Bildung und Wissenschaft

Nachhilfe bei der Nachhaltigkeit

Bildung für nachhaltige Entwicklung in Bayern voranbringen

28. April 2023

Auf Grüne Initiative fand am 27.04.23 im Ausschuss für Bildung und Kultus eine Anhörung zum Thema „Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) für Bayern – Vom Projekt zur Struktur“ statt. Dabei wurde deutlich, dass die Söder-Regierung in Sachen BNE dringend Nachhilfe benötigt. Die Sachverständigen stimmten in ihren Stellungnahmen und den Antworten, die sie gaben, den zentralen Forderungen der Grünen Landtagsfraktion zu.

BNE ist ein Konzept, das darauf abzielt, eine nachhaltige Zukunft für alle zu schaffen, indem es Wissen und Fähigkeiten vermittelt, um nachhaltiges Handeln zu fördern. Es geht darum, eine Kultur des nachhaltigen Denkens und Handelns zu schaffen, die ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig ist. BNE ist daher nicht nur für Schülerinnen und Schüler relevant, sondern für alle Altersgruppen.

Das UNSECO Rahmenprogramm „Bildung für nachhaltige Entwicklung: die globalen Nachhaltigkeitsziele verwirklichen“ (BNE 2030) und der Nationale Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung (NAP BNE) formulieren das Ziel einer strukturellen Verankerung von BNE in allen Bildungsbereichen auch in Deutschland. Den Bundesländern kommt bei der Umsetzung eine Schlüsselrolle zu. Die Bayerische Staatsregierung erklärt, BNE sei in ihrer Bildungspolitik, der Lehrkräfteausbildung und den Lehrplänen bereits integriert. Oft wird BNE dabei mit der Vermittlung von Wissen über Umweltfragen in Verbindung gebracht oder mit einem engen Fokus auf aktuelle Themen interpretiert. Das reicht nicht aus, um die transformative Kraft von BNE voll zu entfalten. BNE muss stattdessen mit einem ganzheitlichen Ansatz im Hinblick auf Lerninhalte, Pädagogik und Lernergebnisse umgesetzt werden, um einen grundlegenden Verhaltenswandel hin zu einer nachhaltigen Entwicklung zu fördern. Damit ist BNE ein zentrales Element qualitativ hochwertiger Bildung, denn sie verschiebt den bisherigen Fokus von Bildungspolitik auf Zugang zu und Qualität von Bildung, die durch Lernergebnisse gemessen werden und betont stattdessen Lerninhalte und deren Beitrag zu Nachhaltigkeit. Die Bayerische Nachhaltigkeitsstrategie beinhaltet überwiegend BNE-Maßnahmen mit Projektcharakter und definiert kein ressortübergreifendes, gemeinsames BNE-Verständnis, das alle Aspekte einer nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise beinhaltet. Im Einklang mit den NAP BNE und dem UNESCO Rahmenprogramm BNE 2030 muss es jedoch grundlegendes Ziel sein, dass BNE verstärkt in der Tiefe und Breite der gesamten Bildungslandschaft inklusive der Landesverwaltung Eingang findet.

Wir Grüne fordern darum schon lange, zügig die Bayerische BNE-Landesstrategie zu entwickeln, um endlich in allen Bildungsbereichen vom Projekt zur Struktur zu kommen. Uns ist dabei ein gesamtinstitutioneller und partizipativer Ansatz, bei dem zivilgesellschaftliche Akteur*innen und besonders junge Menschen eng miteinbezogen werden, besonders wichtig.

Eine AzP von Hep Monatzeder vom 24.4.23 hat ergeben, dass die Söder-Regierung bis jetzt noch keine Gespräche mit wichtigen Akteur*innen für die partizipative Erarbeitung der BNE-Gesamtstrategie geführt hat. Dies wurde damit begründet, dass der „Pakt für BNE in Bayern“ sich noch in einer „Phase der inneren Strukturierung“ befinde. Als dies in der Anhörung von Max Deisenhofer angesprochen wurde, wurde die Staatsregierung förmlich von den im „Pakt für BNE Bayern“ vertretenen Organisationen, die Sachverständige für die Anhörung gestellt hatten, aufgefordert, wegen der Strategie an sie heranzutreten. Die Söder-Regierung hat es also verschlafen, hier endlich tätig zu werden.

Zudem stimmten uns die Expert*innen zu, dass BNE am besten in der Staatskanzlei aufgehängt werden müsste. Denn nur so wird man dem Stellenwert von BNE gerecht. Zumal BNE so viele Ministerien betrifft, dass nur wenn es ganz oben angesiedelt ist, man auch eine Zusammenarbeit der Ministerien gewährleisten kann.

