy rekonstruiert. Chaussy hielt bei seinen Recherchen das offizielle Ermittlungsergebnis des "verwirrten Einzeltäters" für wenig glaubhaft. Stattdessen machte er ein rechtsextremes Netzwerk aus und stolperte dabei über die äußerst dubiose Rolle des bayerischens Staatsschutzes.
Nun hat eine Recherche des BR-Magazins "Kontrovers" brisante neue Informationen zum Oktoberfest-Attentat zu Tage befördert: Spuren führen womöglich zu internationalen Geheimdiensten und zur Operation GLADIO. Nur wenige Wochen vor dem Attentat in München wurde in Italien einen Anschlag auf den Bahnhof in Bologna verübt. 85 Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt. Eine Verwicklung von Gladio gilt als sicher.

Am 26. September 1980 wurde das Münchner Oktoberfest zum Schauplatz des schlimmsten Terroranschlages in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Eine in der Nähe des Haupteingangs explodierte Bombe kostete 13 Menschen das Leben, 211 wurden zum Teil schwer verletzt. Trotz der Schwere des Anschlags sind bis heute viele Fragen unbeantwortet geblieben - vor allem zu den Hintergründen der Tat. Eine lückenlose Aufklärung sind wir jedoch nicht nur all jenen schuldig, die bei dem Attentat verletzt wurden oder Freunde und Familienangehörige verloren haben. Nein, sie ist auch deshalb unverzichtbar, da jeder Verdacht auf Versäumnisse, Pannen und Vertuschungsaktionen im Laufe der Ermittlungen das Vertrauen in die staatlichen Behörden - und damit in unsere Demokratie - massiv erschüttert.

Dies gilt für das Oktoberfestattentat ebenso, wie für die fürchterliche Mordserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), die einmal mehr die Frage aufgeworfen hat, wieso Rechtsextreme über Jahre hinweg völlig unbehelligt von den Sicherheitsbehörden morden konnten.

Rechtsterrorismus in Bayern: Das Märchen von den "Einzelfällen"

Gerade auch in Bayern gibt es eine erschreckende Tradition rechtsextremer Gewalttaten und Morde, die ihre blutige Spur durch die Nachkriegsgeschichte zieht: von der Beteiligung deutscher Rechtsextremer beim Olympiaattentat 1972, dem Oktoberfestattentat 1980, den Oxner-Morden 1982 und weiteren Morde aus dem Umfeld der "Wehrsportgruppe Hoffmann" bis hin zu einer Reihe anderer Gewalttaten vermeintlicher "Einzeltäter" oder "Waffennarren" in den letzten Jahrzehnten. Die Feststellung der Ermittlungsbehörden, bei den verschiedenen Anschlägen habe es sich jeweils um Einzelfälle gehandelt, begleitet die gesamte Serie des Rechtsterrorismus in Bayern. Und das, obwohl es eine Vielzahl von Hinweisen darauf gibt, dass hinter den Anschlägen zum Teil rechtsextreme Unterstützernetzwerke standen.

Bagatellisieren und Verharmlosen: Behörden auf rechtem Auge blind

Dies lässt durchaus die Frage aufkommen, welche Motive hinter dieser - oft vorschnellen - Festlegung auf "Einzeltäter" standen bzw. stehen und ob nicht doch vielmehr strukturelle Ursachen für Ermittlungsfehler oder -versäumnisse verantwortlich sind. Die Geschehnisse rund um das Oktoberfestattentat sind möglicherweise ein Schlüssel für die Beantwortung dieser Fragen. Endgültig beantwortet werden können sie jedoch nur durch eine Wiederaufnahme der Ermittlungen und eine lückenlose Aufklärung - vor allem hinsichtlich der Art und des Umfangs der Beteiligung von Neo-Nazi-Organisationen.

Was sich jedoch auch unabhängig davon feststellen lässt, ist die in Bayern beinahe schon traditionelle Verharmlosung und Bagatellisierung rechtsextremer Straf- und Gewalttaten. Erst seit Bekanntwerden der NSU-Morde scheint sich daran langsam etwas zu ändern. Viel zu lange konnten Rechtsextreme ihre menschenverachtende Ideologie jedoch gerade in Bayern nahezu unbehelligt verbreiten. Während der Fokus auf dem "Linksextremismus" und später auf dem "islamistischen Terrorismus" lag, waren die Staatsregierung und die ihr unterstellten Behörden sprichwörtlich auf dem rechten Auge blind. Dass der Rechtsextremismus in Bayern bis heute das größte Sicherheitsproblem darstellt, wurde offenbar bewusst ausgeblendet. Oder wie ist es anders zu erklären, dass der damalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß das Verbot der vermutlich in das Oktoberfestattentat verwickelten "Wehrsportgruppe Hoffmann" (WSG) im Frühjahr 1980 als Überreaktion bezeichnete. Oder dass dem militant-rechtsextremen "Freien Netz Süd" lange Zeit viel zu zaghaft entgegen getreten wurde.. 