Ein weiterer Punkt, der von der Staatsregierung dringend umgesetzt werden muss, damit die im Nationalen Aktionsplan BNE beschlossenen Maßnahmen umgesetzt werden können, ist die Ausstattung mit finanziellen und personellen Ressourcen. So schlug eine Expertin vor, kontinuierlich arbeitenden Koordinationsstellen für jeden Bildungsbereich in Bayern einzuführen, die sich miteinander vernetzen und abstimmen. Zudem forderte sie die Ernennung von Verantwortlichen (bzw. Teams) in jeder Bildungsinstitution.

Einig waren sich alle Expert*innen mit unserer Forderung, die Kompetenzen von BNE-Multiplikator*innen auszubauen. Gerade Schulleitungen, Seminarlehrkräften und Seminaren bescheinigten alle Sachverständigen großen Fortbildungsbedarf. Dieser soll verpflichtend sein. Vor allem beim Whole Institution Approach bzw. Whole School Approach forderten sie Konzeptklarheit. Denn die meisten Schulleitungen und Lehrkräfte wissen nicht, was der Whole School Approach ist.

Man kann sich diesen wie ein Haus vorstellen, bei dem die Basis die Lernkultur ist. Das heißt, Schüler*innen werden Zukunfts- und Gestaltungskompetenzen vermittelt, sie sind eigene Gestalter ihres Lernprozesses und erhalten ihren Lernprozess begleitend Feedback. Sie erfahren Selbstwirksamkeit, weil es strukturell verankerte Lern-Freiräume gibt. Das Stockwerk über der Basis ist die Schule als Lern- und Lebensraum. Nämlich eine Schule, die einen geringen oder besser, einen positiven ökologischen Fußabdruck hat, eine flexible Gestaltung des Lern- und Lebensraums durch das Schulhaus und die Umgebung zulässt und eine ausgewogene Balance zwischen digitaler und analoger Welt aufweist. Die Schulkultur ist dadurch gekennzeichnet, dass sie inklusiv ist, eine positive Fehlerkultur und stärkenorientierte Feedbackkultur hat, und Teilhabe möglich ist. Die Führung ist kollegial. Es gibt eine transformative Schulentwicklung, die durch selbstorganisierte Teams mit Entscheidungskompetenzen vorangetrieben wird. Und schließlich wirkt sie auf die Gesellschaft durch Partnerschaften mit anderen Schulen und/ oder NGOs, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, indem sie den nachhaltigen Wandel vor Ort mitgestaltet und lokale bis globale Bildungslandschaften aufbaut.

Für uns Grüne ist eine Schule der Zukunft nur mit diesem Whole School Approach denkbar. Wie aber der von uns eingeladene Experte, Dirk Uhlemann von Schule im Aufbruch während der Anhörung feststellte, gibt es in Bayern zwar rein formal gesehen, schon die Voraussetzungen, um Schulen im Sinne des Whole School Approach zu gestalten, aber die Freiräume würden zu selten gefüllt. Die Schulen seien zu unselbstständig und das Personal an den Schulen habe zu wenig Gestaltungsspielräume. Darum fordern wir seit Langem, dass die Schulen mehr Eigenständigkeit bekommen und es eine Veränderung des Verhältnisses zwischen Schulen und Kultusministerium gibt. Das Kultusministerium muss mehr zum Dienstleister auf Augenhöhe werden. Die Beratung muss von der Schulaufsicht getrennt werden.

Ein wichtiger Punkt der Expert*innen war, dass die Lehrkräfte neben mehr Freiräumen vor allem mehr Zeit bräuchten, um BNE umsetzen zu können. Eine Forderung von uns ist, den Umweltbeauftragten, die in der Regel an den Schulen für BNE zuständig sind, mehr Anrechnungsstunden zur Verfügung zu stellen. Die Fachleute machten außerdem klar, dass es besonders in den Kreisen der Politik bereits an einem Grundverständnis von BNE mangelt – an einem gemeinsamen Konzept, einer Definition, die klar macht, dass es eben nicht nur um Umweltbildung, sondern um Zukunftskompetenzen geht. Sogar Schulungen für die Staatsregierung wurden angeregt.

Was sich in Bezug auf Schule zusammenfassend sagen lässt, ist, dass Schule sich verändern muss und es ein neues Bildungsnarrativ braucht. Der starre 45-Minuten-Takt, das Lernen nur im Klassenverband und begrenzt auf ein bestimmtes Fach sind längst überholt.

In Bezug auf alle Bildungseinrichtungen, egal ob formal oder non-formal lässt sich sagen, dass es eine zügige partizipative Entwicklung eines Konzeptverständnisses und einer Landesstrategie für BNE braucht, damit wir die Ziele der Agenda 2030 noch erreichen können. Hoffen wir, dass die Söder-Regierung unsere Forderungen schnell umsetzt.