Fast hat man den Eindruck, in der bayerischen Staatsregierung gilt das Motto, wonach nicht sein kann, was nicht sein darf. Schließlich verhindert die fast schon reflexhafte Äußerung der Einzeltäter-These bei allen rechtsextremen Anschlägen eine (selbst-) kritische Auseinandersetzung mit den verharmlosenden Bewertungen und Einschätzungen aus der Vergangenheit. Diese Politik des Wegschauens, Bagatellisierens und Ignorierens von rechtsextremen Vorfällen muss endlich ein Ende haben. Denn sie ist letztlich der Grund dafür, dass in falsche Richtungen ermittelt wird und gegenwärtige oder künftige Gefahren weiterhin unterschätzt werden. Auch trägt sie dazu bei, dass viele derer, die sich den Rechtsextremen in den Weg stellen, in ihrem vorbildlichen zivilgesellschaftlichen Engagement behindert oder gar kriminalisiert werden.

LKA und Verfassungsschutz verweigern Akteneinsicht

Beispielhaft lässt sich diese Politik an der Reaktion des damaligen Ministerpräsidenten auf das Oktoberfestattentat beobachten. Noch in der Nacht versuchte Strauß, das Attentat linken Terroristen anzulasten. Einige Tage später präsentierten die Ermittlungsbehörden jedoch das WSG-Mitglied Gundolf Köhler als "verwirrten Einzeltäter". Keine acht Monate später legte das bayerische Landeskriminalamt seinen Schlussbericht vor, auf dessen Grundlage die Generalbundesanwaltschaft 1982 die Ermittlungen einstellte, obwohl es von Anfang an Zweifel an der Einzeltätertheorie gab, die sich in den letzten Jahren verstärkten. Trotzdem wurden bislang alle Forderungen nach Wiederaufnahme der Ermittlungen abgelehnt. Zuletzt startete der Bayerische Landtag in einem fraktionsübergreifend gefassten Beschluss einen neuen Versuch. Bislang hat insbesondere Bayern wenig zur Aufklärung beigetragen. So wurde den Opferanwälten bis Anfang 2014 die Einsicht in wichtige Unterlagen des bayerischen Landeskriminalamts und des bayerischen Verfassungsschutzes verweigert. Hinweisen auf Mittäter wurde nicht nachgegangen.

Dabei verstärken die Auswertung der Spurenakten durch den Rechtsanwalt Werner Dietrich und neue Erkenntnisse aus Zeugenaussagen die Zweifel an der offiziellen Einzeltäterthese. Eine Wiederaufnahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt, wie sie jüngst von Werner Dietrich beantragt wurde, ist daher dringend geboten.

Gerechtigkeit für die Opfer und ihre Familien

Der Rechtsextremismus ist schließlich - anders als die Staatsregierung vielleicht meinte - nicht einfach damit verschwunden, dass das Oktoberfestattentat zu den Akten gelegt wurde. Das hat uns nicht zuletzt in erschreckender Weise die NSU-Mordserie in Erinnerung gerufen. Das Attentat vom 26. September 1980 und wie die Behörden darauf reagiert haben - eine weitere unrühmliche Parallele zu den NSU-Morden -, das hat unserer Gesellschaft eine tiefe, klaffende Wunde geschlagen, die nicht verheilen will und kann. Der Rechtsfrieden konnte bis heute nicht wieder hergestellt werden.

Mit der von uns wiederholt geäußerten Forderung nach einer Wiederaufnahme der Ermittlungen, der wir angesichts der aktuellen Erkenntnisse erneut Nachdruck verleihen, wollen wir einen Teil dazu beitragen, den Opfern und Angehörigen Gerechtigkeit zukommen zu lassen und das - nicht nur bei den Betroffenen - verlorengegangene Vertrauen in den Rechtsstaat zurück zu gewinnen. Angesichts der heftigen Gefühle, die die Erinnerung an das Oktoberfestattentat auch nach so langer Zeit noch aufrührt, kann man sich zudem nur wundern, wie wenig Platz es im historischen Gedächtnis unseres Landes hat. Auch dies zu ändern, ist das Ziel unserer Bemühungen.


Grünes Engagement wider das Vergessen: So kämpt die Landtagsfraktion für Aufklärung und Aufarbeitung